Tichys Einblick
Ali Ertan Toprak im TE-Gespräch

Migranten auf Corona-Intensivstationen: „Viele trauen sich nicht, problematische Punkte zu benennen“

Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände, spricht darüber, warum Migranten unter Corona-Intensivpatienten überrepräsentiert sind. Für die Tabuisierung seien "die Medien mitverantwortlich, die schnell aus allem eine Rassismus-Debatte machen".

Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbaende e.V. und Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschlands

imago images / Oryk HAIST

Alexander Wallasch: Eigentlich erstaunlich, dass Corona und Migration in Deutschland so lange gebraucht haben, um zu einem Thema zu verschmelzen. Mussten wir wirklich so lange warten, bis Klinikchefs und sogar der Chef des RKI von über neunzig Prozent Patienten mit Migrationshintergrund auf einer Corona-Intensivstation in einer bestimmten Klinik und von über fünfzig Prozent im gesamten Bundesgebiet sprechen, was ist da so entsetzlich schief gelaufen?

Ali Ertan Toprak: Wenn wir von 20 bis 25 Prozent Migrantenanteil in der Bevölkerung ausgehen, sind das für mich erschreckende skandalöse Zahlen. Ich bin auch sehr irritiert, dass wir das jetzt so zeitversetzt und über Umwege erfahren. Obwohl wir Migrantenorganisationen schon seit Jahren mit der Bundesregierung und den zuständigen Ministerien im direkten Kontakt sind. Ich habe schon zu Beginn der ersten Welle darauf hingewiesen, dass die Migrantenorganisationen bei der Krisenbewältigung mit einbezogen werden sollten. Wir sind gerade im Gespräch mit dem Bundesgesundheitsministerium. Wir planen dazu als Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände in Deutschland (BAGIV), dessen Präsident ich bin, eine Veranstaltung zu Covid und Migration, welche Auswirkungen Covid auf die Einwanderungsgesellschaft hat, welche besonderen Probleme die Migranten damit hatten und haben, beziehungsweise welche Probleme wir schon bei der Ansprache an die Migranten hatten beim Thema Covid.

Es sind ja nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern genauer solche mit muslimischen Hintergrund gemeint. Was auch daran liegt, dass diese Gruppe einen so großen Anteil an Migration in Deutschland hat. Klartext: Ist die muslimisch-kulturelle Ausrichtung die Ursache für diese vermehrten Ansteckungen – also auch für die schweren Corona-Verläufe – oder liegt es viel mehr an den prekären wirtschaftlichen Verhältnissen von Zuwanderung? Und weiter: Haben wir als Deutsche vielleicht sogar historisch spezielle Hemmnisse, solche Sachen beim Namen zu nennen? Sind wir deshalb so vorsichtig, wenn es um Zuweisungen an bestimmte Gruppen geht im Zusammenhang mit epidemischen Krankheiten?

Ich will da gar nichts relativieren. Es ist aber nicht die Herkunft allein, es ist auch ein bestimmtes kulturelles Verständnis, mit solchen Krisen umzugehen, und vor allem eine soziale Frage. Viele Menschen mit Migrationshintergrund leben in sozialen Verhältnissen, welche die Ausbreitung von Covid begünstigen.

Das würde das deutschstämmige Präkariat mit einschließen, die sind aber nicht so stark betroffen offensichtlich. Die leben auch weniger oft in Familienverbänden.

Kollektive Gesellschaften mit Migrationshintergrund sind nicht so vereinsamt wie die Deutschen, die in ähnlichen sozialen Verhältnissen leben. Bei Migranten mit muslimischem Glauben sind es eher kollektive Gruppen nicht nur mit der Familie, sondern noch darüber hinaus mit der Umgebung, mit der Nachbarschaft und gegebenenfalls noch mit der religiösen Gemeinschaft.

Sarkastisch gefragt: Wäre also die deutsche Single-Lebensart in diesem Falle „gesünder” gewesen?

