Tichys Einblick

Angriff auf Abgeordnetenbüro ist für SPD-Chefin Saskia Esken „unpolitisch“

Das Büro eines Berliner SPD-Abgeordneten wird angegriffen und er als "Bullenknecht" beschimpft. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken bezeichnet dies als "unpolitisch". Nicht nur sie, sondern auch andere Kräfte in der SPD haben immer wieder den Schulterschluss mit der Antifa propagiert.

imago Images/Christian Thiel

Ein Jura-Student der Universität Köln ist Mitglied der Jungsozialisten der SPD, erzählt zumindest sein relativ junger Twitter-Account (seit März 2020). Bis dahin nichts Ungewöhnliches. Erstaunlich ist allerdings, dass dieser junge Twitter-Sozialist seine Mitgliedschaft in der Jugendorganisation der SPD dahingehend versteht, auch eine Art Kontrollorgan zu sein, also der Stachel im Fleisch der Partei. Das sei verloren gegangen und dazu hat der Student einen Film hochgeladen, der vor allem seine Parteichefin Saskia Esken angreift, die gerade die Angriffe der Antifa auf das Büro eines Berliner Abgeordneten eine „unpolitische Tat“ genannt hatte. Der Student muss Esken dahingehend belehren, dass die Antifa kein Teil der SPD sei. Im Gegenteil, diese Extremisten gehörten bekämpft, die SPD sei eine Partei der Mitte.

Der Berliner Abgeordnete dessen Büro angegriffen wurde, heißt Tom Schreiber. Nein, er gehört nicht der AfD, der FDP oder der CDU an. Schreiber ist Sozialdemokrat wie Esken, Kühnert und der emotionalisierte Student selbst. Festzustellen ist also erst einmal, dass die Erregung eher eine interne ist. Angriffe der Antifa und anderer Gruppen auf Büros von Abgeordneten und auf Abgeordnete selbst sind schon seit Jahren im bundesdeutschen Alltag angekommen. Und sie werden, zumindest was Angriffe auf die AfD angeht, wenn überhaupt dann nur halbherzig geächtet.

Schreiber twitterte nach dem Angriff auf sein Büro, das sich in einem Haus befindet, indem auch Familien mit Kindern und Rentner leben und Berufstätige arbeiten, Bilder vom Tatort. Die Parteivorsitzende der SPD sah diese Bilder, las den Tweet und erwiderte per Twitter: „Was für eine sinnlose Tat und unpolitische Tat.“

Der angegriffene Sozialdemokrat Tom Schreiber sitzt seit 2006 als Direktkandidat im Abgeordnetenhaus von Berlin. Eine relativ schnelle Karriere, denn Schreiber trat erst 1999 der SPD bei. Er ist Sprecher der SPD-Fraktion für Verfassungsschutz und Sprecher für Queer-Politik.

Ein weiterer Kommentar bringt es dann auf den Punkt: „Appeasement (Red.: Beschwichtigungspolitik) ist, wenn man das Krokodil füttert, in der Hoffnung, es möge einen zuletzt fressen.“

Auch der Juso-Vorsitzende und seit Dezember 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Kevin Kühnert, bekommt sein Fett ab von dieser öffentlich gemachten internen Kritik. Wörtlich heißt es: „Da die Führung meiner Jusos nicht die Parteispitze kritisieren will, obwohl es traditionelle Aufgabe ist, die Parteispitze zu kritisieren, muss ich das wohl tun.“

Was dem Studenten zudem entgangen sein muss: Nicht nur seine „Chefin“ sympathisiert offen mit linksextremen Gewalttätern, seine Jusos tun das auch. Man kann sich auch durchaus wie die Junge Union fragen, wieviele Mitglieder der Jusos bei der Antifa mitlaufen.

So neu ist ein gewisses Sympatisantentum innerhalb der SPD gegenüber der Antifa nicht. Schon bevor sich Saskia Esken per Tweet im Juni zur Antifa bekannte, gab es öffentliche Bekenntnisse zu den Linkextremisten (die übrigens auch den Verfassungsschutzbericht 2019 dominieren). Schon im September 2018 titelte der Vorwärts“, das Hausblatt der SPD: „Breite Bündnisse – Im Kampf gegen rechts braucht die SPD auch die Antifa“. Da hieß es weiter:

„Ich jedenfalls gehe lieber mit gewaltfreien Antideutschen auf die Straße (ohne dabei jede ihrer Positionen zu teilen), als zur schweigenden Mehrheit zu gehören oder das Geschäft der Konservativen zu erledigen. Ja, vielleicht treffen junge Antifas oder Antideutsche nicht immer den Ton und die richtige Formulierung, auf Grundlage derer man gerne diskutiert. Und nicht jede Demoparole ist gelungen. Aber deswegen in Frage zu stellen, dass sie mit uns gemeinsam gegen Nazis auf die Straße gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“

Und wer hat das geschrieben? Die von der PDS 2008 zur SPD konvertierte ehemalige Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt, zeitweilige Mitarbeiterin der Ex-Parteichefin Andrea Nahles und Geschäftsführerin eines Arbeitskreises Denkfabrik (!) der SPD.

Das emotionale Statement des Juso-Twitter-Studenten also in allen Ehren, aber es gehört auch schon eine gehörige Portion Naivität dazu, diese immer enger werdenden Verknüpfungen der SPD ins linkspopulistische und linksextreme Milieu nicht wahrzunehmen. Und ausgerechnet dann aufzuheulen, wenn es die eigenen Reihen trifft.

Nun ist Tom Schreiber für die linksextremistische Szene kein Unbekannter. Schon 2015 drohten im politische Gewalttäter, sie wüssten, wo sein Auto steht, und kreierten dazu via Twitter #tomduarschloch. Die Polizei musste schon damals ausrücken um den sozialdemokratischen Extremismus-Verweigerer zu schützen. Weil er mit seiner Haltung ein Exot in der SPD ist?

Offenbar als Vergeltung dafür, dass Schreiber seit Jahren die linksautonome Gewalt in seinem Viertel und in Berlin kritisiert, wurde sein Büro jetzt angegriffen. Die SPD-Führung versucht nun diese Tat als unpolitisch darzustellen. Und sie muss auch so vorgehen, ansonsten müsste sie konsequenterweise in Berlin die Zusammenarbeit mit der Linkspartei und den Grünen aufkündigen. Fast zeitgleich wurde Bürgern, die es wagten, in Kreuzberg gediegene Neubauten zu beziehen und sich über Übergriffe aus einem ,anarcha-queer-feministischen Hausprojekt‘ beschwert hatten, von rot-rot-grünen Politikern gesagt, sie müssten das schon aushalten, das gehöre eben zur Kultur Berlins dazu.

Die mobile Version verlassen