Tichys Einblick
Vielfach völlig legal

30.000 abgelehnte Asylbewerber zurück in Deutschland

Fast 30.000 Asylsuchende, die Deutschland seit 2012 mehr oder weniger freiwillig verlassen haben oder per Abschiebung verlassen mussten, sind wieder zurück und haben erneut Asylantrag gestellt.

© Sean Gallup/GettyImages

Schon Anfang November berichtete TE von tausenden Abgeschobenen, die wieder in Deutschland sind und erneut einen Asylantrag gestellt haben. Die Bundesregierung musste dazu jetzt hochoffiziell eine kleine Anfrage beantworten und konkrete Zahlen nennen. Medien wie die Welt am Sonntag (WamS) berichten mit Verspätung über eine weitere erschreckende Handlungsunfähigkeit oder sogar Handlungsverweigerung der Bundesregierung, Land und Leute zu schützen und also Überblick über jene zu behalten, die sich hier illegal aufhalten. Nein, die WamS sagt es auch mit Verspätung nicht in dieser Deutlichkeit.

Konkret hatte der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert von der AfD besagte kleine Anfrage gestellt und die Antwort der Bundesregierung wohl vorab der WamS gegeben, die jedenfalls aus dem noch unveröffentlichten Papier berichtete. Hierzu muss man wissen, dass die Fragesteller die Antwort der Bundesregierung schon ein paar Tage vor Veröffentlichung bekommen, was beispielsweise auch bei der Partei Die Linke nicht etwa nur dazu genutzt wird, die Antworten in Ruhe auszuwerten. Nein, diese Zeitspanne bis zur Veröffentlichung nutzen Linke wie AfD nicht selten dazu, sich einen Medienpartner zu suchen, dem sie die zu dem Zeitpunkt unveröffentlichte Antwort der Bundesregierung exklusiv überlassen, was auch immer man sich davon verspricht.

Fast 30.000 Asylbewerber, die Deutschland seit 2012 mehr oder weniger freiwillig verlassen haben oder per Abschiebung verlassen mussten, sind also wieder zurück und haben erneut Asylantrag gestellt. Fast 5.000 dieser Personen sind darunter, die bereits mehr als einmal wieder eingereist sind. Bei über tausend Personen ist es bereits der vierte Anlauf und immerhin noch über 250 Personen verbuchen für sich fünf oder mehr Einreisen samt Asylantragstellung, Allimentierung und Bearbeitungsaufwand.

Blick zurück - nach vorn
Blackbox KW 47 – Abschiebung erster Klasse
Mit Bekanntwerden der Zahlen meldet sich auch die Politik empört zu Wort. Die Regierung! Nun muss hier mit Fug und Recht von einer Pseudoempörung gesprochen werden, wenn der Bundesinnenminister selbst – ebenso wie beispielsweise seine Parteikollegin Lindholz – sich medienwirksam lautstark zu Wort melden, fast so, als wäre es Horst Seehofer nicht schon vor der Anfrage der AfD möglich gewesen, diese aufrüttelnden Zahlen von seinen Beamten zu erfragen und die Ergebnisse in entsprechendes politisches Handeln umzuwandeln. Schließlich wird es das Innenministerium gewesen sein, welche in seiner Zuständigkeit besagte kleine Anfrage stellvertretend für die Regierung beantworten musste, wenn dort eben die angefragten Zahlen zusammenlaufen. Und vor allem, wenn sie dort seit Jahr und Tag zusammenlaufen, wenn es also erst einer Anfrage eines Abgeordneten des unbeliebten Oppositionsführers bedarf, hier so etwas, wie ein Staatsversagen öffentlich zu machen.

Bevor wir hier weiter ins Detail gehen, muss vorab eines ganz deutlich benannt werden, was in dieser Debatte vernachlässigt wurde und wird: Es ist mitnichten so, dass jede Wiedereinreise und jeder Folgeasylantrag trotz Abschiebung oder freiwillige Ausreise ungesetzlich wäre. Oder kürzer gesagt: Dem Staatsversagen geht eines der Gesetzgebung voraus, wenn – und jetzt wird es konkret – wenn die Fristen der Wiedereinreisesperre lächerlich gering sind. Es ist doch geradezu empörend, wenn ins Herkunftsland Abgeschobene schon nach ein bis drei Jahren wieder einreisen dürfen, als wäre nichts gewesen und wenn Dublin-Abgeschobene nach sechs Monaten wiederkommen dürfen! Die Welt am Sonntag berichtet davon, dass, wer freiwillig ausreist, sogar überhaupt keine Widereinreisesperre erhält.