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Man kann darüber jetzt weit ausschweifend streiten und philosophieren, aber Spaß beiseite: Wir müssen die Ursachen ganz genau anschauen. Festzustellen ist aber bereits jetzt, es reicht nicht, einfach dieses Infomaterial zu Covid in unterschiedliche Sprachen zu übersetzen. Man muss wirklich gezielt in die Communities rein gehen mit Sozialarbeitern. Die medialen und soziologischen Kanäle bedienen, die diese Menschen erreichen. Durch direkte Ansprache erreicht man diese Leute am besten. Und da hätten wir in den letzten zwölf Monaten viel früher reagieren müssen, agieren müssen! Die Migrantenorganisationen sind doch bekannt als Gesprächspartner.

Das ist für mich jetzt wieder die klassische Defensivhaltung: Natürlich gibt es in Deutschland seit Jahren einen Integrationsgipfel, wo all diese Gruppen vertreten sind und explizit aufgefordert werden, die Stimme zu erheben. Wo diese Gruppen der Politik auch einmal sagen können: Hallo, wir haben hier ein Corona-Problem, wir sind Hauptbetroffene! Diese Gruppen müssen doch am ehesten wissen, wer an der Beatmungsmaschine hängt, wo der Anteil so hoch sein soll. Der einzelne Migrant hat doch nicht nur Rechte, dass man sich um ihn kümmert, er muss doch selbst aktiv werden, wenn er Teil einer Risikogruppe ist. Bei Ihnen klingt das jetzt fast so, als wäre jeder Migrant nicht nur arm, sondern auch – Entschuldigung – zu dumm.

Natürlich nicht. Bei der ersten Welle gab es ja eine große Verunsicherung in der Gesamtbevölkerung. Und ich kann Ihnen anhand von dutzenden SMS und Mails gerne mal zeigen, dass ich schon letztes Jahr im März und April direkt die Regierung angeschrieben und unsere Unterstützung angeboten habe bei der Krisenbewältigung.

Wen genau haben Sie angeschrieben?

Unter anderem das Gesundheitsministerium und auch die Staatsministerin für Integration.

In welcher Funktion haben Sie geschrieben?

Als Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände. Mehrfach habe ich meine Unterstützung angeboten. Ich habe explizit gesagt, dass im Krisenbewältigungsteam der Regierung auch Experten aus diesem Bereich sitzen müssen. Die Übersetzung von Infomaterial reicht hier wie gesagt bei weitem nicht aus.

Wenn die Regierung aber längst weiß, dass Migranten die hauptbetroffene Gruppe sind, was schwerste Erkrankungen mit Corona angeht, dann ist das doch geradezu ein Vergehen, dem nicht nachgegangen zu sein.

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Im September gab es eine Videokonferenz mit Spahn und Merkel mit den Migrantenorganisationen zu diesem Thema. Und direkt nach diesem Gipfel habe ich den Gesundheitsminister auch angesprochen und habe ihm angeboten, dass wir als Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände gemeinsam mit dem Minister eine Veranstaltung machen sollten. Ausgerechnet erst morgen habe ich dazu nun eine Gespräch mit dem zuständigen Referat, wo wir diese Veranstaltung vorbesprechen. Übrigens nicht zum aktuellen Thema. Wir sind da schon seit Wochen und Monaten dran, alle Gruppen digital an einen Tisch zu setzen und darüber zu sprechen, was das Problem mit Covid speziell unter Migranten ist. Spahn war sehr offen und hat sofort Unterstützung zugesagt. Aber nur mit Projekten ist das nicht getan. Die Politik und vor allem die Bundesregierung muss bei solchen Krisen alle Akteure bei der Bewältigung miteinbeziehen. Gerade in einer diversen Einwanderungsgesellschaft müssen die Vertreterinnen und Vertreter der Migrantenorganisationen in den Krisenstäben mitwirken.

Wenn meine Söhne zum Barbier gehen, weil der so moderne Haarschnitte macht, dann sitzen die da ohne Masken, der Barbier lacht sich einen und an der Tür steht ein Laufjunge und passt auf, dass die Polizei oder der Ordnungsdienst nicht gerade vorbeikommen. Der Barbier sagt: Ach, nehmt bloß den blöden Lappen aus dem Gesicht. Wie ist denn die Akzeptanz der Corona-Massnahmen in den Communities? Was wissen Sie darüber?

