Niemand soll Angela Merkel jetzt noch nachsagen dürfen, sie würde sich nicht um ihre Leute kümmern: In einem schwachen Moment bekam ich von einem Facebook-Freund, bei dem ich mich ausgeheult hatte, den Ratschlag, mich doch einmal an eine Empfehlung der Bundeskanzlerin zu halten …
Auf Bundesregierung.de hat Merkel keine Mühen und Kosten gescheut, den Deutschen die Zeit während der Corona-Maßnahmen so angenehm wie möglich zu machen. Nein, kein Netflix für alle, sondern etwas viel Tiefgreifenderes: Ein Beratungsgespräch quasi stellvertetend von der Bundesregierung für uns geführt mit einem renommierten Psychiater: Professor Klaus Lieb, der wissenschaftliche Geschäftsführer des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung, also gewissermaßen der Boss des Oberhauses der deutschen Prepper-Szene, hat sich bereiterklärt, Tipps zu geben.
Und weil Angela Merkel möglicherweise selbst von diesen Tipps profitieren konnte, hat die Bundesregierung dieses Interview und weitere Ratschläge auch bei Facebook eingestellt. Die Bundesregierung moderiert ihren Beitrag dort wie folgt an:
„Angst, Frust oder Ärger – nicht erst seit der beschlossenen Verlängerung der einschränkenden Maßnahmen sind wir in dieser Pandemie immer wieder mit negativen Emotionen konfrontiert. Wir alle teilen diese völlig normalen Reaktionen auf die aktuelle Situation. Wie also damit umgehen?“
Jetzt nährt die Bundesregierung einmal mehr die Idee davon, dass im Kanzleramt über den Kartentisch gebeugt Schritt für Schritt vorgangenen wird, „Angst. Frust oder Ärger“ der Leute zu neutralisieren. Die Bundesregierung eröffnet ihren über 840.000 Followern auf Facebook die Pathologisierung ihrer Kritiker in drei Punkten: 1. Bewusst machen, 2. Akzeptieren, 3. Handeln.
Da heißt es zunächst in dieser an einen Stuhlkreis erinnernden Rhetorik, es wäre hilfreich, sich Gedanken über seine Gefühle zu machen. Man soll auch mit anderen sprechen. Aber damit daraus nun nicht gleich wieder eine gefährliche politische Bewegung wird, heißt es weiter unter Punkt 2: „Negative Gedanken und Gefühle sind in diesen Zeiten völlig normal. Akzeptanz erleichtert den Umgang damit.“
Und dann Punkt 2, „Handeln“. Wer hier erwartet, es gäbe wertvolle Tipps für Demonstration, wie man eine NGO gründet, eine Arbeitsgruppe aufmacht oder Ähnliches, wird enttäuscht werden: Ängstliche, Verärgerte und Frustrierte sollen negativen Gedanken bewusst etwas entgegensetzen, heißt es da. Und, kein Witz, mal „z.B. ein neues Rezept ausprobieren“. Kochen gegen Merkel am Anfang eines Aufstandes der Guten gegen das Böse? Es klingt so lächerlich, wie es ist.
Aber es wird noch besser: Wir sollen uns endlich auch mal dankbar zeigen, anstatt nur rumzumaulen oder gar mit Transparenten auf die Straße zu gehen, wir sollen „aktiv an etwas Positives denken, z.B. worüber man dankbar ist.“
Kommen wir noch kurz zum von der Bundesregierung ihrem Facebook-Post angehängten Interview mit Prof. Klaus Lieb. Das scheint ein empathischer Mann, der Gute weiß sofort, was von ihm gewünscht wird und eröffnet so: „Wichtig ist in erster Linie die Akzeptanz. Man kann die Situation ja gerade nicht ändern.“ Ja, das mag zutreffen für Bergsteiger, die von einem Unwetter überrascht am Hang hängend abwarten müssen. Aber für Bürger, die sich gegenüber ihrer Regierung in einer freiheitlich-demokratischen Ordnung positionieren, ist das nur eine bedingt sinnvolle Empfehlung. Nein, es ist sogar ein Sedativum.
Aber natürlich: Es geht hier um Corona, um eine reale Gefahr und um einschränkende Maßnahmen, diese Gefahr zu bannen. So fair muss man sein, da können solche Tipps durchaus wertvoll sein. Doch jetzt kommt das „aber“: Wo die Bundesregierung die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Bürger und die eingeschränklten Protestmöglichkeiten dazu nutzen will, eine bis dato unpopuläre Politik durchzusetzen, Maßnahmen durchzuwinken, die mit der Pandemie so gar nichts zu tun haben, da muss der Bürger doppelt aufmerksam sein. Und der ist durchaus gewillt dazu, so man ihn lässt.
Prof. Lieb empfiehlt zur Stärkung ein angenehmes Bad, einen schönen Film oder gemeinsames Kochen. Negative Emotionen dürften nicht angeheizt werden, weiß der Fachmann. Und er ermahnt die Bürger mit seinem Fachwissen auch ganz sanft: „Allerdings machen wir in unserem Leben immer die Erfahrung, dass Pläne auch durchkreuzt werden. Das ist nichts Ungewöhnliches.“
Aber das ist noch nicht alles: Damit die Sache Fahrt aufnimmt, hat die Bundesregierung noch mehr Geld in die Hand genommen: Arbeitsministerium, Gesundheitsministerium und Familienministerium sowie „zentrale Akteure und Akteurinnen aus dem Bereich der Prävention“, also NGOs, haben eine gemeinsame Initiative gestartet: Die „Offensive Psychische Gesundheit.“ Während also die Offensiven gegen die Politik der Bundesregierung von dieser selbst und von den Medien gerne diffamiert, diskreditiert und denunziert werden, findet diejenigen, die an ihren Sorgen und ihrem Ärger verzweifeln, professionelle Hilfsangebote, finden Kochkurse und wertvolle Tipps wie „Spazierengehen“, aber bitte den Ausweis dabei haben, Atemschutzmaske, nicht in Ski- oder Rodelgebiete fahren und vor allem: die magischen 15 Kilometer nicht überschreiten und auf den Sonnenuntergang achten, denn Nachts herrscht vielerorts Ausgangssperre – sicherheitshalber.