Welchem Missbrauch das Tür und Tor öffnet, kann sich jeder selbst ausmalen. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die mutmaßliche Motivation der sowieso schon geringen Zahlen der freiwillig Ausreisenden samt Abschiedsgeld eben für diese freiwillige Ausreise, die doch aber an keinerlei Wiedereinreisestoppsfristen gebunden scheint.

Zusammenfassend: Die Empörung – inklusive der gespielten des Bundesinnenministers – ist zu relativieren, wenn viele der fast 30.000 Wiedereinreisen völlig gesetzeskonform ablaufen, jedenfalls, wenn wir es wie die Bundesregierung machen und die Dublin-Reglung einfach Dublin sein lassen, wenn also alle diese Fälle so behandelt werden, als hätte die Bundesrepublik Deutschland eine 3.714 Kilometer lange EU-Außengrenze, wo es faktisch kein einziger Kilometer ist, der einen Asylantrag in Deutschland überhaupt legalisieren würde.

Und wo ist die Lösung?
BAMF warnt vor Altersarmut von Migranten
Nun könnte man sagen, es wäre bei den aktuellen Zahlen jährlicher Massenzuwanderung sowieso schon unerheblich, wenn offiziell 2019 bisher 3.243 Rückkehrer erneut einen Asylantrag gestellt hätten, wo doch allein über das UN-Resettlement-Abkommen mit Deutschland mehr Migranten einreisen: Aber wo will man hier die Grenze des Zumutbaren ziehen und welche Kosten verursachen alleine diese 3.243 Personen Monat für Monat den Steuerzahler?

Die Welt Am Sonntag hat sich über die Antwort der Bundesregierung auf besagte kleine Anfrage hinaus in „Behördenkreisen“ umgehört und will in Erfahrung gebracht haben, dass die Zahl der knapp 30.000 Wiedereinreisenden jene nicht einmal mitzählt, die „unbekannt verzogen“ sind, die also untergetaucht – „Behördenkontakt abgebrochen“ – oder unangemeldet in ein anderes Land als Deutschland umgezogen ist.

Und wir sind noch lange nicht fertig mit der Relativierung der 30.000, wenn hier auch jene keine Erwähnung finden, die irgendwann einmal mit einem – möglicherweise befristeten – Arbeits- oder Familienvisum kamen und dann kriminell wurden. Wenn also Ausländer ausgereist sind, die bisher mit dem Asylsystem nichts zu tun hatten, sich bei Wiedereinreise aber als asylsuchend melden. Der abgeschobene kriminelle Clan-Chef Miri ist hier übrigens auch nicht erfasst.

Wie viele der 30.000 Wiedereingereisten tatsächlich zum Zeitpunkt ihrer erneuten Wiederkehr überhaupt eine Einreisesperre hatten, ist nicht bekannt. Diejenigen sollen nun jedenfalls nach Willem des Bundesinnenministers für ihre Asylprüfung in Haft genommen werden. Aber in welche dafür explizit vorgesehenen und in der entsprechenden Zahl verfügbaren Haftanstalten oder Haftunterbringungen? Bisher, so schreibt wieder die Welt am Sonntag, ist dieses „nur für wenige Monate möglich, oft erfolgte gar keine Festnahme.“

Wer würde ernsthaft glauben, da würde sich etwas ändern, wenn sich seit 2012 nichts geändert hat und wenn es überhaupt erst einer Anfrage im Deutschen Bundestag bedarf, dass sich der Bundesinnenminister stellvertretend für die Bundesregierung und gewissermaßen unter Zwang – die Beantwortung der Kleinen Anfragen ist verpflichtend! –  einmal bequemt, seine Beamten ein paar Zahlenkolonnen sortieren zu lassen, als hätte es dafür aus eigenem Antrieb in den letzten sieben Jahren keinerlei Veranlassung und also auch keinerlei Handlungsbedarf gegeben?

Anzeige
Die mobile Version verlassen