Tichys Einblick
Pull-Faktor:

Berlins Innensenator Geisel drängt Seehofer, mehr Migranten aus Lesbos zu holen

Andreas Geisel, der schon einmal erfolglos für den Bundestag kandidierte, sieht für sich wohl immer noch höhere Weihen, wenn er aktuell den deutschen Innenminister in einem offenen Brief auffordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und damit ein lautes überregionales Medienecho erreicht.

imago Images/Reiner Zensen

Der sozialdemokratische Berliner Innensenator Andreas Geisel ist ein interessanter Typ: Seine DDR-Biografie hält zumindest in der Schlussphase eine Wende bereit, als Geisel noch in den letzten Zuckungen des DDR-Unrechtregimes seine langjährige SED-Mitgliedschaft hingeschmissen haben soll, weil die DDR-Führung damals die blutige Niederschlagung des Aufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking begrüßte.

Nach 1990 hat sich Geisel dann kontinuierlich in der SPD-Parteihierarchie hochgearbeitet bis hinauf ins Amt des Berliner Innensenators. Auch eine 2016 viel kritisierte Parteispendenaffäre wurde dem Politiker nicht zum Stolperstein.

Nun mag man denken, der Mann soll doch im rot-rot-grünen Berlin machen, was er will, Berlin ist eh nicht mehr zu retten. Aber Andreas Geisel, der auch schon einmal erfolglos auf Bundesebene für den Bundestag kandidierte, sieht für sich wohl immer noch höhere Weihen, wenn er aktuell den deutschen Innenminister in einem offenen Brief auffordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und damit ein lautes überregionales Medienecho erreicht.

Nun mag der wankelmütige Bayer Seehofer längst ein beliebtes Ziel für Profilierungsversuche ambitionierter Berufspolitiker geworden zu sein, aber was sich Geisel da mitten in der Corona-Krise ausgedacht hat, ist schon von einem gerüttelt Maß populistischer Einfalt gesteuert:

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Der 53-Jährige Ost-Berliner möchte mehr Flüchtlinge von den griechischen Inseln in die Hauptstadt holen. Ist mittlerweile der Pull-Effekt der so genannten Seenotrettung vor der libyschen Küste kaum mehr umstritten, hat sich eine Reihe von Refugees-Welcome-No-border-no-Nation-Adepten ein neues Ziel für eine ideologisierte Menschenverachtung ausgesucht: Verachtung, weil auch hier leider der Pull-Effekt unvermeidbar eintreten wird, sollte Horst Seehofer dem Druck aus Berlin nachgeben.

Aber nicht nur Berlin wirft dem Bundesinnenminister Steinchen ans Bürofenster – über einhundert deutsche Städte arbeiten mittlerweile mit der linken Nichtregierungsorganisation „Seebrücke“ zusammen und fordern vom Innenminister, mehr Migranten aufnehmen zu dürfen. Freilich, nicht ohne den Bund rechtzeitig an die dafür notwendigen finanziellen Mittel zu erinnern.

Der offene Brief von Andreas Geisel an Horst Seehofer ist schon deshalb eine Zumutung, weil er für sich selbst eine gelebte Humanität reklamiert, diese dem Bundesinnenminister quasi aberkennt und dabei zudem dreierlei Sachverhalte sträflich unterschlägt:

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Zum einen besagten Pull-Effekt, der sich für die betroffenen Migranten verheerend auswirken könnte, also noch mehr Elend produziert. Desweiteren, weil sich Geisel hier zum Erfüllungsgehilfen des türkischen Präsidenten macht, der ja erst dafür sorgt, dass immer mehr Migranten auf die griechischen Inseln streben. Und nicht zuletzt, weil die aktuellen Zustände in Berlin keinerlei Anlass dafür geben, noch mehr Migranten aufzunehmen, von denen zuletzt welche dazu übergegangen sind, fehlende Polizeipräsenz beispielsweise in U-Bahnhöfen dazu zu nutzen, gegenüber Frauen noch massiver übergriffig zu werden als sowieso schon.

Eklatante Missstände, die allesamt in den Aufgabenbereich des Innensenators gehören, die den Genossen aber viel weniger zu interessieren scheinen, als eine in weiten Teilen scheinheilige wie aufmerksamkeitsheischende Ansprache an den Bundesinnenminister.

In seinem offenen Brief belehrt Geisel den Bundesinnenminister:

„So sehr die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig auch mit der Bewältigung der Corona-Krise und mit deren Folgen beschäftigt sind, so sehr haben wir trotz allem die humanitäre Verpflichtung für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe einzustehen und hilfsbedürftigen Menschen an den Stellen solidarische Hilfe zu leisten, an denen wir das zweifellos können. Ich bin überzeugt, Deutschland kann mehr.“

Nein, Geisel möchte das Problem nicht lösen, sein Interesse ist ein populistisches, sonst würde er – wenn er sich schon nicht mehr mir den dringenden Berliner Problemen befassen will – seine Bemühungen darauf konzentrieren, die Situation der Migranten beispielsweise in der Türkei zu verbesseren, anstatt einfach nur blind darauf zu pochen, immer noch weitere Migranten nach Deutschland zu schleusen und damit zu riskieren, dass der Pull-Effekt eine brutale Spirale in Gang setzen könnte, die das Elend nur noch verstärkt. Interessiert den Berliner Senator aber alles nicht.

