Tichys Einblick
Nebel statt Licht

Ausgerechnet bei Lanz: Habeck und Baerbock kriegen ihr Fett weg

Habeck stolpert gleich über die Frage, die eigentlich Baerbock gestellt wurde, was die Grünen nun wollen: Rot-rot-grün oder Schwarz-grün.

Screenprint: ZDF/Markus Lanz

Markus Lanz ist so ein bisschen der Stiefsohn der Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Da landet man, wenn man vergessen hat, nach dem abendfüllenden Spielfilm oder was immer davor kam, umzuschalten. Oder man bleibt für den Moment hängen, wenn man sich woanders hin durchzappen musste und plötzlich dieser dreimalschlaue „Wetten-das-ich-dazu-auch-was-Spannendes-fragen-kann-Markus” ins Bild gerutscht ist wie der Fotobomber im Freibad, wen Onkel Otto die Hose verrutscht ist und jemand zufällig ein Handy griffbereit hatte.

Ja, das ist sicher ungerecht, schließlich hat der Moderator mittlerweile schon graue Schläfen, aber er ist eben für die Fernsehunterhaltung, was Guido Knopp über so viele Jahre für eine seriöse TV-Geschichtsstunde war: allenfalls partiell ernst zu nehmen und wenn überhaupt, dann ist auch das nur im Nachhinein über die Lippen zu bringen.

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Aber wie Sie vielleicht gleich mit einigem Erstaunen lesen werden, ist das wenigstens in einem Falle einmal ungerecht, wenn Lanz wundersameweise über sich hinaus wächst und das grüne Spitzenduo Robert Habeck und Annalena Baerbock an die Studiowand drückt, dass beispielsweise die Frankfurter Rundschau am Folgetag so eine zutiefst lächerlicher Headline platziert wie diese hier: „Ein Moderator, der nicht moderiert.“

Lächerlich, weil diese Beschwerde über ein halbes Jahrzehnt lang bei fast jeder der großen vier Talkshows angebracht gewesen wäre, aber doch nicht erst und einzig in dem Moment, wo das grüne Heiligenschein-Duo der Medien bei Lanz (bei Lanz!) in bester journalistischer Manier an die Wand geklatscht wird, ohne dass deshalb ein Prinz oder eine Prinzessin zum Vorschein kommen würde. Es macht einfach nur empört quak, quak und dann Schluss, aber lesen Sie bitte selbst:

Zunächst einmal fällt auf, dass Habeck irgendwie die bessere Kinderstube genossen haben muss, er ist sichtbar der Sozialisiertere, wenn er immer den Blick der Parteigenossin sucht, wenn er hinschaut, anschaut, während sie spricht, während Baerbock viel mehr bei sich ist, was wir hier aber keineswegs als Sympathievorteil für die 38-Jährige werten können.

Wenn bei Lanz die Geburt der Grünen als Volkspartei abgefeiert werden soll, dann hat Markus Lanz entweder einen wirklich schwarz verdüsterten Humor, oder der Zufall spritzt ihm Tinte in die Karten, wenn außerdem noch eine junge Witwe und ein Bestatter eingeladen sind, als wolle Lanz vorwegnehmen, dass es tatsächlich zu einer Beerdigung kommen soll. Der Vollständigkeithalber erwähnt: Journalist Wolfram Weimer sitzt auch noch mit in der Rund.

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Wir wollen nicht alles im O-Ton wiedergeben, aber der Anfang ist schon klasse, wenn Lanz erwähnt, das Habeck vor dem Studio gerade mehr Autogramme geschrieben hat als Rod Stewart und Habeck wie Schwiegermutters Liebling pflichtschuldig auf Baerbock zeigt (nach dem Kavaliersmotto: sie aber auch!) und die dann auch noch ungünstig Arme rudernd einhakt: „Ich musste nur früher in die Maske rein. So ist das mit Frauen.“ Ja, ist das so? Egal: Knietiefe Punktlandung also schon, wenn der erste Satz als Frischetest-Auslotung des Haltbarkeitsdatums zwischen den beiden grünen Spitzen gedeutet werden soll, wo Habeck doch beinahe der Vater der Baerbock sein könnte.

Annelena Baerbock hat aber trotzdem noch Hitze, die hat sie aus dem Irak mitgebracht, da waren es 45 Grad und man müsse sich nur vorstellen, wenn das demnächst auch bei uns so ist, verängstigt sie die Zuschauer mit ihrem Reisebericht. Na gut, die Viertelmillion Iraker in Deutschland bekäme in dem Moment vielleicht Heimatgefühle, fühlten sich heimischer, möchte man schon dazwischen rufen.