Es gibt keine homogenen monolithischen Blocks in der Community. Die ist genau so vielschichtig wie die Mehrheitsgesellschaft.

Aber es muss doch eine Tendenz geben …

Ja klar, in bestimmten geschlossenen Systemen ist es vielleicht ein Problem. Man lebt ja trotzdem in Parallelgesellschaften und informiert sich nicht in erster Linie aus den deutschen Medien, sondern in ausländischen Medien. Oder man nimmt bestimmte Problemlagen oder den Staat nicht ganz ernst.

Aber haben diese ausländische Medien keine Covid-Berichterstattung?

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Doch, natürlich! Das ist ja auch ein Thema in der Türkei, auch dort gab es ja Maßnahmen, an die sich die Bevölkerung halten musste. Aber nichtsdestotrotz muss genauer hingeschaut werden. Ich glaube, durch die Rassismus-Debatten der letzten Jahre sind auch viele aus Politik und Medien eingeschüchtert, trauen sich nicht, problematische Punkte zu benennen. Deutsche Mainstreampolitik könnte vielleicht denken: Oh Gott, wenn wir jetzt zugeben, mehrheitlich sind das Migranten, mehrheitlich sogar noch muslimische Migranten, könnten wir als Rassisten dastehen. Aber dafür sind auch die Medien mitverantwortlich, die schnell aus allem eine Rassismus-Debatte machen.

Ein etablierter Politiker muss doch nur mal couragiert etwas fordern, die Medien berichten das schon.

Das wird ja gemacht, das negative Echo der Medien ist dann nur vernichtend. Für mich ist es aber nicht rassistisch, Probleme zu benennen, für mich ist es rassistisch, die Menschen sterben zu lassen. Wenn das zutrifft, was der Chefarzt und der Chef des Robert-Koch-Institutes gesagt haben, dass man sehenden Auges Menschen sterben lässt in den Intensivstationen, wo man möglicherweise viel früher hätte vorbeugend aktiv werden müssen, das ist dann rassistisch.

Wäre nicht die Folge, dass man als Herkunftsdeutscher Migranten meiden muss – beispielweise in der Straßenbahn – weil da die Ansteckung wahrscheinlicher ist? Das klingt doch ganz furchtbar.

Dem muss ich vehement widersprechen! Niemand muss pauschal vor Migranten Angst haben. Wahrscheinlicher steht doch hier ein Informationsdefizit an erster Stelle der Gefahr einer Ansteckung. Es ist ja nicht so, dass diese Community nicht über die Krankheit informiert ist, aber es kommt auch auf die Art und Weise an. Manche nehmen das auf die leichte Schulter, nehmen das nicht ernst. In der Mehrheitsgesellschaft ist ja die Anzahl der Corona-Leugner oder Gegner der Maßnahmen auch nicht gering.

Aber die liegen nicht mehrheitlich auf den Intensivstationen! RKI-Chef Lothar Wieler hat laut Bild-Interview sogar die Clangesellschaften und die Imame in den Moscheen ins Spiel gebracht. Clan und Religion wird hier von Merkels engstem Corona-Krisenmanager als Barriere genannt.

Es ist natürlich auch Blödsinn zu behaupten, vier Millionen Menschen würden alle in die Moschee gehen. Genauso, wie die deutsche Politik von drei Millionen Türken in Deutschland spricht, aber es gibt keine drei Millionen Türken, mindestens 1,2 Millionen sind kurdisch-stämmig. Davon sind mindestens 800.000 Aleviten, die gar nicht in die Moschee gehen. Aber ins Cemhaus. (Red.: Glaubensstätten der Aleviten).

Das ist ein Stückweit eine politische Aussage, auch die Kurden unterliegen ja großteils dem türkischen Passgesetz.