Viel lieber sieht er sich in Gemeinschaft jener Seebrücke-Städte, deren politisches Wollen in der Sache also zentral von einer linken Nichtregierungsorganisation gesteuert wird und mahnt Seehofer: „Wie Sie wissen gilt das auch für weitere Bundesländer und auch für eine Vielzahl von deutschen Städten und Kommunen.“

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Ja, das weiß Seehofer, aber noch ist die Zusage der Aufnahme von Migranten Bundesangelegenheit. Auch Andreas Geisel befeuert weiter diesen imaginären Schutzwall, letztlich um zu erreichen, dass am Ende jede nur irgendwie Welcome-Refugees-No-Border-No-Nation bewegte Kommune eigenständig Migranten nach Deutschland holen kann, für die dann allerdings der Bund aufkommen muss, wenn die humanitäre Geste unter den realen Bedingungen vor Ort zu ersticken droht. Beispielsweise unter der Kriminalitätsstatistik, die dann herunterzuspielen nur eine weitere lästige Aufgabe für Politiker wie Geisel sein wird.

Was der Berliner Innensenator da in populistischer Manier betreibt, ist leider auch menschlich verwerflich: Denn er benennt im Brief an Seehofer neben den Kindern auch schwangere Frauen und chronisch Erkrankte, die dringend der Hilfe bedürfen. Natürlich ist hier Hilfe sofort und schnell zu leisten, aber auch Geisel muss wissen, dass diese Hilfe an Ort und Stelle geleistet werden muss, wo immer dieser Ort sein wird, ob im Herkunftsland, in der Türkei oder in Griechenland.

Geisel fordert darüber hinaus vom Innenminister, auch diejenigen Migranten aus dem Elendslager Moria (Lesbos) nach Deutschland ausfliegen lassen, die bereits familiäre Beziehungen zu Personen haben, die sich schon hier aufhalten: „Wir würden uns freuen, wenn über die vorgenannte konkrete Personengruppe hinaus für weitere Menschen …“

Aber was ist das bloß für eine unanständige Sprache? Was hat der begriff „Freude“ in dem Zusammenhang verloren, als wäre die Bundesregierung in Gestalt ihres Bundesinnenminister so etwas wie die Spaßbremse der linken Berliner Politschickeria?

Tatsächlich sollten sich solche Politiker in regierender Verantwortung wie Andreas Geisel einmal auf jene Aufgaben konzentrieren, mit denen sie vom Wahlvolk beauftragt wurden. Erst dann, wenn das zur Zufriedenheit der Auftraggeber erledigt ist, wenn das eigene Haus sauber ist, darf womöglich Zeit sein, sich darüber Gedanken zu machen, Gäste einzuladen.

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Nein, kein Mensch mit Verstand würde heute unterstellen, die Erde sei durchweg ein friedlicher Ort. Das Elend ist sogar mannigfaltig. Aber wir werden diesem Elend nicht entgegenwirken, wenn wir es importieren. Immerhin handelt es sich hier um Menschen, die ein Recht auf Heimat haben. Zuerst dort muss internationale Hilfe der Weltgemeinschaft wirken, aber doch nicht, indem ein kleiner ambitionierter Berliner Innensenator sich mit offenen Briefen Geltung in der überregionalen Presse verschaffen will, indem er den Bundsinnenminister herausfordert und mit einer Nichtregierungsorganisation droht.

Unterstützung erhält der Politiker ausgerechnet von einer weiteren Nichtregierungsorganisation (Evangelische Kirche Deutschland, EKD), die zuletzt von sich Reden machte, als deren Vorsitzender Heinrich Bedford-Strohm auf fahrlässige Art und Weise die Wiederaufnahme der so genannten Seenotrettung vor der libyschen Küste beförderte, die wohl mehr Menschen in unmittelbare Lebensgefahr bringt, als sie illegal nach Europa zu verschiffen in der Lage wäre.

Horst Seehofer steht am Scheideweg, er muss sich wieder einmal entscheiden: Macht er dieses Spiel mit, dem Angela Merkels Unterstützung wohl gewiß sein kann, oder zeigt er doch ein wenig Rückgrat, also die politische Verantwortung, die seinem Amt entspricht, selbst dann, wenn es ihn am Ende das Amt kosten könnte?

Geisel oder Seehofer, es ist doch völlig egal: zaudern, zögern und dann nachgeben kann hier Menschenleben kosten. Das sollte diese politischen Herren in ihrer hoch subventionierten wohlstanddeutschen Wohlfühlblase nicht vergessen.

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