Tichys Einblick
IdeenCamp und Meet&Greet

1001 Wege in die Sozialsysteme: Arbeitsagentur treibt Mitarbeiter „an den Rand des Wahnsinns“

Die Rede ist hier von einer Liste der Bundesarbeitsagentur über alle möglichen Konstellationen von Aufenthaltstiteln, mit denen SGB II Leistungen bezogen werden können, und welche TE hier exklusiv vorliegt.

© Miguel Villagran/Getty Image

Wer regelmäßig TE liest, der wird sich vielleicht erinnern: Die Bundesagentur für Arbeit steht nicht zum ersten Mal im Fokus unserer Berichterstattung, wenn beispielsweise in den einzelnen Agenturen via Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung ein teilweise auf Comic-Basis beruhendes Befragungssystem noch die letzte Kompetenz aus Zuwanderern herauskitzeln soll, um so doch noch irgendwie die Mär von den zugewanderten Facharbeitern zu konstruieren. Und wenn der Kesselflicker so zum Facharbeiter für Metallverarbeitung oder gar zum Werkzeugmacher hochgeschrieben und nachträglich entsprechend zertifiziert wird. Oder wenn, wie wir bereits im August 2017 berichtet hatten, Mitarbeiter im Jobcenter zu einer Kooperation mit dem Verfassungsschutz angehalten wurden, wenn es darum geht, über beschwichtigend „Sensibilisierungsgespräche“ genannte Treffen Hinweise beispielsweise über des Reichsbürgertums verdächtige Besucher der Agentur zu geben.

Wir wollen dabei allerdings nicht vergessen, dass in diesen Arbeitsagenturen Personen tätig sind, Deutsche, die oft ganz und gar nicht einverstanden sind mit dem, was dort vor sich geht, die aber an Anweisungen von oben gebunden sind und darüber nicht selten verzweifeln können, wenn uns ein Mitarbeiter einer Arbeitsagentur anonym mitteilt, dass ihn manche „Entscheidungen an den Rand des Wahnsinns treiben.“

So bekamen Mitarbeiter einer Arbeitsagentur Post im „Weihnachtsbrief 2019“, dem einleitend ein Zitat von Einstein vorangestellt war: „Es gibt nur einen Weg, um Fehler zu vermeiden. Keine Ideen mehr zu haben.“ Bitte merken Sie sich dieses Zitat für den Moment, denn Ideenreichtum wird neben Nerven wie Drahtseile der zwingend notwendige Schlüssel sein, wenn Mitarbeiter der Arbeitsagentur aus einer Liste von über fünfzig Aufenthaltstiteln auswählen sollen, wenn es darum geht, Ausländern Arbeitslosengeld II zu genehmigen – dazu wie gesagt gleich ausführlicher.

Eine Weihnachtsbotschaft 2019 an die Mitarbeiter der Arbeitsagentur im Sound eines Stuhlkreises der evangelischen Kirche angemischt mit modernen Formen der internen Unternehmenskommunikation, in der es da heißt:

»2020 wollen wir neue Wege und Ansätze finden, eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden sowie anderen Partnerinnen und Partnern zu etablieren. Dazu werden wir mit BEA im Rahmen des Bundesprogramms rehapro starten und voraussichtlich auch mit einem weiteren Beratungsprojekt namens „Miteinander“. Darüber hinaus verspreche ich mir neue Ansätze vom IdeenCamp, für das wir am 1. Februar 2020 unsere Türen öffnen. Ich danke Ihnen für Ihre gute Arbeit in diesem Jahr und blicke sehr positiv in die Zukunft, in der wir unseren Teil dazu beitragen, den Sozialstaat neu aufzustellen.«

Eine „gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ also mit Hartz4-Empfängern, von denen bald über 50 Prozent Migranten sind, ein Beratungsprojekt namens „Miteinander“, die Aufforderung, den „Sozialstaat neu aufzustellen“ und ein IdeenCamp (ja, auch hier findet sich diese so progressive Binnenversalie, wahrscheinlich geboren im Cappucinobereich trendiger Werbeagenturen). Dieses IdeenCamp ist ein Spaß für sich, wenn zunächst zum Mittagessen, zu kalten und heißen Getränken eingeladen wird nebst Kinderbetreuung. Und wenn Agentur-Mitarbeiter von Vorgesetzten animiert werden, hier auch privat zu erscheinen. Und selbstverständlich werden solche Meet & Greet-Veranstaltungen mit „Kunden“ und anderen Gästen nicht vom Amt selbst moderiert, das erledigt eine weitere private Trendagentur wie in diesem Falle eine SHS-Consult, die sich nach Selbstdarstellung im Internet „als qualifizierte Berater für eine nachhaltige Gestaltung von Veränderungen“ zuständig fühlen und die ihre Tätigkeiten schon von Daimler bis Bertelsmann und vom Jobcenter Herford bis zur Volkshochschule und der Stadt Potsdam an die Frau, den Mann und Divers gebracht haben.

Aber kommen wir zur Liste der Aufenthaltstitel, die eine Arbeitslosengeld II (Hartz4) Zahlung für Ausländer möglich machen und die unser Kontakt in der Arbeitsagentur „eine Liste der Kapitulation“ nennt. Die Rede ist von einer Liste der Bundesarbeitsagentur über alle möglichen Konstellationen von Aufenthaltstiteln, mit denen SGB II Leistungen bezogen werden können, und welche TE hier exklusiv vorliegt.

Auch wenn es dem Lesefluss sicher abträglich ist, sollen hier einmal einige der aktuellen Möglichkeiten in Deutschland gemäß Aufenthaltsgesetz mit einem der vielen Aufenthaltstitel, Leistungen zu beziehen ohne je eingezahlt zu haben, aufgelistet werden:

Wer also als Migrant nach Deutschland kommt, um hier Leistungen zu beziehen, ohne selbst zu arbeiten, mit wenig Arbeit und ohne je einen Euro eingezahlt zu haben, dem steht eine überaus umfangreicher – nennen wir es despektierlich: – Kostümverleih zur Verfügung, diese Leistungen auch zu erhalten.

Oder kürzer gesagt: So jemand muss sich schon besonders dumm anstellen, wenn es ihm nicht gelingt, für sich glaubwürdig eine dieser über fünfzig attraktiven Eintrittskarten in das deutsche Rundumsorglospaket zu lösen.

Aber keine Sorge: Wem es dennoch nicht gelingt, dem bleiben dann immer noch Heere von deutschen Rechtsanwälten, die in vielen Fällen eine immer noch nicht genutzte Lücke ausfindig machen können. Die Entlohnung dieser Anwälte – auch darüber habt TE schon berichtet – geschieht oft als moderate Abzahlung, hier macht halt die Masse den Gewinn, da ist es verschmerzbar, sollte jemand säumig werden.

Festzustellen bleibt: Die Mitarbeiter in den deutschen Arbeitsagenturen und was ihnen abverlangt wird, wurde auch hier bei TE viel zu wenig gewürdigt. Möglicherweise könnte es helfen, sich einmal an die Stelle dieser Mitarbeiter zu denken, beispielsweise wenn es in der Freizeit zum Gratis-Mittagessen ins IdeenCamp geht und dort zum zwanglosen Meet&Greet mit der Klientel, die man tagsüber gemäß der ellenlange Liste zu neuen Empfängern macht – ein IdeenCamp, professionell moderiert von privaten Kommunikations-Unternehmen, die vom Amt zugekauft werden.

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