Tichys Einblick
Zukunft der Ernährung – Gespräch Teil 1

„Spitzensportler“ Kühe: Warum Tiere so wichtig für die Landwirtschaft sind

Unter dem Vorwand, Kühe seien Klimakiller, sollen in Holland 3.000 Bauernhöfe dichtgemacht, die Landwirte von ihren Höfen vertrieben werden. Dabei sind Kühe Spitzensportler unter den landwirtschaftlichen Nutztieren, erklärt Professor Wilhelm Windisch im ersten Teil des Gesprächs, in dem es um die Zukunft der Ernährung geht.

IMAGO / Sylvio Dittrich

Fleisch geht nicht mehr – sagen die einen. Es hat uns schon immer ernährt – sagen die anderen. Klar ist: Ohne Tiere in der Landwirtschaft geht es nicht. Immerhin kann man auf 30 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland nichts für uns Menschen Essbares anbauen.

Wilhelm Windisch hatte den Lehrstuhl für Tierernährung am Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt der Technischen Universität München (TUM) inne. Er räumt unter anderem mit der Behauptung auf, dass ohne Tiere ein Anbau möglich ist. Auch Bio-Anbau ist ohne Tiere und ihre Hinterlassenschaften nicht denkbar.

Ein Gespräch mit ihm über Kreisläufe in der Natur und eine sich abzeichnende Knappheit an Lebensmitteln. In dieser Situation ist es sehr erstaunlich, dass in Europa eine Diskussion darüber geführt wird, die landwirtschaftliche Produktion einzuschränken oder vollständig aufzuheben. Unter dem Vorwand, Kühe seien im Augenblick Klimakiller, sollen in Holland beispielsweise 3.000 Bauernhöfe dichtgemacht, die Landwirte wie in der DDR mit Gewalt von ihren Höfen vertrieben werden.

Um die Zukunft der Ernährung geht es in einem ausführlichen Gespräch, das wir mit Professor Wilhelm Windisch geführt haben.

Holger Douglas: Herr Windisch, an Sie als Professor, der sich intensiv mit Tierernährung und Leistungsphysiologie beschäftigt hat, zunächst die Frage: Wie ernährt man denn Tiere eigentlich richtig?

Wilhelm Windisch: Da geht es ganz einfach darum, dass man dem Tier, genauso wie dem Menschen auch, ausreichende Mengen an Nährstoffen zur Verfügung stellt über die Nahrung; also zum Beispiel an Eiweiß, an Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen, den Bedarf an Kilokalorien, dass man den in Einklang bringt mit dem, was über die Nahrung in den Körper hineinkommt. Ich muss die Nahrungszusammensetzung beurteilen, die Nahrungsmenge und die Qualität der Nährstoffe in dieser Nahrung.

Ernährung ist etwas anderes als Autofahren: Wenn man viel Gas gibt, dann fährt das Auto schnell und verbraucht viel Sprit. Und so stellen sich viele Leute die Ernährung von Tieren vor. Das ist nicht so: Eine Kuh, die eine hohe Leistung hat – die will diese Leistung geben. Der Stoffwechsel verlangt dann entsprechend viele Nährstoffe. Es ist wie ein Auto, das eine fest eingestellte Drehzahl hat. Und Sie müssen dafür Sorge tragen, dass genügend Sprit kommt. Sonst wird das Tier krank oder der Stoffwechsel entgleist.

Was muss die Kuh denn an Höchstleistung bringen? Wo findet die statt bei der Kuh?

Kühe sind Spitzensportler unter den landwirtschaftlichen Nutztieren – so wie zum Beispiel Legehennen oder Zuchtsauen, die 14, 15, 16 Ferkel haben –, die eine große Menge an Milch produzieren müssen. Wenn man sich mal vorstellt, wie viel denn allein schon eine Menschenmutter, wenn sie ihr Baby stillt, wie viele zusätzliche Nährstoffe sie braucht und wie viele Kilokalorien, dann sind es allein schon von den Kilokalorien etwa 50 Prozent mehr als das, was die Frau ohne Kind braucht.

