Eine Stiftung, die gar keine ist, sondern ein Verein. Eine Stiftung, die weitestgehend aus Steuermitteln finanziert wird. Eine Stiftung, die bitte trotzdem keine Pressefragen zu umstrittenen Personalien beantworten möchte … Was für ein Verein ist das eigentlich?
Hanns-Seidel-Stiftung mit umstrittener Personalie
Die Rede ist hier von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung und die Personalie ist Dr. Mounir Azzaoui, seit neuestem Leiter des Büros der Stiftung in Marokko. Der Hanns-Seidel-Verein erhält gemeinsam mit fünf anderen Stiftungen (nur eine ist juristisch Stiftung) der im Bundestag vertretenen Parteien aus Bundesmitteln 581 Millionen Euro pro Jahr (Stand 2018) zum Zwecke der politischen Bildung. Die CSU-Veranstaltung allein erhält fast 60 Millionen – es sind Steuergelder. Auch die AfD will nach Erfüllung der restriktiven Formalien Zugang zum Geldtopf.
„… beachten Sie bitte, dass sich die Hanns-Seidel-Stiftung grundsätzlich nicht zu Einzelheiten in Personalangelegenheiten äußert.“
In einem von zwei Telefongesprächen wird sich der Pressesprecher später auf eine Fürsorgepflicht berufen, dann will er Azzaoui doch noch ins Gespräch holen, auch die Leitung der Hanns-Seidel-Stiftung soll darüber informiert worden sein, so der Sprecher, aber zuletzt will man wohl erst einmal abwarten, was die andere Seite präsentiert. Schattenboxen also im Wohlfühlschatten eines ziemlich üppigen Berges aus Steuergeldern.
Fragen, die einer Antwort bedürfen
Aber womit hatte TE den Pressesprecher zum Schweigen gebracht? TE wollte lediglich wissen:
Was befähigt den Grünen Mounir Azzaoui vor allen anderen, in Marokko das Büro der Stiftung (…) zu leiten?
Wenn es sich die Stiftung in Marokko zur Aufgabe gemacht hat, u.a. den demokratischen Übergang und rechtsstaatliche Strukturen zu fördern, warum macht man das mit einem politisch Grünen, der zudem Berührungspunkte zu Islamisten hat und beispielsweise eine explizite antiisraelische Haltung u.a. im Gaza-Konflikt?
Was verspricht/erhofft sich die Stiftung von der zukünftigen Arbeit von Mounir Azzaoui?
Die Stiftung betont immer wieder, ihr Ziel sei es, international tätig zu werden auf Basis von „christlich-sozialen Idealen“ – wie sehr repräsentiert ihrer Meinung nach Mounir Azzaoui als Leiter des Büros diese Ideale?
Ein Zusammentreffen Mounir Azzaouis mit Vertretern der israelischen Regierung ist im Rahmen seiner Tätigkeit denkbar und wahrscheinlich. Mounir Azzaoui vertritt allerdings im Israel-Palästina-Konflikt explizit die Seite Gazas und wird nicht müde, antiisraelische Ressentiments in den sozialen Medien mitzuteilen. Was glauben Sie, hat das für Auswirkungen für die Stiftung? Und welche Maßnahmen werden sie dahingehend ergreifen, wird oder hat es schon Gespräche dazu gegeben mit Mounir Azzaoui?
Die Hanns-Seidel-Stiftung will diese Fragen aber nicht beantworten, nicht mit und nicht ohne Azzaoui. Aber wenn sie nicht will, was sie gegenüber dem Steuerzahler aber sollte, wenn der Stiftung hier so etwas wie Transparenzgedanke fremd ist, dann müssen wir eben zunächst ohne Zutun der Betroffenen über diese Personalie reden.
„Den Leitern unserer Auslandsbüros obliegt die Umsetzung der Ziele unserer Projektarbeit vor Ort. Diese können – wie für jedes Land – ganz transparent in unserem Internetangebot unter https://www.hss.de/weltweit-aktiv/afrika/marokko/ auch für Marokko nachgelesen werden.“
TE wird also auf eine Seite verwiesen, die etwas über die Arbeit dort sagt und „ganz transparent“ sein soll, aber wer da eigentlich tätig ist, dazu will man diese Transparenz dann lieber nicht angewandt wissen. Dr. Mounir Azzaoui wird auf besagter Webseite bereits als Leiter des Büros vorgestellt. Nebst einer Reihe von Zielen, die Azzaoui für seinen neuen Verein vertreten soll, der sich in seiner Satzung bzw. in der Rubrik „Unser Auftrag“ auf die Fahnen geschrieben hat, „demokratische und staatsbürgerliche Bildung des deutschen Volkes“ zu betreiben „auf christlicher Grundlage“. Ist er dafür der Richtige?
Doch ja, man sei zwar von der CSU unabhängig, wird an anderer Stelle explizit betont, und muss auch betont werden, will man weiter von den Steuergeldern profitieren, aber der Nachsatz umarmt die Partei dahinter wieder: man arbeite „jedoch im Sinne deren Grundwerte“ – also der CSU.