Sie mögen offiziell Türken sein, aber es wird immer so getan, als ob hier drei Millionen Türken und fünf Millionen Muslime im Land leben, das stimmt einfach nicht: Es gibt säkulare Muslime, es gibt atheistische, es gibt linke Muslime und nicht alle …

Das würde ich bestreiten. Wenn zwei Drittel der von ihnen Geschilderten in einer Erhebung sagen, dass sie die Scharia über das deutsche Grundgesetz stellen würden, reicht mir das als Aussage und Gruppenspezifizierung, da muss ich nicht weiter ins Detail gehen. Da zähle ich dann alle Muslime auch pauschal als solche.

Es gibt doch auch Kulturmuslime, wie es Kulturchristen gibt. Die meisten Christen in diesem Land feiern Weihnachten und Ostern und das war es schon, nichts mit Kirche, das will ich damit zum Ausdruck bringen.

Aber kein Christ bekommt den Hals aufgeschnitten, wenn er sich von seiner Religion lossagt, keine Frau wird hier ermordet, weil sie einen Andersgläubigen geheiratet hat …

Das ist wieder ein pauschales Bild. Bei den Christen heißt es Ehedrama, wenn verlassene Männer ihre Frauen umbringen. Das ist aber eine andere Frage. Sie verstehen nicht, worauf ich hinaus will. Ich will nicht relativieren, sondern deutlich machen, ich hab ein Problem, wenn alle in einen Topf geschmissen werden. Ich rede auch nicht nur von Parallelgesellschaften, sondern auch von Gegengesellschaften, die mit allen rechtlichen und demokratischen Mitteln bekämpft werden müssen.

Wenn wir aber alles immer so sehr und mit Vorbehalt im Detail betrachten sollen, dann werden wir unverständlich. Wir haben auch die Pflicht zum besseren Verständnis gelegentlich zu pauschalisieren, stereotyp zu denken, zu verallgemeinern.

Da bin ich doch bis zu einem gewissen Grad bei Ihnen. Ich sagte ja: Probleme muss man klar benennen. Das ist nicht rassistisch. Rassistisch ist eher, zu tabuisieren und zuzulassen, dass Menschen sterben.

Es ist demnach nicht nur ein Vergehen an der deutsche Herkunftsbevölkerung, sondern auch an dem Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund und an Migranten.

Deswegen bin ich ja gegen diese Identitätspolitik und gegen diese Cancel-Culture, die seit geraumer Zeit die Wissenschaft und Medien kritiklos übernehmen …

Sagen Sie bitte den TE-Lesern, was Sie konkret mit Identitätspolitik meinen …

Ali Ertan Toprak im TE-Interview
"Der türkische Staat versucht, den deutschen Staat einzuschüchtern. Und das klappt"
Identitätspolitik heißt, dass nach Interessenlage hier nur bestimmte Identitäten in den Vordergrund gerückt werden und ihnen gleichzeitig dadurch eine Art Opferstatus verliehen wird. Die Menschen werden nur zu Opfern gemacht aufgrund ihrer Identität. Das sind alles unsägliche Begrifflichkeiten, die aus Amerika kommend auch hier an den Universitäten usw. eingeführt werden. Da heißt es dann zum Beispiel, die Deutschen dürften beim Thema Rassismus nicht mitdiskutieren, weil sie keine Rassismuserfahrung hätten usw.

Jetzt sind viele Migranten, die Kleingewerbe betreiben, die in bestimmten Niedriglohnjobs oder in prekären Jobs arbeiten, besonders von den Corona-Maßnahmen betroffen. Haben die nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen noch einmal eine viel größere Distanz oder Kritik zu den uns allen auferlegten Maßnahmen – Stichwort Barbier. Gibt es in den Communities eine besonders kritische Haltung gegenüber den die Freiheiten einschränkenden Maßnahmen?

Genau so: Viele sind von den Maßnahmen besonders betroffen, es gibt eine Corona-Müdigkeit, diese Menschen haben am meisten zu verlieren, spüren am schärfsten die Konsequenzen, je länger das dauert.

Dreifach betroffen durch Kultur, Familie und Wirtschaft, eine mittelschwere Katastrophe oder?

