Frauen sind wunderbare Wesen. Sie sind unermüdlich einfühlsam, können stundenlang zuhören, bei geschlechtsspezifischen Problemen sind sie im Stande, diese so lange zu analysieren, bis sie sich von alleine lösen, sie geben sich gegenseitig Halt. Und weil sie beim Sprechen rund 20.000 Wörter pro Tag benützen – Männer 7.000 – gehen Frauen schwungvoll kommunikativ durchs Leben. Clint Eastwood sagte einst: „Wenn eine Frau nicht spricht, soll man sie auf keinen Fall unterbrechen.“
Und dann gibt es noch ……. die andere Seite.
Die schwangere Herzogin Kate trug vergangenen Sonntag an der Bafta-Verleihung ein dunkelgrünes Kleid. Du liebe Güte. Schwarz wäre gewünscht gewesen, zumindest von der Feministen-Front, denn die Veranstaltung stand im Zeichen der „Time’s Up“-Initiative, als Protest gegen sexuelle Übergriffe in der Filmindustrie und die ungleiche Bezahlung bei den Geschlechtern. Die meisten Schauspielerinnen erschienen solidarisch in schwarz. Statt sich dem „Time’s Up“-Protokoll zu beugen, entschied sich Kate für das royale Protokoll: Die Tradition verlangt von Mitgliedern des Königshauses, politische Botschaften zu vermeiden.
Viele Frauen reagierten im Internet empört, warfen Kate vor, ihre Sache zu verraten. Journalistin Rachel McGrath twitterte: „Ich bin mir bewusst, dass die Royals nicht in ‚Proteste‘ involviert werden sollten… aber wäre es für Kate Middleton wirklich SO schlimm gewesen, schwarz zu tragen??? Ich fühle mich im Stich gelassen.“ Nikki Long schrieb: „Enttäuscht von Kate Middleton […]. Das ist keine politische Sache. Es ist eine Frauensache!“ Andere fanden, Kate sollte sich schämen, im grünen Kleid in der ersten Reihe zu sitzen, wenn sie ihre Unterstützung für Frauen nicht zeigen will, sollte sie zuhause bleiben. Dass die 36-jährige lediglich von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machte, sich so zu kleiden, wie sie möchte, haben die Damen in ihrer Dauerempörung vergessen. Man wird den Eindruck nicht los, dass es vielen mit ihrer Aburteilung gar nicht um die fehlende Solidarität ging, sondern um Kate-Bashing.
Generell scheint Kritik an Frauen häufig von Frauen zu kommen – hinter der Fassade der angeblichen Frauensolidarität steckt oftmals unbegründete Negativität und Grobheit gegenüber den Geschlechtsgenossinnen.
Dass Frauen ihre eigenen größten Nörgler und Kritiker sind, ist für mich persönlich nichts Neues. Seit ich im Berufsleben stehe, erlebe ich die bissigste Negativität von Vertreterinnen des eigenen Geschlechts. Neu daran ist höchstens, dass die sexistischsten Seitenhiebe im 21. Jahrhundert ausgerechnet von jenen Frauen stammen, die angeblich gegen Sexismus ankämpfen. Ein lustiges Beispiel lieferte neulich eine bekannte Basler Politikerin, die mich in ihrem Leserbrief als ein „modisches Vorzeigeweibchen mit Wallemähne“ beschrieb, ein „Männertraum der alten Art“, ich sei bestimmt nicht von jenem Sexismus betroffen, den „Businessfrauen erleben müssen.“ Frauen entscheiden also, welche Frauen von Sexismus betroffen sind und welche nicht – und wenn es ihrer Sache dient, bedienen sie sich desselben, ohne auch nur mit der getuschten Wimper zu zucken (aber garantiert mit lebhaft getönten Bäckchen).
Der Begriff „verdrehte Schwesternschaft“ umschreibt es ganz gut, leider stammt er nicht von mir. Vor einigen Jahren hat die Autorin Kelly Valen in ihrem viel beachteten Buch „The Twisted Sisterhood“ das Verhalten von Frauen gegenüber anderen Frauen untersucht. Das Resultat der Erhebung, für die sie über 3.000 Frauen befragte, war ernüchternd: Fast 90% der befragten Frauen empfanden, dass „Strömungen von Gemeinheit und Negativität von anderen Frauen ausgehen“. 84% gaben an, dass sie durch andere Frauen ernsthafte, lebensverändernde Seitenhiebe erlitten hatten. Die weibliche Freundschaft sei charakterisiert durch eine hinterhältige, „willkürliche Negativität“. Über 75% sagten, dass sie schon durch Eifersucht oder Konkurrenz anderer Frauen verletzt wurden.
