Tichys Einblick
Wohl nicht im Sinne des Gründers

Bertelsmann Stiftung: Ihr seid alle Idioten

Bertelsmann-Magazin Change: „Das Welzer’sche Theorem lautet, dass in jeder gesellschaftlichen Gruppe der gleiche Anteil von Idioten anzutreffen ist.“ H. Welzer, niedersächsischer Soziologe und Mitglied „zahlreicher wissenschaftlicher Beiräte und Akademien“.

Wussten Sie es? Lesen Sie es? Diskutieren Sie es? Offensichtlich nicht. Und damit kommen Sie dem inneren Wunsch der Bertelsmann Stiftung nicht nach, die auf ihrer Internetseite ein eigenes Magazin abbildet, das es auch in einer Printversion gibt. Die Publikation heißt „Change“, zu deutsch „Veränderung“, „Wandel“ oder auch „Wechsel“ und erscheint halbjährlich. Inhaltlich möchte man laut Stiftung Fragen stellen, Antworten liefern und gemeinsam etwas bewegen.

Menschen machen eine Migration?
Bertelsmann-Stiftung: Ihr schafft das nicht
Die Themen sind so vielfältig, wie es ein Bekenntnis zur Vielfalt eben verlangt. Man schreibt über Flüchtlinge in einer Münchner Fußballmannschaft, über einen Stadtteil mit hohem Migrationsanteil und über den Megatrend „Soziale Ungleichheit“, den die Bertelsmann Stiftung identifiziert hätte. Und wie das sonst in Unternehmens-Publikationen üblich ist, Sie kennen das aus Hochglanzbeilagen in Zeitungen, wenn Unternehmen ihre Geschäftsführer seitenlang portraitieren, interviewt man den Geschäftsführer bzw. den Vorstandsvorsitzenden, dekoriert mit den üblichen Porträts am Schreibtisch oder vor der Yuccapalme im Aufenthaltsraum.

In der aktuellen Change-Ausgabe darf Aart De Geus ran, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Man erfährt dort vom ehemaligen niederländischen Minister und ehemaligen stellvertretenden Generalsekretär der OECD, dass seine eigenen Kinder eine gute Ausbildung haben und er tröstlich auf das Schicksal seiner Enkel schaut, weil er sich sicher ist, „dass alle bisherigen Veränderungen der Gesellschaft stets immer mehr Wohlstand, immer längere Zeiten von Frieden, immer bessere Gesundheit, immer bessere Bildung gebracht haben“. Warum das so sei? Weil nach De Geus der menschliche Geist immer nach Verbesserung streben wird. Und weil das auch mit der Generation seiner Enkelkinder so sein wird.

Eine Zumutung
Bertelsmann-Studie: "Die Stunde der Populisten?"
Überschäumende Lebensfreude und Optimismus also. Allenfalls die Linke würde hier vielleicht lästern: Klar, bei dem Gehalt, das sich der Chef einer der einflussreichsten neoliberalen Denkfabriken des Landes einschenken lässt, kein Wunder. Wir wollen es ihm gönnen, aber darauf verweisen, dass eben diese Stiftung in einer der vielen Studien festgestellt hat, dass der Wandel der Arbeitswelt beispielsweise Altersarmut steigen lässt oder dass Kinderarmut in Deutschland weiter wächst. Ganz so optimistisch wie Aart De Geus sehen es also seine Studienmacher nicht. Aber seine Kinder und Enkelkinder wird es wohl sowieso nicht betreffen.

Zurück zu Change. Hier sticht ab Seite 56 ein Interview mit Harald Welzer hervor. Der Aufmacher heißt tatsächlich: Das Welzer’sche Theorem lautet, dass in jeder gesellschaftlichen Gruppe der gleiche Anteil von Idioten anzutreffen ist.“ Harald Welzer ist niedersächsischer Soziologe, Honorarprofessor und Mitglied „zahlreicher wissenschaftlicher Beiräte und Akademien“. TE-Autor Hugo Müller-Vogg hatte gerade das Vergnügen gemeinsam mit Welzer im Deutschlandfunk gehört zu werden. Welzer betonte dort wie Aart De Geus die große Zufriedenheit der Deutschen. Gutes Leben, Wohlstand, Weltgerechtigkeit. Müller-Vogg muss die Gesprächsrunde erst einmal darüber aufklären, dass doch Zuwanderung, Flüchtlinge und Integration die Themen der Stunde sein. Welzer vermisst eine Auseinandersetzung über die Problematik der Flüchtlinge. Kopf in den Sand stecken würde nicht helfen. Dass er es ganz anders meint, kann man dann in Change nachlesen.