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Dann stolpert Robert Habeck gleich über eine Frage, die eigentlich an Baerbock gestellt wurde, als Lanz wissen will, was die Grünen denn nun wollen: Rot-rot-grün oder Schwarz-grün. Also das Modell Bremen übertragen auf den Bund? Oder doch eine Regierungsmehrheit mit der Union? Dazu erklärt Habeck in gewohnt weitschweifender Art und Weise und mit dem gewohnten Gesichtsausdruck, als wären solche Auftritte eigentlich Verhöre, denen er sich am liebsten entziehen würde, er erklärt also, dass rot-rot-grüne Regierungen im Bundesrat gewichtiger seien, auch, wenn es um Verhinderung von Bundespolitik über den Bundesrat ginge.

Will das Spitzenduo nun für die Zukunft ein Projekt der Mitte mit der Union? Oder doch ein rot-rot-grünes? Lanz lässt nicht locker und lässt Sidekick Weimer insistieren. Was ist die strategische Linie? Was soll der Wähler schon wissen dürfen und was könnte ihn verschrecken?

Der Ball landet also vor den beiden Grünen, Ex-Handballer Habeck schaut hinüber zu Baerbock und sein Blick sieht auf einmal nicht mehr nur höflich, sondern schon ziemlich hilflos aus. Aber da klimpert Baerbock kurz mit den Augenlidern und signalisiert ihm: Ich mach’s! Ich versuche mal, die Kuh für uns vom Eis zu holen.
Und das versucht sie dann leider auch:

„Klar ist das ’ne Frage, dass manche sagen, wir möchten vor der Wahl wissen, ob ihr ausschließt zu hundert Prozent, ihr geht nicht mit der CDU zusammen, ihr geht nicht mit den Linken zusammen. Deswegen sagen wir sehr ehrlich vor den Wahlen: Nein, das werden wir nicht zu hundert Prozent ausschließen.“

Aber was? Was will sie nicht ausschließen? Das eine oder das andere? Ist die Linkspartei genau so für sie, wie die CDU, gibt Weimer weiter den Hilfsmoderator für Lanz, der dazu so schön mit dem Kopf nickt, dass er auch bei Poschardt auf dem Armaturenbrett des 911er noch gut aussehen würde. „Warum macht ihr das denn (in Bremen)?“, fragt Weimer.

Dann versucht es Habeck:

„Zwei Anmerkungen, ne, drei (zeigt drei Finger hoch).“ Er hätte schon vorher gewusst, dass es hier in der Sendung nicht um Inhalte geht, sondern um „Machtkonstellationen und  so wird es auch weiter gehen.“

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So dünnhäutig hat man Habeck selten in so kurzer Zeit entblättert erlebt. „Ich habe nur zu Protokoll gegeben, das es in den letzten zehn Minuten nicht um Inhalte geht.“ Seine zweite Anmerkung handelt davon, dass er es sehr irritierend findet, das gerade von konservativer Seite zwischen Ost und West unterschieden wird. (…) Das ist eine Mauer im Kopf“, sagt er mit nicht mehr nur symbolisch erhobenem Zeigefinger, ohne freilich die Eingangsfrage, mit wem man nun wolle, auch nur im Ansatz beantwortet zu haben.

„Und drittens, wenn wir uns einmal auf dieses Farbmusterspiel einlassen, dann muss man sagen, die Grünen sind in vier Regierungen mit der CDU, in zwei Regierungen mit der FDP, bisher in Regierungen mit der Linkspartei, und jetzt vielleicht – es ist ja noch nicht zu Ende – in einer Dritten. Wenn man das also zusammennimmt und die großen Länder dazu nimmt, Baden-Württemberg, Hessen und das kleine Bremen (…) dagegenhält, dann ist dieses ganze Gerede von „Sind die Grünen eine linke Partei?“ ein Symbol für die Republik – sorry to say – falsch. Was also passiert ist, dass eine symbolische Debatte aufgeblasen wird, um sich nicht der inhaltlichen Debatte zu stellen. Und das ist das, was wir nicht mitmachen wollen. Die ganze Geschichte, die wir die ganzen letzten Jahre geschrieben haben, die ganze Geschichte, die wir die letzten anderthalb Jahre gemacht haben, ist, dass wir uns diesen Ritualen, die auch noch in sich unlogisch sind, die falsch sind, nicht stellen werden. Deswegen werden wir immer, wie Annalena es gesagt hat, auf die inhaltlichen Punkte hinweisen und wir werden die Konstellation eingehen in den Ländern und im Bund, wo am meisten dabei herauskommt. Punkt.“

Uff … und what? Surft hier schon ein zukünftiger Kanzler vorauseilenden Merkelschen Ungefähren und nimmt auf diese Surftour auch noch einen Rucksack moralischer Überheblichkeit mit auf den höchsten Wellenkamm?

