Gehören sie zu den Menschen, die viel Sex haben? Falls ja, Gratulation. Sie machen offenbar etwas richtig. Vielleicht haben sie ja diese besondere Anziehungskraft. Vielleicht sind sie optisch ein Clooney, oder, die zeitgenössische Variante, ein Kaulitz von Tokio Hotel. Als Frau gleichen sie einer Jennifer Lawrence. Vielleicht haben sie ordentlich Kohle. Sind besonders kompetent unter den Bettlaken. Oder talentiert auf dem Gebiet des Süssholzraspelns.
Wahrscheinlich sind sie aber all das nicht. Und ihr Fortpflanzungserfolg beruht einzig auf ihren anti-sozialen Charakterzügen – sie manipulieren und mobben ihre Wunschpartner, damit sie mit ihnen den Akt vollziehen. Denn: Mobber haben mehr Sex.
Das haben Wissenschaftler der University of Windsor in Kanada vergangenes Jahr herausgefunden. „Individuen mit anti-sozialen Persönlichkeitsmerkmalen sind eher bereit für Mobbing, was wiederum ihre sexuellen Möglichkeiten erhöht“, heißt es in der Studie. Und: Sie würden nicht nur eher Mobbing-Taktiken einsetzen auf der Suche nach Sexualpartnern – sie haben auch mehr Sex als die ehrlicheren und bescheideneren Individuen. Die Untersuchung, die die Wissenschaftler im Magazin „Evolutionary Psychological Science“ publizierten, wurde zwar an Jugendlichen durchgeführt, sie lässt sich aber meines Erachtens problemlos auf Erwachsene stülpen.
Für die Studie rekrutierte das Wissenschaftsteam 144 Personen um die 18 Jahre und 396 zwischen 14 und 15 Jahren. Die Teilnehmer mussten Fragen zu ihrer Persönlichkeit beantworten, etwa zur Zusammenarbeit mit Mitmenschen, ob sie eine Tendenz haben, andere auszunützen, und wie bescheiden sie sind. Jene Personen mit niedriger Punktzahl bei Faktoren wie ‚Ehrlichkeit-Bescheidenheit‘ wurden als Mobber betrachtet, die andere auf verschiedene Arten manipulieren können, um mehr Sexualpartner zu bekommen. „Unsere Forschungsergebnisse suggerieren indirekt, dass ausbeuterische Jugendliche tendenziell mehr Sexualpartner haben, wenn sie strategisch imstande sind, ausbeutendes Verhalten wie Mobbing zu benützen, um auf schwächere Individuen zu zielen“, so Studienautor Daniel Provenzano laut Businessinsider.com. „Sie können Mobbing einsetzen als einen Weg um zu zeigen, dass sie stark und dominant sind.“
Ich bin immer wieder dankbar, dass der Blick auf wesentliche Dinge gelenkt wird. Leute mit niederträchtigem Verhalten haben also mehr Sex als die Netten – würde Darwin davon Wind bekommen, er würde sich im Grab umdrehen.
Evolutionsbiologisch macht das nämlich wenig Sinn, und zwar aus Sicht der Frauen: Warum sollte sich Frauen mit Typen einlassen, deren Benehmen manipulativ, ausbeuterisch und mobbend ist? Für die Aufzucht der Nachkommenschaft wäre das masslos kontraproduktiv. Und für die Menschheit ein Desaster. Oder doch nicht? Ist unsere Gesellschaft, so wie sie ist, vielleicht eine Konsequenz eben dieses Verhaltens?
Das Problem beim Sex ist ja, dass eigentlich jeder zu wenig davon hat, egal ob Mann oder Frau. Keiner stellt seine Gesamtperformance in Frage, weil er – frei nach Sheldon Cooper – den Koitus zu ausgiebig vollzieht. Nur sind die Gründe hinter den Geschlechtern unterschiedlich, und hier liegt die Knacknuss: Während die Frau vor dem Akt tagelange romantische Einstimmung benötigt inklusive Duftkerzen, Veggie Risotto, korrektes Einräumen der Geschirrspülmaschine und Fussreflexzonen-Massage, braucht der Mann einfach … na ja, es reicht, ein Mann zu sein. Das niederschlagende Resultat ist dann, dass ihm ihre Wünsche oft zu arbeitsintensiv sind, sie aber keinen Quickie will – und man am Schluss ganz ohne Sex endet.
Außer eben, man ist ein Mobber. Duftkerzen ade. Und darum sollten wir diese Leute, die mit ihrem blühenden Sexleben prahlen, gesellschaftlich vollkommen neu beurteilen. Denn der Reproduktionserfolg scheint kein gutes Zeichen zu sein, diese Menschen stehen offenbar nicht für eine besondere Anziehungskraft, Attraktivität, einen tollen Charakter, Charme, Macht, Geld, gute Partie, all das. Einfühlsame Zuhörer? Pustekuchen! Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind das einfach nur manipulative Mistkerle.
Jetzt ist es eben so. Ob aber die Asozialen den besseren Sex haben, das ist die andere Frage.