Tichys Einblick
Gab es laut DAK-Zahlen zu viele Beatmungen?

Mediziner kritisieren Anzahl von auf Intensivstationen beatmeten Menschen

Der Vorwurf, der sich aus der Analyse von DAK-Zahlen zur Belegung von Intensivplätzen und Beatmungen ergibt, könnte kaum schärfer sein: Denn danach sind Menschen in Deutschland gestorben, die ohne diese medizinische Zuwendung noch am Leben sein könnten.

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Das muss man gleich zweimal lesen: Zum einen, weil es ein weiterer mächtiger Baustein sein könnte in einer kontinuierlich anwachsenden Mauer von Zweifeln – und faktenbasierter Einwände – an der Sinnhaftigkeit bzw. der Rechtmäßigkeit der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung.

Und zum anderen, weil man schon ganz durcheinanderkommt auseinanderzuhalten, was noch Verschwörungstheorie sein soll und was schon belegt oder wahrscheinlich wahr ist.

So konnte die Welt am Sonntag (WamS) jetzt Erhebungen einsehen, die gravierende Anhaltspunkte dafür geben, dass in Deutschland auffällig zu viele an Corona erkrankte Bürger intensivmedizinisch behandelt und beatmet wurden. Mit allen negativen Folgen.

Die Zeitung stellt auf Basis besagter vorliegender neuer Zahlen die folgenschwere Frage, ob es den betroffenen Kliniken auch darum ging, „besonders teure Leistungen abzurechnen“. Womöglich wurden, so heißt es da weiter, „mehr Covid-Patienten intensivmedizinisch und damit teurer behandelt als notwendig.“

Jetzt könnte man positiv vermerken, dass Deutschland schneller auf Nummer sicher gegangen sei – einfach weil wir es können! – aber so ist es leider nicht: Eine zu schnell angewandte intensive Gerätemedizin kann alles andere als ein Segen sein. Zu befürchten ist gar, dass sie schneller zum Tode des Patienten führen kann: „Die hohe Zahl der Beatmeten ist erschreckend“, sagt Professor Dieter Köhler, Lungenarzt und ehemaliger Chef des Verbandes der pneumologischen Kliniken.

Die sogenannte invasive Beatmung, die Luftzufuhr über einen Schlauch in den Hals, sei zudem riskant. Sie könne sogar zum Tode führen. „In der Frühphase der Pandemie wurden ausgesprochen viele Corona-Patienten intubiert, selbst sehr alte Menschen. Da muss man sich schon fragen, ob das nicht sogar kontraproduktiv war“, ergänzt dazu Franz Knieps, Vorstandsmitglied des BKK-Dachverbandes.

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Diesen Stein ins Rollen brachte jetzt der Anästhesist, Palliativmediziner und Buchautor Matthias Thöns, der Daten der DAK ausgewertet hat. Demnach wurden 5.157 DAK-Versicherte wegen Covid-19 auf Intensivstationen behandelt, 81 Prozent davon künstlich beatmet.

„Der sehr hohe Anteil an Beatmung lässt sich nicht allein mit medizinischer Notwendigkeit erklären“, sagt Thöns. Und die Welt fragte nach: „Ging es den Kliniken auch darum, besonders teure Leistungen abzurechnen? In anderen europäischen Ländern ist die Beatmungsquote bei einer geringeren Todesrate geringer.“

Es werden weniger beatmet und es sterben auch noch weniger?

Der Vorwurf, der sich aus der Thöns-Analyse der DAK-Zahlen ergibt, könnte kaum schärfer sein: Denn danach sind Menschen gestorben, die ohne diese medizinische Zuwendung noch am Leben sein könnten.

Noch im April 2021 prophezeite der mit Beginn der Corona-Pandemie polit-medial systematisch als Gesundheitsexperte aufgebaute sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach bei Maybrit Illner, viele Kinder würden ihre Eltern verlieren. Das ist gottseidank bis heute nicht eingetreten.

Seit Anfang 2020 warnte Lauterbach zudem beständig und in immer neuen apokalyptischen Mutationen davor, dass zu wenige Intensivplätze zur Verfügung stehen würden. Beispielsweise der Merkur schrieb jetzt allerdings rückblickend: „Die Intensivstationen dürfen nicht volllaufen: Das war in allen drei Corona-Wellen das oberste Ziel. Nun bezweifeln manche Experten, dass diese Gefahr wirklich bestand. Die Kliniken reagieren empört.“

Klinikleiter wie Thomas Voshaar, Chefarzt des Krankenhauses Bethanien in Moers und Leiter des Lungenzentrums, verweist allerdings und nicht zum ersten Mal auf die Gefahren der invasiven Beatmung. In seinem Haus versucht er diese zum Schutz des Patienten sogar zu vermeiden, er setzt hier „vor allem auf die Sauerstoffversorgung etwa per Maske“.

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Aber es kommt noch dramatischer. Nein, es ist in der Sache sogar eine der schärfsten Anklagen überhaupt: Es gäbe finanzielle Anreize für die invasive Form der Beatmung. Voshaar bestätigt gegenüber der WamS, dass der Anreiz für Kliniken in Deutschland hoch sei, Patienten auf die Intensivstation zu verlegen: „Es ist immer ein relatives Geschäft, wer auf Intensivstation kommt“, es gäbe immer auch einen Ermessensspielraum bei leichteren Fällen.