Das Dienstleistungsgewerbe ist ja eigentlich in der Hand der Migranten in Deutschland. Die sind doch am meisten betroffen von den Maßnahmen. Handwerk, Friseure, Kioske, Gastronomie, Lebensmittel, Reinigungsfirmen …

Warum ist das so? Da steht doch auch wieder die Kraft der noch intakten Familienverbünde im Vordergrund, die beispielsweise auch rechtlich keine Mindestlöhne einhalten müssen …

In diesen Kleinbetrieben ist das tatsächlich so. Da hilft die Familie, wo sie kann. Es gibt unter den Migranten übrigens auch viele erfolgreiche junge Frauen, was gerne mal vergessen wird. Die zielstrebig sind und selbstbewusst sind und sich auch Freiheiten erkämpft haben.

TE hatte neulich ein interessantes Interview mit einem Großstadt-Polizeischef, der in etwa meinte, es würde keinen Sinn machen, sich an die Männer zu wenden, man müsse die Frauen erwischen und für sich gewinnen. Kann man das eventuell auf die Corona-Prophylaxe übertragen?

Aber man darf auch die große Stellung der Frau innerhalb der Clan-Strukturen als Mutter und Ehefrau nicht klein reden. Die sind dann auch erstaunlich autark, autonom und selbstständig. Ohne die Frauen kann das System dieser abgeschlossenen Gesellschaften nicht aufrecht erhalten werden.

Wenn wir bitte noch die Zukunftsperspektive besprechen wollen: Wie kann man Ihrer Meinung nach das Problem mit der fehlenden Vorsicht und Corona-Hygiene in diesen Parallelgesellschaften lösen?

Wir müssen die Gesamtgesellschaft betrachten und die Probleme analysieren und lokalisieren und dann auch ohne Tabus dagegen vorgehen.

Was ist ihre Forderung an die Politik und was ist ihre Forderung an die Verbände?

Die Politik muss bei der Bekämpfung der Epidemie nach der Analyse endlich auch die richtigen Ansprachen vornehmen. Wenn es ein Problem gibt unter den Migranten, was diese Zahlen – wenn sie stimmen ­– belegen würden, gibt es offensichtlich ein Problem, dass beim Namen genannt werden muss. Dann muss überlegt werden, wie diese Gruppen effektiv zu erreichen sind, gemeinsam mit den Experten, mit den Verbänden usw.

Wenn die Muslime so zahlreich auf den Intensivstationen sind, warum werden die dann nicht von sich aus vorsichtiger? Das ist doch unverständlich.

Da muss man eben Migrantenorganisationen, Soziologen, Psychologen und Psychiater immer auch mit einbeziehen, genau das herauszufinden.

Aber warum dauert das schon über ein Jahr?

Das frage ich mich allerdings auch. Ich habe schon im März/April 2020 beim Gesundheitsministerium vorgesprochen. Aber da hatte man offensichtlich keinen Kopf für diese Problematik. Sie waren einfach mit der Krise überlastet. Es lag nicht daran, dass sie das Thema ablehnen. Man hat erst einmal nur Infomaterial übersetzt, was eindeutig zu wenig war. Keiner dieser Leute geht auf die Infoseiten des Gesundheitsministeriums im Internet.

In Afrika gab es Kampagnen, wo bestimmte Afrikanerinnen mit Kondomen über die Dörfer gezogen sind, um Verhütung zu erklären. Müssen jetzt hierzulande Frauen in die Parallelgesellschaften gehen und die Corona-Abwehrmaßnahmen praktisch erklären? Zeigen, wie man Hände wäscht, Abstand hält und Maske trägt? Muss man hier quasi mitten in Deutschland eine Art Entwicklungshilfe leisten?

Es gibt ja schon zig Projekte in anderen Integrationsbereichen wo beispielsweise Stadtteilmütter in Bildungsfragen oder beim Empowerment von Frauen aktiv sind. Es gibt also Vorbilder, die man nur übertragen muss. Denn das nur in die Hand von Imamen zu legen, wird jedenfalls bei Weitem nicht ausreichen. Aber die Migranten-Communities sind komplexer und sehr heterogen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Ali Ertan Toprak ist u.a. Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände. Erst war er Mitglied der Grünen, dann trat er 2014 der CDU bei.Heute ist er Beauftragter der CDU für Vielfalt, Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Hamburg.

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