Bei einer Milchkuh ist es etwa das Dreifache, Vierfache dessen, was sie gegenüber dem normalen Haltungsbedarf benötigt und umsetzen muss. Das ist absolute Spitzenleistung. Wenn man es mit dem Sport vergleicht: Ein Radrennfahrer, der die Tour de France fährt und die Bergetappe, also die schwierigsten Etappen, macht, dann kommt er vielleicht gerade mal auf eine Verdoppelung seines normalen Energieumsatzes. Dann ist er immer noch weit unterhalb von dem, was eine ganz normale Milchkuh leistet. Selbst eine Mutter, die ihr Kind stillt, ist schon eine Spitzensportlerin. Für die Kuh heißt es natürlich, dass sie eine große Leistung vollbringen muss. Wir als Ernährer müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch entsprechend gut ernährt wird. Sonst würde das Tier Schaden nehmen oder auch krank werden.

Also insofern ist es eine gewisse Belastung für das Tier. Aber auf der anderen Seite ist es etwas, was wir eigentlich schon immer getan haben mit der Züchtung. Wir haben die Tiere zu hohen Leistungen gezüchtet, um viele Lebensmittel zu bekommen. Das ist der Zielkonflikt, in dem wir stehen. Wir haben natürlich dann auch die Verantwortung, uns darum zu kümmern, dass die Tiere ordentlich gehalten und sehr gut ernährt werden.

Da kommt ja gleich die Frage auf: Ist das denn noch gut für die Kühe? ‚Hochleistungskühe‘ heißt das Stichwort.

Auch in der Natur gibt es Konstellationen, in denen die Tiere eine starke Belastungssituation haben. Also zum Beispiel bei der Milchproduktion: Um Nachkommen vom Neugeborenen bis zu einem einigermaßen selbständigen Wesen zu bringen, das ist immer eine große Belastung – auch unter natürlichen Verhältnissen. Das sind dann auch oftmals kritische Situationen im Leben von Wildtieren.

Die leben ja meistens auch nicht so lange wie zahm gehaltene Haus- und Nutztiere oder Tiere im Zoo.

Das ist richtig. Die Lebensdauer eines landwirtschaftlichen Nutztieres kann sehr lange sein, muss aber nicht sein. Es hängt von der Haltung ab. Die Tiere können in der Haltung sehr alt werden, wesentlich älter als in der Natur. Aber es ist schon so, dass in einer Landwirtschaft, in der es hauptsächlich um Produktion geht, die Tiere relativ rasch ausgetauscht werden. Das sind dann schon Kritikpunkte, an denen man in Zukunft ansetzen kann.

Es ist erstaunlich: Die Landwirtschaft hat heute ein so hohes Niveau erreicht, dass zumindest hierzulande die meisten einigermaßen satt werden. Und da kommt dann gleich die Frage – von satten Bürgern meistens – auf: Können wir uns denn Nutztiere in Zukunft noch leisten? Dürfen wir sie uns leisten? Ist das auch ethisch und moralisch vertretbar?

Also die Frage der Ethik und Moral? Das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich persönlich habe mich dafür entschieden und vertrete das auch, dass es zulässig ist, Tiere zum eigenen Zweck zu benutzen, in dem Fall zum Zwecke der Erzeugung von höchstwertigen Lebensmitteln. Für die Landwirtschaft sind Nutztiere seit Jahrtausenden ein essenzieller Bestandteil. Wir brauchen Nutztiere auch, um eine hohe Produktivität an veganer Nahrung zu bekommen. Das klingt vielleicht widersprüchlich und merkwürdig, liegt aber daran, dass Nutztiere ein zentraler Punkt im Kreislauf von landwirtschaftlicher Biomasse sind.

