„Anti-europäische Lepra“: Quelle élégance, Monsieur le Président
Alexander Wallasch
Eigentlich zahlte Merkel bei Macron mit dem Eurozonen-Budget für ihre Rettung aus Populistenhand, nun torpediert Macron nach Trump-Art den Merkel-Gipfel vor dem EU-Rat mit einem unsäglichen Wort zu den EU-Kritikern.
Wer war da käuflich? Emmanual Macron oder Angela Merkel? Oder war es am Ende eine Win-Win-Situation, wenn Merkel dem Euro-Zonen-Budget des Franzosen zustimmt und Macron dafür die Kartoffeln Seehofers und Söders aus dem Feuer zu holen verspricht, die Merkel so fürchtet? Die Interessen Macrons sind ebenso deutlich wie die Merkels. Sie will ihren Hals aus der Schlinge ziehen, er möchte Frankreich zeigen, wer der Herr im europäischen Haus ist, indem er der Deutschen die letzten bissfesten Zähne zieht: direkt aus dem Portemonaie.
Aber würde Emmanuel Macron liefern, was er Merkel als Gegenleistung versprochen hatte? Selbstverständlich. Und er machte es in einem atemberaubenden Tempo und mit einer Tonalität, die aus historischen Gründen jeden deutschen Politiker an den Rand des ultimativen Skandals geführt hätte, wenn Macron „anti-europäische Stimmungen in Europa als „Lepra“ bezeichnete. Womit er „Populisten” zu Aussätzigen erklärt. Auf die Antworten aus EU-kritischen Mitgliedsländern darf man gespannt sein.
Der französische Präsident nahm sich satte eineinhalb Stunden Zeit, den Auftakt zum Merkel-Auftrag zu erfüllen. In der berechtigten Hoffnung, die Presse würde es schon gebührend verbreiten, würde seine „Lepra“ schon dankbar aufnehmen, wählte er eine heimische Bühne, als er in der Bretagne mehr für die Bundeskanzlerin ablieferte, als Merkel zu hoffen gewagt haben wird.
Aber Macron geht noch einen Schritt weiter, wenn er umschreibt, wie er sich die Gestaltung der EU-europäischen Demokratie von morgen vorstellt: Als einen von den Medienmachern, den Wirtschafts- und politischen Eliten organisierten wie kontrollierten Selbstbedienungsladen:
„Unsere wirtschaftlichen, politischen, journalistischen Eliten haben eine immense Verantwortung.“ Eine Verantwortung, die er sicher gerne bereit sein wird, mit den entsprechenden Sonderbefugnissen auszustatten.
Für den von Angela Merkel aufgerufenen EU-Sondergipfel in Brüssel sollen nun laut Emmanuel Macron mehrere EU-Länder „europäische Lösungen“ für die Fragen Asyl und Migration erarbeiten. Er hätte sicher noch ein „gefälligst“ einfügen können, aber er verstieg sich in welcher politisch-geistigen Stimmungslage auch immer zu der Äußerung: «die Verachtung für die europäische Idee mache sich „wie die Lepra fast überall in Europa breit, selbst in Ländern, in denen wir dachten, dass ihr Wiederauftreten unmöglich ist“.» Damit erklärt er die Verhinderer des Merkel-Macron-Deals und die anderen EU-Skeptiker zu Aussätzigen. Also die Achse Österreich, Italien und Bayern. Die Visegrád-Gruppe sowieso. Dänemark, die Niederlande und so weiter.
Monsieur le Président, quelle élégance.
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Vielleicht ist es ja schon die Reaktion auf die Reaktion, von der wir sicher noch öffentlich hören werden, was auf Twitter steht:
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