Christliche, anti-israelischen Grundlagen in CSU-Praxis
Folgerichtig müsste das dann ja auch für die Personalie Azzaoui gelten. Was macht, dass die Stiftung über ihren Pressesprecher hier so zugeknöpft erscheint, wo doch Transparenz insbesondere gegenüber der die Öffentlichkeit informierenden Presse und gerade in umstrittenen Personalfragen eigentlich selbstverständliche Pflicht eines so finanzierten Vereins wäre?
Der neue Leiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung forderte 2014 „in den nächsten Jahren eine deutsch-muslimische Perspektive zu dem Konflikt zu entwickeln“. Warum? „Damit diese Unverschämtheiten aufhören.“ Welche meinte er? Etwa den Protest darüber, dass sich israelische Familien immer wieder ängstlich und von Sirenen dazu aufgefordert in Bunker zurückziehen müssen, weil regelmäßig Raketen auf Juden abgeschossen werden von extremistisch-terroristischen Muslimen? Für das deutsch-israelische Verhältnis ist es jedenfalls nicht förderlich, wenn die CSU jetzt einen Mann vor Ort schickt, der ein deutsch-muslimisches Projekt an seine Stelle setzen will.
Ein Grüner im Zentralrat der Muslime und in der CSU
Wer also genau ist der neue Leiter der Dependance der CSU-Stiftung in Marokko, der diesen Politikwechsel vorantreiben soll? Dr. Mounir Azzaoui war fünf Jahre lang Sprecher des Zentralrates der Muslime in Deutschland. Er ist oder war Parteimitglied der Grünen und in NRW Mitbegründer des Arbeitskreises Grüne Muslime, für die er auch als Sprecher tätig war. Da die Stiftung keine Auskunft geben mag, wer da für sie arbeitet, müssen wir weiter zurückgehen. So findet sich 2007 ein Interview Azzaouis in der Islamischen Zeitung, wo dieser über den Arbeitskreis „Grüne Muslime“ berichten soll. Dort kritisierte er u.a. von ihm behauptete Assimilierungsbemühungen an Muslimen durch die CDU/CSU und ihre Leitkulturdebatte, die „weit über die Verfassung“ hinausgehen würden. Die SPD sei im Übrigen die Partei, welche dem Islam sehr kritisch gegenüberstehen würde. Es gäbe in der SPD „noch viel stärker als bei den Grünen auch laizistische Strömungen“, welche „dem Islam und auch Religionen generell sehr kritisch gegenüberstehen.“ Das ist nun eine sehr gewagte Behauptung; eher parteipolitisch geprägt als tatsächlich. Und so geht es weiter.
Und so geht es weiter, ziemlich weit weg von den Grundwerten der CSU und dem Auftrag ihrer Stiftung, die „demokratische und staatsbürgerliche Bildung des deutschen Volkes“ betreiben will „auf christlicher Grundlage“. 2011 forderte der grüne Azzaoui die Abschaffung des Verfassungsschutzes, dieser würde die liberale Demokratie nicht schützen. Damit ist er im Trend der aktuellen Grünen-Politik, die den Sicherheitsapparat schleifen will.
Wiederum 2014 teilte Azzaoui per Twitter einen Beitrag, der den Spiegel kritisierte, der es gewagt hatte, eine Raketenwut der Hamas gegen Israel zu kritisieren. Im selben Jahr forderte Mounir Azzaoui, „man kann nur hoffen, dass die verantwortlichen Politiker jetzt konsequent handeln und die IGMG (Red.: Milli Görüs) aus den Berichten (Red.: Verfassungsschutzberichte) nehmen.“
Man beginnt das Schweigen der Hanns-Seidel-Stiftung zu verstehen: Diese Widersprüche sind nicht aufzulösen. Das Schweigen zieht Kreise.
Mittlerweile ist der Twitter-Account von Mounir Azzaoui nicht mehr erreichbar. Gelöscht oder gelöscht worden? Aber von wem und warum? Wir fragen auch das nach, bekommen aber auch dazu keine Antwort. Man wolle abwarten, was da kommt. Dass eine so abwartende Haltung keine besonders vertrauenserweckende Maßnahme wäre, nimmt der Sprecher zur Kenntnis. Ja, der Mann ist freundlich, man unterhält sich nett, aber der Plauderton kann ja nicht die fehlenden Informationen ersetzen.
Was also macht ein grüner Muslim, der u.a. mit einem speziellen Verhältnis zu Israel aufgefallen ist, für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Siftung als Leiter des Büros der Stiftung, die gar keine ist, sondern ein Verein eigentlich in Marokko? Auch ein Interviewangebot mit der Stiftung bzw. Azzaoui wird abgelehnt. Selbst bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, eher am Rand des politischen Spektrums der CDU angesiedelt, ist man irritiert über die Personalpolitik der Schwester in München. Aber auch hier: Schweigen.