Tichys Einblick
Braunschweig vergoldet Unterkunft-Wachschutz

Vier Millionen Euro pro Jahr für nur 700 Zuwanderer

Asylunterkünfte werden in Deutschland vielfach im Dreischichtbetrieb von Sicherheitsdiensten bewacht, damit sich rivalisierende Bewohner nicht gegenseitig in Konflikten verletzen oder die Unterkünfte demolieren. Ein Sprecher der Stadt Braunschweig beantwortet Fragen von TE.

Symbolbild

IMAGO/photothek

Eine Nachricht sorgte zuletzt für teils heftige Diskussion in den sozialen Medien: Das Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg gab im Juli 91.000 Euro für Security-Mitarbeiter aus. Der Badebetrieb ist demnach nur durchführbar, wenn für etwa 3.000 Euro pro Badetag Sicherheitsleute dafür sorgen, dass sich die Badegäste nicht gegenseitig an die Gurgel gehen, Frauen belästigen oder Bademeister in den Nacken springen. Alle diese Fälle sind vielfach dokumentiert bis hin zu Handyaufnahmen aus weiteren Berliner Badeanstalten, die eine Idee davon vermitteln, um welche Klientel es sich hier konkret handeln könnte.

Wie Tichys Einblick herausfand, ist die Goldgräberstimmung für Sicherheitsunternehmen in Schwimmbädern aber nur die Kirsche auf der Torte. Denn bereits seit zehn Jahren boomt die Branche bezogen auf den Schutz und die Bewachung von Millionen Zuwanderern in Zehntausenden von Unterkünften in ganz Deutschland.

2016 etwa hatte selbst die linke Tageszeitung „taz“ einen besonders krassen Fall einer Kostenexplosion beschrieben, als davon die Rede war, dass in einer Unterkunft für Security-Dienste umgerechnet mehr als 4.000 Euro pro Bewohner und Monat ausgegeben wurden – Sicherheitspersonal in Strafvollzuganstalten dürfte hier noch preiswerter zu bekommen sein.

Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, hatte sich Tichys Einblick unter anderem in der niedersächsischen Stadt Braunschweig in und an den dort betriebenen Unterkünften umgeschaut. Gleichzeitig wurde der Pressestelle der Stadt ein umfangreicher Fragenkatalog zugestellt, der jetzt beantwortet wurde.

Tichys Einblick wollte unter anderem wissen, welche Kosten Security-Unternehmen monatlich in Braunschweiger Unterkünften für Asylbewerber und Zuwanderer entstehen.

Ein Sprecher der Stadt Braunschweig antwortete:
„Ca. 335.000,- EUR.“

Wie viele Security-Mitarbeiter werden beschäftigt?
„An acht Wohnstandorten je 2 Mitarbeitende (MA) werktags in jeweils zwei Schichten von 15:30 bis 07:30 Uhr und am Wochenende in drei Schichten für 24 Stunden. An zwei Wohnstandorten je 3 MA in drei Schichten 24/7 und an einem Wohnstandort 2 MA in drei Schichten 24/7.“

Wieviele Security-Unternehmen sind es?
„Vier.“

Gab oder gibt es hier regelmäßige Ausschreibungen (nur für Niedersachsen?/ deutschlandweit?/ europaweit?)
„In der Vergangenheit europaweite Ausschreibungen jeweils für drei Jahre mit dreimaliger Verlängerungsoption um jeweils ein Jahr.“

Wie ist hier die Kostenentwicklung bezogen auf die Vormonate/-jahre?
„In Verbindung mit einer Preisgleitklausel sind einmal im Jahr Preisanpassungen möglich.“

Wie viele Menschen leben in den von Security bewachten/geschützten Unterkünften?
„Derzeit ca. 700.“

Warum müssen diese Unterkünfte überhaupt geschützt werden?
„Um die innere und äußere Sicherheit an den Wohnstandorten zu gewährleisten.“

Wie viele Übergriffe gegen Unterkünfte gab es in Braunschweig und welcher Art waren diese?
„Keine Übergriffe von außen (äußere Sicherheit).“

Wie oft muss in Unterkünften die Polizei hinzugezogen werden, um Streitigkeiten zu schlichten, wie ist hier die Entwicklung?
„Bei Bedarf wird die Polizei vom eingesetzten Sicherheitsdienst kontaktiert/hinzugerufen. Streitigkeiten zwischen Bewohnern können allerdings in der Regel durch den Sicherheitsdienst deeskalierend beigelegt werden, hier kam es in diesem Jahr noch zu keinem Kontakt mit der Polizei. Die Hinzuziehung der Polizei ist u. a. erforderlich bei Verweisen vom Gelände der Wohnstandorte (beispielsweise Besucher, welche sich nach 22 Uhr und mehrmaliger Aufforderung zu gehen noch am Wohnstandort aufhalten (wollen). Hier ist von maximal zwei Einsätzen monatlich die Rede.“

Zunächst darf man der Pressestelle der Stadt Braunschweig für die schnelle und umfangreiche Beantwortung danken, hier mussten Informationen von verschiedenen Abteilungen eingeholt und zusammengeführt werden.

Aber wie sind die Antworten nun einzuordnen und wie zu bewerten? Auf zwölf Monate gerechnet werden demnach in Braunschweig 4.020.000 Euro für Sicherheitsdienste ausgegeben.

In den Unterkünften mit Sicherheitsdiensten leben 700 Bewohner. Das bedeutet, dass die Stadt Braunschweig für jeden einzelnen Bewohner knapp 500 Euro im Monat bzw. fast 6.000 Euro im Jahr für Sicherheitsdienste investiert.

Ein Sprecher beantwortet auch, wie viele Security-Mitarbeiter insgesamt pro Monat beschäftigt sind. Rechnet man die stärker belegten Wochenendschichten hinzu, kommt man auf etwa 55 bis 60 Vollzeitstellen. Mit Blick auf die Gesamtkosten kostet so ein einzelner dieser Sicherheitsleute die Stadt etwa 5.600 Euro im Monat.

Interessant sind hier die Antworten hinsichtlich der Frage, ob diese Sicherheitsleute überhaupt notwendig seien, denn Übergriffe gegen diese Einrichtungen hat es bisher keine gegeben. Oder liegt es daran, dass die Präsenz der Sicherheitsdienste diese eskalierenden Situationen vereitelt hat?

Erstaunlich ist die Aussage, dass der Sicherheitsdienst Streitigkeiten unter den 700 Bewohnern überwiegend selbstständig schlichtet, sodass in 2023 keine zusätzlichen Polizeikräfte hinzugezogen werden mussten. Demnach muss also auch die Zunahme der Blaulichtfahrten eine Einbildung jener Anwohner sein, denen das schon länger auffällt.

Wie lassen sich die Angaben aus Braunschweig auf Gesamtdeutschland skalieren? Wenn heute etwa 3,1 Millionen Schutzsuchende in Deutschland leben, und angenommen, von diesen Menschen lebten bereits zwei Drittel dezentral in Wohnungen und das verbleibende Drittel der Menschen in bewachten Unterkünften, dann kämen hier Gesamtkosten von einer halben Milliarde Euro allein an Kosten für die Sicherheitsdienste zusammen.

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