Das kann man leicht erklären. Sie müssen nur mal aufs Feld rausgehen und dann schauen, wie viel von dem, was Sie da sehen, Sie überhaupt essen können. Dann werden Sie sehen, selbst wenn da viel Getreide steht, dass Sie nur einen kleinen Teil der Biomasse überhaupt essen können. Das geht damit los, dass ein großer Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche absolutes Grasland ist. Grasland, das Sie nicht zum Acker machen können. Im Allgäu etwa oder auch andere ackerreiche Gegenden: Da sind immer wieder Graslandflächen bei, da können Sie keinen Weizen anbauen, weil es zu steil ist, zu steinig, oder es ist ein Überschwemmungsgebiet. Diese Fläche macht schon mal nicht essbare Biomasse, in Deutschland sind das immerhin 30 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Selbst auf dem Acker werden Sie immer eine große Menge an nicht essbarer Biomasse produzieren. Allein schon das Stroh: ein Kilogramm Getreide geerntet – macht mindestens ein Kilogramm Stroh. Dann kann man das Getreide ja in der Regel nicht essen. Man kann vielleicht ein bisschen Vollkornbrot essen, aber man wird immer große Mengen an Mehl machen, und ein Kilo Mehl macht Ihnen automatisch 300, 400 Gramm Kleie. Wenn Sie alles zusammenzählen, dann geht von allen geernteten Produkten – von Getreide, von Kartoffeln, von Zuckerrüben und von Raps und was sie sonst so alles haben – mindestens ein Drittel nicht in die menschliche Ernährung. Das sind die sogenannten Nebenprodukte. Das ist alles nicht essbare Biomasse.

Wir wollen doch alles bio erzeugen, alles soll bio werden. Wir wollen keine mineralischen Stickstoffdünger haben. Das heißt, wir müssen grüne Düngung machen. Eine typische Fruchtfolge besteht aus acht Jahren mit unterschiedlichen Anbaukulturen. Von diesen acht Jahren sind drei Jahre dabei, in denen Kleegras wächst. Das bedeutet: Sie nehmen fast 40 Prozent der Ackerfläche aus der Erzeugung für Veganer heraus. Eine gewaltige Menge. Da wächst nur nicht essbare Biomasse. Wenn man all diese Biomasse zusammenzählt: Wenn Sie ins Geschäft gehen und Sie kaufen ein Kilogramm vegane Nahrung, dann haben Sie mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse mit der Landwirtschaft erzeugt. Und das muss irgendwie wiederverwertet werden. Es muss alles wieder zurück in den landwirtschaftlichen Kreislauf.

Was passiert denn, wenn ein Rind die Gräser frisst? Wir können ja mit unserem Verdauungssystem damit nichts anfangen. Aber was macht die Kuh denn anders? Und wie sieht dann deren Energiebilanz aus?

Kühe, Rinder, aber auch Schafe, Ziegen, sind Wiederkäuer, und Wiederkäuer haben Vormägen. Das ist eine ganz besondere Erfindung der Natur. Die Vormägen enthalten eine Kultur von Mikroorganismen, die in der Lage sind, Fasern abzubauen, zu fermentieren in kleine Moleküle, die von der Kuh aufgenommen werden und dann noch energetisch verwertet werden können.

Die zweite tolle Sache ist, dass diese Mikroorganismen in der Fermentation sich vermehren und damit Eiweiß bilden. Eiweiß aus etwas, was vorher gar kein Eiweiß war, also aus Stickstoffquellen und fermentierbarer Energie. So macht der Pansen aus Fasern Energiequellen, also Kilokalorien für die Kuh und eine Eiweißquelle und das alles gleichzeitig.

Wenn man es mal salopp ausdrückt, ist es so, dass die Kuh eigentlich gar kein Gras frisst, sondern sie füttert ihren Pansen mit Gras. Dieser Pansen wandelt das in hoch verdauliche sogenannte flüchtige Fettsäuren und Eiweiß um, und das frisst dann die Kuh. Daraus macht sie dann zum Beispiel Milcheiweiß.