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Sind die Grünen nun die Volkspartei der linken Mitte oder nicht? Was dürfen die Wähler nun wissen, was nicht? Schlägt Habecks Herz nun links für ein linkes Reformprojekt oder nicht?, will Weimer unbedingt weiter wissen und lässt nicht locker. Diese Frage hätte auch was mit Inhalten zu tun, stänkert Lanz dazwischen. Jedenfalls ist es dem Blick nach bei Habeck wie ein Stänkern angekommen. Die Diskussion abzubiegen hält Weimer nicht für in Ordnung und erntet dafür doch tatsächlich den zweiten erhobenen Zeigefinger des Abends, dieses Mal von Baerbock. Die Partei des erhobenen Zeigefingers.

„Sie könnten doch auch sagen, ich will Deutschland von der bürgerlichen Mitte aus ökologisch modernisieren.“, so wieder weiter Wolfram Weimer. Und die beiden Grünen lassen ihn reden und reden und reden, ohne dass das auch nur irgendwas mit „Zuhören können“ zu tun hätte. Es fällt den beiden schlicht nichts dazu ein oder sie haben sich gerade gegenseitig neutralisiert.

Annalena Baerbock erzählt stattdessen von ihrem größten Traum: „Dass wir es als große Industrienation schaffen, die Klimakrise so zu nutzen, dass wir die Wirtschaft der Zukunft aufbauen, die nicht auf fossilen Brennstoffen beruht, sondern diese Transformation voranbringt und das noch Hand in Hand mit sozialer Gerechtigkeit.(…) Das ist mein Traum für Deutschland.“

Lanz will es jetzt hypothetisch-konkret wissen und legt die nächste Stinkbombe nach: „SUVs: Fahren die noch in den Innenstädten unter einer grünen Kanzlerschaft oder nicht?“

„Das kommt drauf an, mit welchem Brennstoff sie betrieben werden“, so Baerbock. „denn in Zukunft wird es auf den Straßen dieser Welt keine fossilen Verbrennungsmotoren mehr geben.“ Und da diese großen Autos auch viel zu lange Ladezeiten bräuchten, würden die so auch in Zukunft elektrisch nicht mehr weiterfahren, legt sich Baerbock fest. „Es wird eine andere Mobilität auf deutschen und auch auf weltweiten Straßen geben.“

Also keine SUVs mehr.

„Wäre das SUV-Verbot dann ab sofort?“, will Lanz wissen. Und tatsächlich klingt das in dem Moment so irritierend, als hätte Günter Schabowski die Grenzöffnungsfrage ein zweites Mal gestellt. Da Autos 15-20 Jahre laufen würden, so Habeck, und der Komplettaustieg aus der fossilen Verbrennung für 2050 beschlossen sei, müsse man also um 2030 herum quasi die letzten Zulassungen ausgeben. Im Hintergrund eingeblendet wird eine junge Demonstrantin in einem „FCK-SUV“-Shirt. Ja, fuck it.

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Robert Habeck findet es jetzt gerade voll verräterisch, dass bei sozialer Gerechtigkeit immer diejenigen auf die Barrikaden gehen, „wenn es um Fliegen, Fleischessen und Fahren geht, (ansonsten) null Unterstützung von denen, die auf einmal die große Sozialegerechtigkeitskeule schwingen.“ Hier würde immer sofort, so Habeck weiter, „das soziale Moment gegen die ökologische Modernisierung eingeführt.“

Aber was denn sonst, lieber Robert Habeck, möchte man hier wissen. Oder sind Kollateralschäden einfach unvermeidbar und für die Grünen angesichts der zu vermeidenden angeblichen Apokalypse zu vernachlässigen?

Die wichtigsten Fragen des Abends wurden gestellt. Die Grunderkenntnis hier: Die Räume für das grüne Spitzenduo werden zunehmend enger.

Heute fragt nur Markus Lanz, morgen will es das ganze Land wissen. Aber was dann? Bricht dann das grüne Kartenhaus in sich zusammen? Oder ist es dann doch schon ausreichend versteift durch eine dieser neumodernen Zwangsisolierungen aus Styropor, die dann schon so tief in den Köpfen der Deutschen einbetoniert sein werden?

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