Kleine Anfragen sind ein viel genutztes Instrument der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive, also der Regierung und der öffentlichen Verwaltung. Die Fragen der Bundestagsabgeordneten sollten in der Regel innerhalb von 14 Tagen schriftlich beantwortet werden (Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages § 104).
Am 25. August 2017 erhielt die Bundesregierung eine solche Kleine Anfrage der Linken mit dem Titel: „Unterschiede in den Bundesländern in der Asylentscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.“ Im Wesentlichen wollte die Linkspartei wissen, warum es Abweichungen zwischen den einzelnen Bundesländern in den Anerkennungsquoten für Asylbewerber gibt – insbesondere in Bremen und anderen Bundesländern.
Mitarbeiter des Bundesamtes beschreiben dieses Amt heute so: Es herrsche im BAMF ein „Klima der Angst“, die Mitarbeiter sprechen von „Stasi-Methoden“ und nennen das Amt „eine mafiöse Vereinigung“. Gegen Mitarbeiter würde von der Leitung des BAMF „inqusitorisch“ vorgegangen. Das alles, so die Mitarbeiter, hätte seit Jahren System.
Die Bundesregierung äußerte sich also erst nach den Bundestagswahlen und 44 Tage nach Anfrage der Linkspartei zu Unregelmäßigkeiten im BAMF, die zu diesem Zeitpunkt im Innenministerium längst bekannt waren, aber nicht nur dem Ministerium: Auch die Bundeskanzlerin wurde 2017 vom damaligen Leiter des BAMF, Frank-Jürgen Weise mehrfach persönlich über die Missstände im BAMF informiert.
Die Bundesregierung beantwortete die Kleine Anfrage am 9. Oktober 2017 u.a. wie folgt (Hervorhebungen: Redaktion):
„Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) legt Wert auf eine einheitliche Verfahrensdurchführung und Entscheidungspraxis. Dies wird durch Dienstanweisungen allgemeiner Art sowie verbindliche Herkunftsländerleitsätze geregelt, die eine einheitliche rechtliche Bewertung der typischen Fallkonstellationen ermöglichen. Auf dieser Basis wird jedes Asylverfahren individuell geprüft und entschieden. Um dies zu gewährleisten, durchlaufen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF einheitliche Schulungen und werden gleichermaßen fortlaufend, u. a. über Herkunftsländerleitsätze, über die asylrechtsrelevanten Entwicklungen informiert.“
Die Erklärung für die Unregelmäßigkeiten lautet u.a. so:
„Die Antragsteller jedes Herkunftslandes mit jeweils individuell unterschiedlichen Schicksalen bzw. Fluchtgründen sind die Grundlage für zwangsläufig in der Summe auch divergierende Schutzquoten.“
„Die Außenstellen des BAMF weisen unterschiedlich hohe Anteile von Dublin-Verfahren auf, so dass die Schutzquote auch durch diesen Faktor variiert.“
„Grundsätzlich ist das Asylverfahren eine individuelle Einzelfallprüfung, in der sich auch bei Personen aus gleichen Herkunftsländern die individuellen Umstände deutlich unterscheiden können (…) Die einzelnen Gründe, die zur Zuerkennung des Schutzstatus führen oder nicht, werden statistisch nicht erfasst.“
Nun beriefen sich die Fragesteller u.a. auf eine Studie der Uni Konstanz, die diese Unregelmäßigkeiten schon früh festgestellt hatte. Auch auf diese Studie nimmt die Bundesregierung Bezug, indem sie den Konstanzer Studienmachern beispielsweise falsche Annahmen unterstellt und wie nebenbei eingesteht, dass Konstanz alleine durch die Analyse öffentlicher Statistiken gar nicht wissen kann, wo die Probleme liegen. Das allerdings ist geradezu tolldreist formuliert, wenn man längst um die wahren Hintergründe selbst weiß. Also von Unregelmäßigkeiten, über die die ermittelnde Staatsanwaltschaft heute sagt, sie seien „bandenmäßig“, also im Sinne einer kriminellen Vereinigung zustande gekommen.
„Aus Sicht der Bundesregierung weist die Studie der Uni Konstanz eine Reihe von falschen Annahmen auf. Allein die Nutzung der öffentlich zugänglichen Asylstatistiken ist für eine fundierte Analyse der Unterschiede bei den Anerkennungsquoten nicht geeignet.“
Welchen anderen Schluss lässt das alles nun also zu, außer jenen, dass Bundesregierung und Bundesinnenministerium das Parlament wissentlich belogen haben?
Die Antwort erst nach der Bundestagswahl erhärtet zusätzlich den Verdacht, hier sollte ein Skandal zurückgehalten werden, aus Sorge, das Bekanntwerden hätte den Ausgang der Wahlen beeinflussen können.