Es gibt ein schönes Experiment aus den USA aus den 50er Jahren. Da hat man die berühmte Kuh Lorna mit Zeitungspapier und Harnstoff gefüttert, also Zeitungspapier ohne Druckerschwärze natürlich, als Modell für Fasern und Harnstoff, als Modell für eine lösliche Stickstoffverbindung. Harnstoff ist das, was wir an Stickstoff über den Harn ausscheiden, daher der Name. Für Menschen ist er als Nährstoff völlig wertlos. Mit diesem Harnstoff und dem Zeitungspapier machten die Bakterien in den Vorräten dermaßen viel Energie und Eiweiß, dass diese Kuh zwei Jahre lang fast 4000 Kilogramm Milch pro Jahr produziert hat. Das ist die Leistungsfähigkeit des Wiederkäuers. Ja, Sie können sagen: Die Kuh macht veganes Protein, die macht aus Dünger und nicht essbarem Material höchstwertiges Eiweiß.

Und hebt also diese natürlichen Stoffe für uns auf ein höheres Energieniveau, so dass wir uns besser davon ernähren können.

Genau. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Vier Kilogramm nicht essbare Biomasse je Kilogramm vegane Nahrung! Die Kuh macht einen Teil dieser enormen Ressource für den Menschen verwertbar, und sie produziert gleichzeitig hochwertigen Dünger. Diesen hochwertigen Dünger kann der Landwirt nun lagern. Also Mist oder Gülle oder wie auch immer – das kann er lagern und kann diesen Dünger dann im nächsten Jahr punktgenau auf die landwirtschaftliche Kultur bringen, und zwar dann, wenn die nächste Kultur, also zum Beispiel der Weizen, es braucht.

Sie könnten es natürlich auch verrotten lassen; sie könnten alles verrotten lassen, dann würde der landwirtschaftliche Kreislauf auch geschlossen werden. Aber das ist ineffizient, weil die Freisetzung dieser Pflanzennährstoffe irgendwann erfolgt, aber nicht unbedingt dann, wenn es im nächsten Jahr die Kulturpflanze braucht.

Man kann sehr schön zeigen, dass in einer Landwirtschaft, in der man das nur verrotten lässt, nur halb so viel vegane Nahrung geerntet wird, als wenn man einen lagerbaren organischen Dünger hat. Das ist eine Win-Win-Situation. Deshalb sind Nutztiere so wichtig. Also nicht nur, dass sie zusätzlich für den Menschen Nahrung machen – und zwar ohne Nahrungskonkurrenz –, sondern auch, weil sie höchstwertigen Dünger bieten und dem Landwirt die Möglichkeit geben, dieses Düngermanagement effizient zu gestalten.

Der Misthaufen ist also nicht nur ein Abfallhaufen, ein Misthaufen ist die Lagerstätte für die Energie der Ernte fürs nächste Jahr.

Ja, für die Energie, für die Pflanzennährstoffe, für den Stickstoff und für den Phosphor. Sie haben ja mit der Ernte des Getreides einen starken Phosphorverlust. Das wird vom Feld weggefahren, geht sozusagen in die Müllerei und drei Viertel dieses Phosphors landet in der Kleie. Diese Kleie – wenn Sie jetzt eine rein vegane Landwirtschaft haben – müssen Sie unbedingt auf dem Acker ausstreuen, damit der Phosphor wieder zurückkommt. Oder Sie verfüttern an Nutztiere und sammeln den Dünger. Da haben Sie genau das Gleiche. Sie haben nur gleichzeitig Lebensmittel damit gemacht, und in dem anderen Fall haben sie einfach nur die Biomasse verrotten lassen, ohne einen Gewinn davon gehabt zu haben.

Also kann man sagen, das erst ist der ganz große Fortschritt in der Landwirtschaft: als man gelernt hatte, die Tierzucht hinzuzufügen und Tiere zu halten.

Die Tiere sind älter als der Ackerbau, weit älter. Man hat erst Tiere gehabt und dann Ackerbau. Die Tiere waren immer mit dabei. Immer. Man hat es auch ganz gezielt gemacht und hatte oftmals bestimmte Gebiete, die hat man einfach nur beweidet. Man hat aber den Mist gesammelt und auf die Äcker gebracht, also sozusagen die Pflanzennährstoffe von einem Areal runter genommen und über den Dünger auf Äcker, und auf andere Flächen gebracht, auf Weinberge zum Beispiel. So entstehen zum Beispiel diese Magerrasen. Das sind meistens Gebiete, die gezielt an Nährstoffen entleert worden sind zugunsten der Äcker. Es gibt ein schönes Sprichwort, das heißt, die Wiese ernährt den Acker.