Hartz-IV-Bezieher kriegen mehr Kinder
Bertelsmann-Studie: Mär von der Kinderarmut
Hier befindet der Soziologe, dass ein Großteil der Deutschen für eine offene Gesellschaft stehen würde. Und doch seien es wenige Populisten, auf die die Welt schaut. Es gäbe eine Schieflage in der politischen Kommunikation, wenn alle Aufmerksamkeit den unzufriedenen 20 Prozent gelte. Offensichtlich also vermisst Welzer die positiven Momente. Ganz im Sinne der Agenda der Bertelsmann Stiftung fehlt ihm also der deutsche Geist, der immer nach Verbesserung strebt. „Die öffentlich debattierten Themen werden weitestgehend von der rechten Seite vorgegeben. Von einer Minderheit, die durch Grenzüberschreitungen, durch skandalisierbare Begriffe die Diskurshoheit erobert.“

Hier meinen Grenzüberschreitungen den negativen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen. Der böse Blick der pessimistischen Idioten. Die würden doch dafür sorgen, dass der falsche Eindruck entstehe, diese wären die Themen, die die Mehrheit umtreibt. Und was interessiert so einen Bertelsmann-Adepten auch, was andere Studien herausgefunden haben, solange Bertelsmann eine gegenläufige präsentiert. So haben die Meinungsforscher von Kantar Emnid für die Funke Mediengruppe doch gerade erst festgestellt, das „Neue Kriege“, „Terroranschläge“, „Kriminalität“ und „Zuwanderung“ zu den Masterthemen der Deutschen GEHÖREN. Nicht der deutschen Idioten, sondern der befragten Gesamtheit.

Falsch gestrickt
Wohlfahrtsstaat falsch gepolt: Mehr arbeiten und weniger verdienen
Gut, dann stellt Welzer eben für Change fest, dass der größte Teil der Deutschen sowieso unpolitisch sei. Ein großer leerer Raum, mal die Themen zu setzen. Aber bitte Themen, so Welzer, die tatsächlich etwas mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft zu tun haben. Klar, Welzer-Themen im Fünfjahresplan gesetzt, möchte man laut dazwischenrufen. Nun sind aber Zwischenrufer solche, wie die „Hanseln“ aus Dresden. „Dresden war in dieser Hinsicht immer schon ein Problem.“, weiß der Soziologe. Und die „antisozialen Netzwerke“ hätten den Unzufriedenen aus den Kneipen eine Stimme gegeben. Jetzt würde alles nach außen dringen. Jetzt pinkeln die Idioten in die Ecke, empört sich Welzer noch.

Immer klarer geworden ist ihm in den letzten Jahren, dass die schlauen Analysen des „Durchblicker-Feuilletons“ nichts mehr bringen. Seine Lösung ist seine „Initiative offene Gesellschaft“, denn heute hat ja jeder Idiotenjäger seine eigene Initiative. Seinen eigenen Hochstand mit Blick auf das idiotische Wild da unten. Finanziert von … nun raten Sie mal. Na klar: „Keine professionelle Kampagne ohne finanzielles Fundament“, schreibt die TAZ. „Für die Initiative Offene Gesellschaft sind es die Bertelsmann-Stiftung, die Robert-Bosch-Stiftung sowie George Soros Open Society Foundation.“

Noch ein Geschäftsmodell
Vertrauenswürdige Löschpartner von Twitter
Die Publikation Change der Stiftung interviewt sich mit Melzer also quasi selbst und bietet zu den hausgemachten Problemen die hausfinanzierte Lösungen an. Wie sich der einfache Bürger engagiert für die Initiative Offene Gesellschaft? „Man kann auch ein Foto oder einen kleinen Film hochladen, mit einem Statement, warum man für eine offene Gesellschaft ist.“, berichtet Welzer stolz. Was, wenn man dagegen ist? Das dürfen die Idioten aus Dresden in ihrer Problemstadt Dresden propagieren. Hauptsache die Presse berichtet nicht darüber: „Dass das Marketing der Rechten exakt darin besteht (viel zu berichten), sollte auch kritischen Journalisten langsam mal einleuchten.“

Überhaupt geht es Welzer um einen großen emotionalen Input. Um Filmchen, die bewegen, um emotionale Bildwelten, um gefühlige Eindrücke aus der Welt da draußen. Bildung wäre da verlorene Liebesmühe: „Das ist keine Wissensfrage. Wenn Sie ressentimentgeladenen Leuten mit Fakten kommen, behaupten die sowieso, die seien gefälscht. (…) Der Umgang mit der Welt ist nicht wissensbasiert. (…) Wissen wird total überbewertet.“ Und wie der gute Mann das begründet? Man will es nicht glauben: mit den Einsatzgruppenmorden Wehrmacht von 1941! Die dort gemordet hätten, seien promovierte Einsatzgruppenleiter gewesen, „zwei sogar doppelt. Es waren Geistes- und Naturwissenschaftler, der Traum der Interdisziplinarität, alles hoch gebildete Leute.“ Also sch… auf Bildung.

Und wenn man nun so einen Mist in der Publikation der Bertelsmann Stiftung von einem liest, dessen Projekte eben von dieser Stiftung mitfinanziert wurde, dann fragt man sich tatsächlich, wer hier der Idiot ist. Ach so, die Ereignisse in Köln auf der Domplatte haben übrigens nichts mit Migranten zu tun, sondern mit der „Verwahrlosungskultur der öffentlichen Organe“. Auch das weiß Welzer. Aber was ist schon Wissen? Wissen ist doch total überbewertet. Was für ein ….

Die mobile Version verlassen