Kennen Sie Stefan Kuzmany? Macht nichts, ich erzähle Ihnen hier etwas über einen, der in München eine Journalismus-Ausbildung absolvierte, um dann bei der Berliner taz zu landen und dort so etwas wie den seichten Unterhalter zwischen den politischen Blogs zu geben, ein paar Tipps für die Weihnachtseinkäufe abzusetzen oder über einen zu schreiben, der ein paar Tage auf sein Handy verzichtet hat.
Nein, nichts Aufregendes, aber damit auch nichts Polarisierendes, also eine veritable Eintrittskarte für eine Bewerbung beim Spiegel: angekommen als Kulturredakteur im Berliner Büro SPON und seit Mitte 2017 dann Leiter des Hauptstadtbüros. Aber es kommt noch besser: Als Jakob Augstein die prominente Stelle als SPON-Kolumnist vor wenigen Wochen aufgab, hob Stefan Kuzmany wohl ganz aufgeregt die Hand, schnipste womöglich hektisch mit dem Finger oder stampfte so lange mit seinen Füßen, dass sich kein anderer mehr traute.
Nun ist der Mann ohne Wikipedia-Eintrag also Kolumnist bei SPON. Warum es nicht für Wikipedia gereicht hat? Dafür braucht es Relevanz, aber mindestens vier Sachbücher oder zwei belletristische Werke bei Verlagen, welche die Wikipedia-Kriterien erfüllen. Seine zwei Bücher aus 2007 und 2011 jedenfalls taugten den Wiki-Autoren offensichtlich nicht, wenn Kuzmany zum einen über die „großen Religionen dieser Welt im Selbstversuch“ berichtet und zum anderen über „Marken“ erzählt unter der Überschrift: „Konsumieren lernen, aber richtig!“
Also was tun? Und wie auf sich aufmerksam machen, wenn man in die Fußstapfen des – soviel Ehre muss sein: – Aufmerksamkeitsprofis Augstein schlüpfen soll? Bisher musste Kuzmany immer tief abtauchen, um irgendwas Brauchbares aus seiner privaten Mottenkiste zu bergen und irgendwo zu platzieren. So war er sich nicht einmal zu schade, damit zu prahlen, dass er es war, der 2004 via taz eine Falschnachricht über Markus Söder verbreitete unter dem Deckmantel der Satire, die nun als Fakt durch die Welt geistern soll. Nichts Aufregendes, nichts Besonderes, aber wohl ausreichend für eine kleine Gefälligkeitsgeste eines kleinen Blogs ebenfalls ohne Wikipedia-Relevanz. Aber das macht ja nichts.
Nun also SPON-Kolumne. Und wohl die Erkenntnis, das, was so einfach aussah, gar nicht so leicht ist: Nämlich gegen acht weitere lautstarke Mitkolumnisten anzuschreiben, zu wetteifern um diesen einen Schrei, der dann noch schriller gerät, der das Potenzial hat zur Welle in dieser so entsetzlich gleichstromigen Umgebung.
Wie das geht? Stefan Kuzmany pickte sich eine Reizfigur aus dem eigenen linken Habitat, als er sich den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer auf eine Weise vorknöpfte, die geeignet erscheint, Fremdschämreflexe auszulösen, die macht, dass man sich für diese Attacke des Aufmerksamkeitsschreibers wirklich schämt, ohne dafür näher mit ihm bekannt sein zu müssen. Schämen schon deshalb, weil sein Text davon lebt, dass er unter die Gürtellinie geht schon in der Überschrift, wenn Kuzmany über Palmer titelt: „Das grüne Männchen“, wenn seine Recherchen sich nachweislich darauf konzentriert haben, den Twitter-Account des grünen Politikers zu scannen, anstatt mit Palmer ins Gespräch zu gehen, dann, wenn man meint, etwas besprechen zu müssen.
Ja, Palmer polarisiert. Er weicht ab vom Kurs, bleibt kritisch auch gegenüber grünen Positionen, wo sich andere brav darin üben, auf dem Mittelstreifen zu fahren. Schlimmer: Er nimmt eine kritische Position ein zur Zuwanderung; aktuell zum UN-Migrationspakt und UN-Flüchtlingspakt. Das gehört wohl böse abgestraft, und zumindest Kuzmany und fühlte sich also berufen, an neuem Platz die Kotkanone gegen Palmer durchzuladen und abzudrücken.
Der Vorwand ist schnell gefunden, wenn Palmer einen wie den Sat1 Moderator Claus Strunz zu seinen Freunden zählt und ein Buch des gelernten Journalisten präsentiert, das nun ausgerechnet noch den Titel trägt: „Geht’s noch, Deutschland?“ Für Kuzmany nichts weiter, als „der hinreichend bekannte, stramm rechte Mix aus „Asyl-Chaos“ und „Abschiebe-Irrsinn“. Man kann derartiges täglich in der „Bild“-Zeitung lesen, sich dazu stundenlang wutbürgerliche Internetvideos reinziehen oder eine beliebige AfD-Rede in den Parlamenten hören.“
Und dann eben Twitter als Fundgrube. Wir wissen nicht, wie tief Kuzmany in der sozialen Welt des Boris Palmer wühlen musste, bis er fand, was ihm als Aufhänger für den so dringend benötigten SPON-Kolumnisten-Fame nun genügte: Einen Eintrag des Oberbürgermeisters, der von Jutta Ditfurth geteilt wurde, die sich lustig macht über den OB, der seinen Dienstausweis fotografiert hat, von dem man nun ablesen kann, dass Palmer damit wohl theoretisch auch Verwarnungen aussprechen, ja sogar Verwarnungsgeld entgegennehmen darf.
Nun ist Palmer abends auf der Straße wohl von einem Passanten beschimpft worden, der ebenso wie Kuzmany oder Ditfurth nicht einverstanden ist mit der Politik des Grünen. Und weil der Unzufriedene auf der Straße nicht aufhören wollte zu lärmen, zog Palmer lustigerweise die Kompetenzkarte und schrieb dazu auf Facebook: „Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich als Leiter der Ortspolizeibehörde das Recht zu einer Personenkontrolle habe, um Verstöße gegen Ortsrecht zu ahnden, zeigte ihm meinen Dienstausweis und wies ihn darauf hin, dass seine laute Schreierei nach 22h einen Verstoß gegen §2 der städtischen Polizeiverordnung darstelle.“
Wer das nicht spaßig findet, weil es mit so vielen deutschen Klischees spielt, der kann einem Leid tun, der geht zum Lachen in den Keller zum Eingeweckten. Kuzmany kann nicht herzlich mit Palmer lachen. Nein, er findet das entsetzlich spießig und schreibt über Palmer: Er sieht „sich selbst als Oberpolizist, der in eigener Sache zum Einsatz schreitet. Er ist die Karikatur des schwäbischen Spießers.“
Der SPONler versteht nicht einmal, dass es eben diese vermeintliche Spießigkeit war, diese Fähigkeit Palmers, auch über sich selbst herzlich lachen zu können und gräbt einfach weiter. Findet in einem Interview Palmers eine Haftstrafe des Vaters des Oberbürgermeisters, der einmal einsaß wegen Beamtenbeleidigung und hält es dem viel zu spießigen Sohn quasi vor: „Anders als der Vater schimpft er nicht auf die „Bürokraten, diese Tagdiebe“ und das „feige Bürgerpack“. Er ist Oberbürgermeister und bedient rhetorisch die bürgerlichen Ängste.“