Tichys Einblick
Period Poverty

Das Leben ist ungerecht

Wenn ein Staat Hygieneartikel für Frauen gratis abgibt, ist das eine bevorzugte Behandlung gegenüber Gruppen wie Männern oder Senioren. Auch sie leiden unter geringem Einkommen und benützen manche Hygieneprodukte unfreiwillig, bekommen sie aber nicht umsonst.

A general view of atmosphere as THINX lights up the Brooklyn Bridge and UN Secretariat Building to draw attention to period poverty on March 8, 2018 in New York City.

Andrew Toth/Getty Images for THINX

Man stösst ja immer wieder auf kuriose Dinge aus aller Welt, durch die man ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse einer Gesellschaft bekommt. Mein neustes Fundstück ist „period poverty“. Der Begriff entstammt feministischen Kreisen und heisst so viel wie Periodenarmut, davon ist laut einer Studie jede fünfte Frau in Schottland betroffen: Sie können sich Binden und Tampons nicht leisten. Dass der Staat die Hygieneartikel für die Damenwelt deshalb zu 100% sponsern soll, ist für viele die logische Konsequenz.

Und so stellen laut BBC News in Schottland Schulen und Universitäten seit kurzem kostenlose Tampons und Binden bereit. In einigen Städten gibt’s neu auch in öffentlichen Gebäuden Automaten, wo alle Frauen die Hygieneartikel umsonst beziehen können. Ziel der Labour Party-Politikerin Monica Lennon ist ein kostenloses Angebot im ganzen Land. „Perioden-Produkte sollten ein Recht sein, unabhängig vom Einkommen“, so Lennon. Die schottische Regierung stellt dafür etwa 5 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein Tampons-Geschenk kommt einer Frau gewiss entgegen. Eine Packung Tampons kostet etwa 4.50 Euro, Binden 13.80, macht aufs Jahr grosszügig gerechnet circa 250 Euro. Da ein Land wie Schottland wahrscheinlich keine anderen Probleme hat – abgesehen von der Wirtschaft, die nicht so tut, wie sie soll, einer kriselnden Finanzindustrie, einem Ölpreis, der sich seit 2014 halbiert hat oder stark gesunkene staatliche Ölindustrie-Einnahmen – können Politikerinnen die Hygieneartikel zweifellos zur prioritären Knacknuss erklären. Und geht man davon aus, dass Damen, die sich keine Tampons leisten können, mit dem wenigen Geld ganz, ganz bestimmt auch keine überflüssigen Dinge wie Zigaretten oder Alkohol kaufen, macht die Unterstützung vielleicht noch Sinn. Es gäbe da ja noch unzählige andere Zwangs-Produkte, denen wir Frauen unterworfen sind und wo ein staatlicher Zustupf helfen könnte: Kleenex. Wegwerfrasierer. Bodylotion. Haarshampoo. Duschgel. Watte?

Statt der kostenlosen Verteilung von Tampons und Binden existiert noch eine Zwischenlösung, nämlich die Mehrwertsteuer auf diese Hygieneartikel zu senken. Australien hat jüngst beschlossen, die Zusatzsteuer auf Frauen-Hygieneprodukte in Höhe von zehn Prozent auf Ende Jahr abzuschaffen. Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, hatten Frauen 18 Jahre lang gegen die Steuer protestiert, den Hashtag #tampontax ins Leben gerufen, sich blutige Binden auf die Stirn geklebt oder Schilder durch die Strassen getragen mit der Aufschrift „Ich blute auf den Kapitalismus“. Auch in Deutschland, wo Damenhygieneartikel mit 19 Prozent versteuert werden, hagelt es schon lange Proteste. Auf der Petitionsseite von #BloodyLuxuryTax stehen Sätze wie „Ich blute. Deutschland profitiert“ oder „Ich blute für mein Land“. Eine andere Petition schreibt von einer „fiskalischen Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts“.

Wegen „eindeutiger Diskriminierung“ gegenüber Frauen reichte in der Schweiz die Sozialdemokratische Partei 2016 eine Motion für einen tieferen Mehrwertsteuersatz auf Tampons, Binden und Windeln ein. Der Schweizer Bundesrat beantragte deren Ablehnung, die vom Nationalrat bestätigt wurde: „Es liegt keine Diskriminierung vor, wenn nur ein Teil der Bevölkerung solche Produkte benötigt.“ Sonst müssten auch Käufer von Brillen oder Schuheinlagen als diskriminiert gelten.

Auf jeden Fall wird die Gratisabgabe in Schottland die Feministen freuen, Männerrechtler sind vermutlich weniger amused, denn auch Männer leiden unter geringem Einkommen, auch sie benützen manche Hygieneartikel unfreiwillig, bekommen sie aber nicht umsonst. Und was Senioren davon halten, angesichts ihrer oft prekären finanziellen Lage und der sich aufdrängenden Frage, warum diese Gruppe nicht auch das „Recht“ auf Hygieneartikel wie Slipeinlagen, Inkontinenzhose oder Urinbeutel haben soll, und der Staat auch ihnen unter die gebrechlichen Arme greifen könnte, ist nicht überliefert.

Dem femininen Vorsatz haftet halt wiedermal ein Anspruchsdenken an: Die Welt schuldet mir etwas, weil ich eine Frau bin. Ich erbringe mit dem Kinderkriegen einen Dienst an der Menschheit, und der soll auch vergütet werden. Die Gratisaktion verleitet zu der Theorie, dass die Zuwendung der Wohlstandsgesellschaft vermehrt auf die Ansprüche der Damenwelt fokussiert – während sie die Frau gleichzeitig zur Hauptleidtragenden eines ungerechten Lebens erklärt.

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