Autorin Valen erklärte in der britischen Zeitung Guardian, dass die Kämpfe, die unter der Oberfläche brodeln, so erbarmungslos sind, dass Frauen sich untereinander unsicher fühlen: „Sie haben richtigerweise identifiziert, dass die primäre Bedrohung ihrer emotionalen Sicherheit von Frauen ausgeht.“ Und in vielen Fällen würden diese Kämpfe von genau jenen Frauen geführt, die ständig Loblieder auf Feminismus und Frauenpower singen. Oprah Winfrey und Arianna Huffington lobten Valen’s Mut und empfahlen das Buch zum Lesen.
„The Twisted Sisterhood“ folgte auf einen Essay, den Valen 2007 in der New York Times publizierte und darin ihre Theorie, dass Frauen die Co-Architekten ihrer eigenen Unzufriedenheit sind, erstmals äußerte. Dafür wurde sie auf feministischen Webseiten regelrecht fertiggemacht, als illoyal und verräterisch gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen abgekanzelt. Insbesondere weibliche Akademikerinnen und feministische Bloggerinnen hätten mit Wut reagiert: „Ich war anti-Frauen, eine weibliche Frauenhasserin und offensichtlich eine schlechte Mutter.“ Laut Guardian unterstützten namhafte Psychotherapeutinnen Valen’s Theorie und fügten bei, dass hinter dem Vorhang der Schwesternschaft eine Vielzahl von emotionalem Gewirr läge, das mit unserer Gesundheit und der Qualität unserer Leben verheerende Schäden anrichten könne.
Valen hatte für ihre Studie keine Männer befragt. Man könnte ihr also unterstellen, das Resultat sei verfälscht, weil es nicht zeigt, ob dasselbe Verhalten nicht auch unter Männern existiert und sie einfach menschliche Charakterzüge grundsätzlich beschreibt. Eine größere Studie der US-Fernsehsendung Today Show in Zusammenarbeit mit dem Self Magazine von 2011 kam aber zum selben Ergebnis: In der Online-Befragung, die mit 18.000 Frauen durchgeführt wurde, gaben 84% der Frauen an, eine „giftige“ Freundin gehabt zu haben, die ihnen mit ihrem hinterhältigen Benehmen das Leben schwergemacht hatte.
Wenn Hollywoodstars in sündhaft teure Roben steigen und durch deren Farbwahl glauben, menschliches Verhalten beeinflussen zu können, dann sollen sie das tun. Sie können schwarz tragen all day long, niemand hat etwas dagegen. Wenn Feministinnen täglich neue Hashtags ins Leben rufen und den Rest der Welt zum Mitmachen animieren wollen – heute sollst du schwarz tragen, morgen hüpfend über den roten Teppich springen – dann sollen sie das tun. Und auch wenn sie dabei das Paradox ihrer eigenen Hashtags nicht erkennen – die einerseits jedes Mal aufs Neue die Opferrolle der Frau unterstreichen sollen, wenn es anderseits Tatsache ist, dass eine einzige Frau heute aufgrund einer einzigen Behauptung das Leben eines Mannes innert Kürze zerstören kann, sie also scheinbar doch nicht so hilflos ist, wie von den Hashtag-Erfinderinnen stets dargestellt – dann ist auch das kein Allerwelts-Drama.
Wenn aber Frauen, die ihr eigenes Ding durchziehen und sich dem Gruppenzwang nicht beugen, von anderen Frauen wie Verräterinnen behandelt und aus Schwestern übergangslos Feinde werden, dann ist dieser weibliche Aktivismus grundsätzlich ungesund für die Gesellschaft. Nur weil sie andere Ansichten haben oder passiv bleiben, sind sie nicht Anti-Frau, auch nicht für Lohnungleichheit oder in Akzeptanz von sexueller Belästigung. Die Damen faseln zwar von Frauensolidarität, aber das Wort „Gleichschritt“ wäre passender, weil ihr Verhalten näher bei diktatorischer Unterdrückung liegt als bei femininer Unterstützung. Das honigsüße Miteinander unter Frauen – es bleibt jedenfalls eine Mär.