Einer Statue in Berlin-Zehlendorf wird der Kopf abgeschlagen, später wird dieser noch gestohlen. Der Künstler, der die »Hockende Negerin« geschaffen hat, soll Nazi gewesen sein, später Kommunist. Und tatsächlich ist die »affenartig hockende« (eine Berliner Zeitung beschreibt es so) Figur ein Ärgernis.
Aber selten wohl dürfte es Betrachtern auf den ersten Blick so einleuchtend sein, was hier nicht stimmt. Andere Denkmäler und Statuen aus der Zeit geben keinen so deutlichen Hinweis auf die Verfasstheit der Gesellschaft, die solche Denkmäler bzw. Kunstwerke aufstellen ließ – in diesem Falle auch noch gegenüber des Ateliers von Arminius Hasemann, des Bildhauers dieser Figur.
Sicher war die »Tendenz« auch in den 1920er Jahren schon rassistisch, aber man fand es damals in Ordnung so.
Aber deshalb dieser Figur nach einhundert Jahren den Kopf abschlagen? Mit welcher Begründung diesen so besonders klaren negativen – kaum Raum für Interpretationen lassenden – Hinweis auf die tendenziell rassistische Sichtweise unserer Vorfahren zerstören?
3sat »Kulturzeit« eröffnet seine aktuelle Sendung – nachzuschauen in der Mediathek – mit dieser geköpften Skulptur. Der reißerische Titel des vierminütigen Beitrags: »Müllhalde der Geschichte«.
Überall würden derzeit Statuen beschmiert, beschädigt und demontiert, heißt es in der Programmvorschau zum Beitrag. Und die Sendung fragt: »Wohin mit den unliebsam gewordenen Denkmälern?« In der Zitadelle von Spandau würden bereits »Monumente der Schande« lagern: ein Lenin-Kopf, preußische Offiziere, Nazikunst.
»Braucht es Wut und Gewalt in der aktuellen Diskussion um Rassismus?«, will 3sat leichthin wissen, ohne dabei auch nur im Ansatz zu differenzieren zwischen Gewalt gegen Gegenstände oder Personen.
Gesprächspartnerin des Beitrages ist Urte Evert, sie möchte das erst einmal noch nicht bewerten und lacht darüber. Die Leiterin der Zitadelle Spandau will erst einmal zuhören, wie es dazu kommt, dass so eine Gewaltwelle in Gang gekommen ist.
Zynisch möchte man an der Stelle vor dem Fernseher nachfragen: Also in etwa so, als würden sie den Mann, der seine Frau in der Straßenbahn verprügelt, zunächst gerne noch eine Weile zuschauen wollen, um zu ergründen, wie es zu seiner Wut kam?
Ob nun also aufrecht oder umgedreht auf den Stumpf des Halses – die kopflose »hockende Negerin“ soll jetzt in die Zitadelle Spandau. Das strafrechtlich relevante Abschlagen des Kopfes wird demnach noch offiziell belohnt bzw. als dankbar angenommener Hinweis verstanden und der Rest vom Schützenfest kommt in die Giftkammer jener Figuren, so 3sat, »die peinlich geworden sind«. Und weiter fragt man: »Was ist die richtige Lösung für toxische Denkmäler?«
Soll die Zitadelle Spandau am Ende sogar so etwas sein, wie eine positive Version der Ausstellung »Entartete Kunst« der Nazis?
Der Beitrag erinnert daran, dass Studenten schon in den 1960er Jahren das Kolonialdenkmal eines Kolonialisten vom Sockel stürzten, der für Gräueltaten im heutigen Tansania verantwortlich war.
Der Vandalismus an Bismarckskulpturen ist am Ende gar keiner mehr, er wäre laut Museumschefin »Ausdruck einer Hilflosigkeit, die man Ernst nehmen muss.«
In der realen Welt ermittelt das Kriminalamt gegen die Kopfabschläger. Das stört 3sat allerdings überhaupt nicht, die Zerstörung der Statue noch zu bejubeln:
»Bisher war die geschmacklose Statue ein Affront. Die Zerstörung hat sie zu einem politischen Denkmal gemacht.«
Darf man das pervers nennen in seiner verdrehten Denkart? Nein, man muss es sogar. Und es muss ernsthaft darüber nachgedacht werden, inwieweit es sich hier um eine Aufforderung zu weiteren Straftaten handelt, bzw. in wieweit die Zerstörer gegen die ermittelt wird, hier damit rechnen konnten, das ihr Zerstörungswerk von 3sat abgebildet wird, also der eigentliche Akt der Zerstörung noch öffentlich-rechtlich animiert wurde.
Noch verdrehter: Urte Evert hat sogar Sorge, dass der Kopf der Statue eventuell wieder gefunden werden könnte:
»Selbst wenn die den Kopf wiederfinden, würde ich den auf keine Fall restaurieren und da wieder draufsetzen oder so was, sondern die Statue so wie sie ist mit dem Kopf daneben hier ausstellen.«
Und weil das alles so eigentlich dämlich ist, verheddern sich die Interpreten dieser Debatte dann auch gehörig und die Angelegenheit gerät zur Posse, wie der Beitrag am Ende selbst attestiert: Der Kulturbezirksstadtrat von Zehlendorf berichtet, dass die Spandauer die Figur nun doch nicht übernehmen wollen oder die Zehlendorfer sie nicht rausrücken, es ist kopflos wie verworren. Die Zehlendorfer wüssten nicht, wohin mit der Statue. Das ist seltsam formuliert von 3sat »Kulturzeit, denn die Statue wäre ja nicht dort, wo sie nun einmal steht, wäre schon früher einer auf die Idee gekommen, dass der Standort anderweitig gebraucht wird. Vielleicht für das wieder abgebaute Dealer-Denkmal vom Görlitzer Park? Aber nein, das ist ja auch schwer rassistisch, denn es suggeriert dem Betrachter, dass Dealer meistens Farbige sind. Das stimmt zwar auch, aber das sollte man aus antirassistischen Gründen keineswegs offen aussprechen.
Was die Sendung nicht bedenkt, ist, dass es ja möglicherweise in den Bezirksräten Leute gibt, die nicht wollen, dass eine Verbringung der Statue nach Spandau nachgereicht das Kopfabschlagen noch legitimieren könnte. Die Macher der Kultursendung kommen nicht auf diesen nahe liegenden Gedanken. Für sie ist Randale und Zerstörung ein politisch-künstlerischer Akt.
Aber wer entscheidet nun eigentlich, wem der Kopf abgeschlagen werden darf und wem nicht? Das machen die Akademiker*innen, entscheidet Akademikerin Urte Evert. Also sie selbst. Bismarck darf daher vorerst stehen bleiben, denn Evert hat via 3sat die Parole ausgegeben, dass Bismarck kein Rassist war: »Das war Bismark eben einfach nicht.«