Tichys Einblick
Offenbarungseid

Angela Merkel in Spanien: Arbeitsverweigerung als Bankrotterklärung

Diese Regierung hat ihre Arbeit eingestellt. Merkel fährt nach Spanien mit nur einer Bitte: Gebt uns doch bitte, bitte irgendwas, dass uns für den Moment die wachsende Anzahl der Empörten vom Leibe hält.

CRISTINA QUICLER/AFP/Getty Images

Am Freitag fragten wir hier, ob Angela Merkel als Bittstellerin nach Spanien fährt oder mit dem Scheckbuch. Die Antwort ist noch ernüchternder, als sowieso schon zu befürchten war: Eine einzige Farce, wenn man nachliest, wie die Kanzlerin selbst ihr Gespräch mit dem spanischen Premier nacherzählt. Wer also noch blauäugig hoffte, dass wenigstens ein paar dringende Probleme Lösungsansätze erfahren könnten, der wurde enttäuscht.

Nach der mittlerweile als dilettantisches Täuschungsmanöver zu bezeichnenden Rücknahmevereinbarung mit Spanien nun also der nächste Beweis einer deutschen Regierung im Ausnahmezustand: Arbeitsverweigerung und Kapitulation vor den wichtigen Fragen unserer Zeit. Es bleibt ein Jammer.

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Fährt Angela Merkel als Bittstellerin oder mit dem Scheckbuch nach Spanien?
Fangen wir mit der so genannten Rücknahmevereinbarung an: Theoretisches Ziel war es hier, Spanien aufzufordern, EU-Regeln einzuhalten und registrierte Asylbewerber, die weiter nach Deutschland gezogen sind, zurückzunehmen. Nun gibt es keine spanisch-deutsche Grenze. Alleine dieser Sachverhalt hätte schon vorher zu denken geben müssen, denn im Klartext heißt das, dass es keine vernünftige Rücknahmevereinbarung mit Spanien geben kann, wenn nicht auch Frankreich eine solche mit Spanien abschließt bzw. wenn Frankreich die Durchreisenden quasi stellvertretend für Spanien an der deutsch-französischen Grenze „zurücknimmt“, wenn Deutschland sie abweist bzw. diese dann – wie auch immer – nach Spanien zurückgeführt werden.

Nun hat Frankreich seine Grenzkontrollen zu Spanien längst wieder aufgenommen und intensiviert. Denn die Zuwanderer bleiben nicht in Spanien, sie ziehen nach Norden. Dort treffen sie nun auf den „geballten Widerstand“ der französischen Sicherheitskräfte, berichtete das Handelsblatt. Wirklich? Nun ist so ein Widerstand relativ, gäbe es ihn wirklich, würden es keinen Anlass geben für ein Rücknahmeabkommen zwischen Spanien und Deutschland, dann wäre die spanisch-französische Grenze dicht und Spanien blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Zuwanderer aufzunehmen, korrekt zu registrieren oder endlich von der EU massive Hilfe zu fordern bei der Sicherung der EU-Außengrenzen, also auch bisher rein nationale Befugnisse der Grenzsicherung zu übertragen.

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Als gerade zu grotesk und mit vernünftigen Maßstäben nicht mehr zu verstehen ist nun, was inhaltlich im von der Bundesregierung so hoch aufgehängten Rücknahmeabkommen zu lesen sein soll. Zwar erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer (CSU) gerade noch, das Abkommen sei „ein großer politischer Erfolg“. Aber beispielsweise der Bayrische Rundfunk erzählt eine ganz andere Geschichte, wenn es da heißt, diese Vereinbarung würde „nicht sehr viele Personen“ betreffen. Auch sei das Papier nicht sehr umfangreich. Ein „ganz kurzer Text“ sei das, wird die Sprecherin des Bundesinnenministeriums zitiert. Und ein grotesker dazu, wenn nur jene Personen betroffen sein sollen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden. Wenn also an einer im Wortsinne völlig abseitigen Grenze kontrolliert wird, wer schon in Spanien einen Asylantrag gestellt hat, wer also mit einer merkwürdigen Reiselust ausgestattet sein muss oder sich um viele hunderte Kilometer verfahren hat auf dem Weg in den mit vergleichsweise üppigem Sozialsystem ausgestatten Sehnsuchtsort Deutschland. Nun sind diese Zurückweisungen nach der Dublin-Verordnung sowieso geltendes EU-Recht.

Und Spanien hat längst erklärt, um was es bei diesem Abkommen in Wahrheit geht: Lediglich um eine „Geste“ zur Unterstützung der Bundeskanzlerin. Aber Unterstützung gegen was oder wen? Gegen die deutsche Bevölkerung? Als eine Art Verschleierung einer Schlechtleistung, einer Bankrotterklärung bzw. einer eklatanten Arbeitsverweigerung? Nein, wenn Spanien die Kanzlerin unterstützen will, dann hat Spanien seine Grenzen zu schützen bzw. seine Asylbewerber ordnungsgemäß zu registrieren und zu versorgen. Sollte der Grenzschutz allerdings versagen, müssen eben entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, ob nun auf nationaler oder EU-Ebene.

