Tichys Einblick
Heldentum?

Daniel Z.: Whistleblower oder Staatsfeind?

Daniel Z. begründete seine illegale Handlung so: Sein Ziel sei es gewesen, "dass die Spekulationen über einen möglichen Tatablauf ein Ende haben". Nach Selbstanzeige und Erscheinen der Nachricht in der Bild-Zeitung wurde Daniel Z. umgehend vom Dienst suspendiert.

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Der Baden-Württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple nutzt die Gunst der Stunde und katapultierte sich mit einem spontan per facebook verbreiteten Job-Angebot auf relevante überregionale Nachrichtenseiten, wenn er dem Dresdner Justizvollzugsbeamten Daniel Z., der gerade die Verbreitung des Haftbefehls der mutmaßlichen Mörder von Daniel H. gegenüber der Bild-Zeitung gestanden hat, einen Job in Stuttgart in seinem AfD-Büro anbietet, mit den Worten: „Sie sind ein Held und genau so, wie alle meiner genialen Mitarbeiter Helden auf ihrem Gebiet sind, kann ich Sie und Ihre Expertise sehr gut in meinem Team brauchen.“ 

Eine sicher auch groteske Randnotiz, aber eine interessante insofern, dass sich bisher die überwiegende Zahl der Leitmedien einig darin sind, dass die illegale Veröffentlichung des Haftbefehls nicht in die Rubrik „Whistleblower“ fällt, wenn lediglich von einer Straftat berichtet wird.

Nach Selbstanzeige und Erscheinen der Nachricht in der Bild-Zeitung wurde Daniel Z. umgehend vom Dienst suspendiert, teilte das sächsische Justizministerium mit. Nun ist den Adressaten, denen Daniel Z. sein heimlich gemachtes Foto vom Haftbefehl zugesandt hatte, gemeinsam, einem politischen Spektrum anzugehören, wenn Daniel Z. die Dokumente an Pro Chemnitz, einen Kreisverband der AfD sowie Pegida-Gründer Lutz Bachmann verschickte.

Noch ist nicht bekannt, ob er parallel auch die Medien beschickt hat. Er soll aber auch Verwandte der drei Opfer informiert haben. Und es wäre Daniel Z. sicher ebenfalls möglich gewesen, nicht erst mit dem Geständnis zur Bild zu gehen, sondern bereits im Vorfeld mit den illegal angefertigten Fotos des Haftbefehls. Die Bild hätte sich diese Exklusiv-Meldung sicher nicht entgehen lassen und dem Versender jenen Schutz gewähren können, der ihn vor Verfolgung durch die Ermittlungsbehörden zunächst weitestgehend geschützt und ihn in der Anonymität hätte verharren lassen.

Tagesschau.de schrieb im April dieses Jahres einen Artikel über die neu vorgestellten EU-Richtlinien zum Schutz von Whistleblowern: „Für die einen sind Whistleblower Verräter, für die anderen Helden.“ Den Begriff des Helden hat der oben genannte AfD-Abgeordnete nun in die Debatte um die Tat von Daniel Z. eingeführt.

Laut Süddeutscher Zeitung heißt es im Entwurf des EU-Gesetzesvorschlags
„Whistleblower helfen dabei, Bedrohungen oder Schäden für das öffentliche Interesse aufzudecken.“ Es heißt dort ausdrücklich nicht: Whistleblower ist NICHT, wer dem Staat und seinen Organen Schaden zufügt. Eher noch ist das Gegenteil der Fall: Ein veritabler Whistleblow ist überwiegend auch dadurch gekennzeichnet, dass er genau das macht: Den Staat und seine Organe massiv in Bedrängnis zu bringen.

Die EU-Richtlinen haben die Definition eines Whistleblows sogar ausdrücklich weit gefasst. „So sollen nicht nur Angestellte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, sondern auch unbezahlte Praktikanten oder ehrenamtlich Tätige geschützt werden, heißt es in dem Bericht.“, berichtet Tagesschau.de

Nun lastet auf dem Whistleblower selbst die größte Verantwortung, einzuschätzen, ob die Voraussetzungen für einen Whitleblow gegeben sind. Zunächst einmal, dass muss erinnert werden, ist ja jede Veröffentlichung von unter Verschwiegenheit- und Vertraulichkeitsklauseln geschützten Dokumenten, illegal. Der die illegale Tat Begehende muss also im Vorfeld genau abwägen, wie hoch die Chancen sind, dass seine Tat nachgereicht via Whistlebow quasi in die Legalität rücküberführt wird.

Doch sind nun zweifellos mit der Veröffentlichung des Haftbefehls eine Reihe von Voraussetzungen für einen Whistleblow erfüllt? Die drückende Ungewissheit über Täter und Tathergang, über Motive und Herkunft der dringend Tatverdächtigen könnte dazu beitragen, die aufgeheizte Stimmung in Chemnitz dahingehend abkühlen zu lassen, dass der schnelle Erfolg der Verfolgungsbehörden zufrieden stellt.

Daniel Z. ist hier ein Risiko eingegangen: Er hat schnell, sogar sehr schnell, möglicherweise zu schnell, veröffentlicht. Er hat den Polizeibehörden die Möglichkeit genommen, selbst an die Öffentlichkeit mit Informationen zu den festgenommenen Verdächtigen zu gehen.

Daniel Z. begründete seine illegale Handlung so: Sein Ziel sei es gewesen, „dass die Spekulationen über einen möglichen Tatablauf ein Ende haben“.
Weiter lies der 39-jährige Daniel Z. mitteilen: „Ich habe den Haftbefehl weitergegeben, weil ich wollte, dass die Wahrheit und nur die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommt.“

Sebastian Gemkow, Justizminister des Landes Sachsen, ist empört: „Die Weitergabe von vertraulichen Dokumenten eines Strafverfahrens ist verantwortungslos und stellt einen schwerwiegenden Vorwurf dar.“ Entsprechend aktiv wurden seine Ermittlungsbehörden, es soll zu diversen „Prüfvorgängen“ gekommen sein, der Verfolgungsdruck auf Daniel Z. sei dementsprechend hoch gewesen und hätte letztlich zum Geständnis geführt. Betroffen von den Prüfvorgängen seien u.a. Pegida-Mitgründer Lutz Bachmann, ein bayerischer Bundestagsabgeordneter der AfD sowie „Pro-Chemnitz“-Chef Martin Kohlmann gewesen. Auch sei es zu Hausdurchsuchungen gekommen.

Nun ist eine Frage in diesem Fall einer illegalen Veröffentlichung vertraulicher Dokumente medial, noch nicht besprochen worden: Nämlich die, in wie weit zukünftig die Verfahren gegen die Angeklagten selbst beeinflusst werden könnten, wenn die Anwälte der dringend Tatverdächtigen diesen Umstand der Veröffentlichung als nachteilig für ihre Mandanten bewerten und so den Gerichten vortragen.

Unbenommen davon ist der Schluss, dass es sich hier um einen Whistleblow handeln könnte, keineswegs abwegig. Die wichtigsten Kriterien dafür scheinen hinreichend erfüllt. Eines allerdings will sich bisher noch nicht einstellen, was aber doch das wichtigste Kriterium für einen Whistleblow sein könnte: Die öffentliche Meinung. Die Reaktion der Leitmedien. Und die scheinen sich einig: Hier handelt es sich um eine Straftat. Um mehr nicht. So betrachtet, ist Daniel Z. bisher allenfalls ein tragischer Held. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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