Alleine schon die Vorstellung muss für die meisten Bürger unerträglich sein, dass es auch Geschäftemacherei war, welche die politischen Entscheidungen für Einschränkungen und Lockdowns beschleunigt haben samt einer katastrophalen Entwicklung für Mensch und Wirtschaft.

Wie sehen die deutschen Zahlen im Vergleich aus? Damit hat sich die TU-Berlin beschäftigt. So lagen im Herbst 2020 in Dänemark neun Prozent der Covid-Patienten auf Intensivstationen, in Spanien und Großbritannien acht Prozent und in Deutschland mehr als doppelt so viele bei 19 Prozent.

Welt-Kulturchef Andreas Rosenfelder fragte vergangene Woche im Zusammenhang mit einer Bedrohung der Delta-Variante: „Haben wir vergessen, was mittlerweile ans Licht gekommen ist?“ Buchautor und Mediziner Matthias Thöns hat den Lichtkegel jetzt noch weiter aufgezogen, als er alarmierenden Zahlen der DAK analysierte.

Es sind Horrorprognosen wie jenes dicke Bündel von Karl Lauterbach mit Bildern von umherirrenden elternlosen Kindern in einer pandemischen Dsytopie. Diese falschen Bilder führten letztlich auch zur umstrittenen „Bundesnotbremse“.

Und währenddessen soll – wie Thöns jetzt ermittelt haben will – eine Geschäftemacherei mit der Belegung der Intensivbetten samt Beatmung auch noch jene Schwererkrankten in Gefahr gebracht haben, die sich samt ihrer Angehörigen naiver Weise ein stückweit sicherer fühlten, als der Patient auf die vermeintlich rettende Intensivstation eingewiesen oder verlegt wurde. Was für ein Horror!

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Nochmal Thöns: „Der sehr hohe Anteil an Beatmung lässt sich nicht allein mit medizinischer Notwendigkeit erklären“. Und die WamS ergänzt: „Die Versorgung Covid-Kranker mit Sauerstoff ist zum einen kostspielig. Während die stationären Behandlungskosten durchschnittlich bei 5.000 Euro liegen, können Fälle von Intensivbeatmung mit 38.500 Euro abgerechnet werden, im Einzelfall sogar mit 70.000 Euro.“ Hollywood könnte es nicht gruseliger fabulieren und dann verfilmen.
Nur wer soll hier der strahlende Held sein in diesem ScieneFiction live? Lauterbach fällt aus. Oder sind es die besonders scharfen Kritiker oder solche umgekehrt auf dem Ross in ihre ganz eigene Apokalypse reitenden Eiferer gegen die Corona-Maßnahmen? Oder Autor Thöns?

Wenn es nach der Deutschen Krankenhausgesellschaft geht, ist alles sowieso Humbug, was Thöns herausgefunden hat:
„Uns ist keine international vergleichende Studie bekannt, wonach in Deutschland der Anteil beatmeter Covid-19-Patienten bei entsprechend verfügbaren Beatmungskapazitäten signifikant höher lag als in anderen Ländern“, teilte die DKG auf Anfrage der WamS mit.

Aber welches Grausen in grünen Laken befindet sich hier direkt unterhalb dieser ominösen Signifikanz?

Die Vereinigung der Krankenhäuser schickt noch ein weiteres Argument gegen Thöns Ermittlungen ins Feld: Die Zahlen der DAK seien nicht deckungsgleich mit jenen anderer Kassen. Die DAK-Versicherten seien zudem „überdurchschnittlich alt“. Fazit der DKG: „Aus den Daten die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Ärzte unnötig beatmet haben, ist durch nichts belegt, wir weisen diese Behauptung vehement zurück.“

Wer hat Recht? Die WamS fragt auch Michael Weber, den Präsidenten des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands. Der hält die Vorwürfe ebenfalls für haltlos. Nur seine in der Zeitung wiedergegebene Argumentation klingt überraschend dünn – sein Verweis auf eine Übereinstimmung beinhaltet besonders im Lichte der Analyse von Thöns zudem noch die Theorie einer Übereinkunft: „Die Zahlen der DAK widersprechen allen bekannten offiziellen Zahlen.“

Die Zeitung hält hier den Befund entgegen, dass „die Kliniken ab Herbst einen Anreiz hatten, vermehrt Patienten auf Intensiv zu verlegen: Sie konnten genau dann Ausgleichszahlungen kassieren, wenn es in ihrem Landkreis weniger als 25 Prozent freie Intensivbetten gab“.

Wieder Chefarzt Voshaar legt den Finger in die selbe Wunde: „Viele Patienten kamen danach wohl auch nur zur Überwachung auf Intensivstation. Das ist nicht verwerflich. Problematisch ist nur, dass die Auslastung der Intensivstationen zuletzt zum Hauptargument der Politik für die Bundesnotbremse wurde.“

Der Schaden ist so immens, die Verantwortung der Politik so erheblich, dass die Summe negativer Erkenntnisse wie die des couragierten Autors Thöns in Summe mit weiteren offengelegten Irrtümern durchaus geeignet sind, an den Grundfesten der Republik zu rütteln.

Denn der individuelle Schaden für jeden Betroffenen ist groß und im Überbau blicken wir auf einen gesamtgesellschaftlichen Schaden der so gigantisch ist, dass die Genugtuung leider gering ausfallen könnte, dieses Paket den politischen Entscheidern und den so falsch beratenden Medizinern aufzuladen. Selbst da, wo sie an der Last zerbrechen würden, wird niemand wieder lebendig und kein Unternehmen wird wieder florieren – es gibt keine Genugtuung oder Gerechtigkeit.

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