Angela Merkels Auftrag zu Besuch beim spanischen Premierminister sollte also überdeutlich gewesen sein: Diesen völlig sinnbefreitem Rücknahmeabkommen nun endlich etwas Wirksames folgen zu lassen. Was dann allerdings folgte, liest sich, wie aus der Zeit gefallen. Merkel begrüßte beim gemeinsamen Presseauftritt mit dem Spanier in Sanlucar de Barrameda zunächst das Abkommen mit Spanien. Aber warum? Was ist daran begrüßenswert? Rein gar nichts.

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Die Bundeskanzlerin hat aber noch einen weiteren Erkenntnisgewinn aus dem Gespräch mit Sánchez mitgebracht: Sie will nun erkannt haben, dass das bestehende Dublin-System in der Realität unwirksam sei. Aber wo ist die neue Erkenntnis, wenn sie selbst dieses System ab 2015 massiv außer Kraft gesetzt hat? Im Gegenteil: Diese Feststellung ist bereits seit Jahren elementare Problemstellung, die endlich politisches Handeln verlangt. Was für eine Politik ist das denn eigentlich, die zu nichts in der Lage ist, als nur ständig zu wiederholen, wo ihre Aufgaben liegen? Immer wieder zu proklamieren: Ja, wir haben ja erkannt, wir haben verstanden, wo die Probleme liegen, aber wir wissen nicht, wie wir sie lösen sollen außer damit, die Spanier zu bitten uns derweil mit einer „Geste“ auszuhelfen, die unsere Bürger weiter nur sedieren soll.

Aber Merkel geht noch weiter, wenn sie allen Ernstes und wider besseres Wissen behauptet, mit dem Abkommen könne nun „mehr Ordnung in die Sekundärmigration“ gebracht werden. Das ist schon eine Unverschämtheit zu nennen oder wahlweise kaltschnäuzig. Merkel wurde weiter auf der Pressekonferenz gefragt, ob das Abkommen nicht doch eher einen symbolischen Wert hätte. Ihre Antwort lautete, dass Abkommen würde deutlich machen, „dass Deutschland und Spanien auf europäische Lösungen setzen“.

Erinnern wir uns: Seehofer gab Merkel im Streit um seinen Masterplan Asyl ein paar Tage, um endlich auf EU-Ebene Lösungen zu bewirken. Nichts hat sich seitdem getan. Immer nur weiter die selben inhaltsleeren Willensbekundungen.

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Stattdessen setzt Merkel nun auf eine Unterstützung des Spaniers bei dessen Bemühungen, Marokko dazu zu bewegen, weniger Zuwanderer an seine Strände gelangen zu lassen – denn um nichts anderes geht es ja hier. Federführend bei diesen Verhandlungen mit dem nordafrikanischen Staat ist Spanien. Und was Merkel mit „Unterstützung“ meint, wird sich in Euro ausmessen lassen müssen. Nein, Angela Merkel hat den Spanier offensichtlich nicht einmal ernsthaft aufgefordert, Zuwanderer nicht mehr über Frankreich nach Deutschland einreisen zu lassen. Die Welt schreibt: „“Auf die Frage, ob Spanien Flüchtlinge aufhalten müsse, die nach Deutschland weiterreisen wollten, antwortete Merkel ausweichend. Das bisherige Dublin-System sei „nicht funktionsfähig“.“

Drücken wir es vorsichtig aus: keine so neue Erkenntnis, wenn Merkel erklärt, wie sie zu diesem bahnbrechenden Schluss gekommen ist: „Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen“. Nach welcher Theorie? Der Dublin-Theorie? Nach einem Dublin-Verfahren, dass Merkel selbst auf monströse Weise außer Kraft gesetzt hat?

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Ein Fazit dieser Gespräche mit Spanien fällt also katastrophal aus: Hier wurden keine Lösungen erarbeitet, genanntes Rücknahmeabkommen besteht nicht einmal die einfachsten Anforderungen, widerspricht sogar einfachster logischer Erwägungen, wenn es nur an der deutsch-österreichischen Grenze wirksam ist. Aber etwas wurde dann doch überdeutlich, ist aber ebenfalls keine neue Erkenntnis: Diese deutsche Regierung hat ihre Arbeit eingestellt. Angela Merkel fährt nach Spanien mit nur einer Bitte: Gebt uns doch bitte, bitte irgendwas, dass uns für den Moment die wachsende Anzahl der Empörten vom Leibe hält. Irgendeine Geste, die uns noch ein paar Tage über Wasser hält, dann fällt uns schon was Neues ein, was wir der wachsenden Zahl potenzieller AfD-Wähler als Sedativum hinschmeißen können.

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