Ein tiefer Graben tut sich auf zwischen Aufgabe und Ausführung: Das Bundsministerium des Innern (BMI) und das diesem unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wissen es entweder wirklich nicht oder wollen nicht sagen, wie viele Afghanen über die Türkei ganz einfach mit einem Schengen-Visum nach Deutschland eingereist sind, um hier anschließend dem Sinn eines solchen Visums widersprechend Asyl zu beantragen.
Die türkischen Behörden stellen Afghanen in der Türkei Papiere aus, und mit diesen wiederum stellen die deutschen Auslandsvertretungen in Ankara, Istanbul und Izmir dann Schengen-Visa für Urlaubs- und Geschäftsreisen beispielsweise aus. Wer genau mit welchem Hintergrund diese über 200.000 Visa alleine in 2019 an diesen drei Stellen beantragt hat, wird angeblich nicht erfasst, bleibt also im Dunkel. Warum?
Auswärtiges Amt, Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind nicht willens oder in der Lage entsprechende Auskünfte zu erteilen.
Antwort eines Sprechers des BAMF: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass mir keine Statistik im Sinne Ihrer Fragestellung vorliegt.“
Nachfrage von TE: „Haben Sie denn eine Idee, warum Ihnen keine vorliegt?“
Das war am 18. April. Doch bis jetzt – Stand 22. April – gibt es keine Antwort eines Sprechers des Bundesamtes, keine Antwort des BMI.
Zum Kontext: Mit dem sogenannten Türkei-Deal von 2016 wurde eine nichtvertragliche Vereinbarung mit dem türkischen Präsidenten getroffen über die Rücknahme von illegal aus der Türkei in die EU eingewanderter Migranten. Danach wählt die Türkei im Gegenzug für jeden Zurückgesandten einen Migranten aus, der dann legal in die EU (meistens nach Deutschland) einreisen darf. Mit Wirkung vom 1. Februar 2020 gelten nun vereinfachte Antragsverfahren für Schengen-Visa. Die hinter dem Vorschlag stehenden Kommissare hatten Erleichterungen auch damit begründet, Länder zu belohnen, die an der Rückübernahme illegaler Migranten mitarbeiteten.
Fragt man nach, wie viele Afghanen denn kommen auf diesem Wege, erfährt man also, dass darüber keine Statistik vorliege. Während deutsche Schulkinder in der Coronakrise per Videokonferenzen von der Lehrerin am heimischen Laptop unterrichtet werden, schaffen es deutsche Behörden nicht, eine digitale System-Abfrage zu stellen, die Antworten auf Journalistenfragen in Sekunden ermitteln könnte? Für die Nichtbeantwortung der Fragen werden sie ihre Gründe haben. Es muss davon ausgegangen werden: keine guten.