Wurde das absichtlich gemacht? Dann wusste man schon von Anfang an um die Zusammenhänge. Oder hat man das ausprobiert?

Das wusste man schon immer. Dünger, Mist war immer eine begehrte Ressource. Die Landesherren haben sich den Mist geben lassen, oder sie haben die Tiere auf bestimmte Stellen treiben lassen, in der Nacht, zum Sammeln. Völker, die nomadisch oder zum Teil nomadisch leben, sammeln ihre Tiere nachts auf engem Raum und sammeln da dann auch den Mist, und der wird natürlich verwendet. Denken Sie einfach mal an diese Mythologie von einer dieser Heldentaten des Herkules: das Ausmisten vom Stall des Augias. Das ist nichts anderes als der Wartestall der Rinder für die Stadt Kolchis, in der die Tiere warten mussten, bevor sie dann für die Ernährung der Stadtbewohner geschlachtet wurden. Dieser Mist wird immer gesammelt, er ist wertvolles Gut.

Erstaunlich, dass dieser Mist und Dünger heute so im Ansehen gesunken sind. Die Bauern sollen ja ihre Felder nicht mehr düngen.

Ja, da sprechen Sie einen Punkt an, der wird jetzt auch dem Zuhörer sicher schon aufgefallen sein. Ich habe hier die Tierhaltung in einer sehr idealisierten Form dargestellt. Heutzutage haben wir Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft in großen Mengen. Das schaffen wir natürlich nur, indem wir zusätzlich Futtermittel anbauen, denn diese nicht essbare Biomasse, die bei der Erzeugung von veganer Nahrung ohnehin entsteht, reicht vielleicht gerade mal so im Schnitt für ein Drittel bis zwei Drittel der tierischen Erzeugnisse, wie wir sie jetzt haben, also ein Drittel vielleicht beim Fleisch, zwei Drittel bei der Milch, so in der Größenordnung, oder vielleicht sogar noch weniger beim Fleisch.

Das heißt, wir haben ein Angebot an Fleisch, vor allem Geflügel- und Schweinefleisch, das so groß ist, dass wir es mit zusätzlichen Futtermitteln erzeugen. Diese zusätzlichen Futtermittel bauen wir natürlich auf der Ackerfläche an, entweder bei uns oder in anderen Ländern, und importieren dann die Futtermittel.

Damit das in großem Stil wächst, müssen wir zusätzlich düngen. Wir müssen mineralischen Dünger einsetzen, zum Beispiel mineralischen Phosphordünger, vor allen Dingen mineralischen Stickstoffdünger. Dieser mineralische Stickstoffdünger befreit uns von dieser Verkettung. Die Bauern früher mussten den Mist sammeln, das war ja ein ganz begehrtes Gut. Und es kam nur so viel Mist raus, wie diese vier Kilogramm pro Kilogramm vegane Nahrung erzeugen konnten. Das war nur wenig, das war Mangelware. Heutzutage können wir mit einem hohen Aufwand an mineralischem Dünger mehr Tiere füttern und haben mehr Wirtschaftsdünger von den Nutztieren.

Jetzt entsteht sozusagen eine Überschussproblematik. Die Leute haben vergessen, dass es eigentlich ein Mangelsubstrat ist, weil es durch den mineralischen Stickstoffdünger sozusagen ersetzt wird. Und jetzt sagen die Leute natürlich, wir sollen weniger Tiere halten, wir sollen am besten gar keine Tiere halten. Aber da muss man aufpassen, denn da werden wir das Kind mit dem Bade ausschütten.

Zum ersten Mal wird die Menschheit richtig satt, oder zum großen Teil jedenfalls. Der Hunger ist doch deutlich gegenüber früheren Jahrhunderten reduziert. Dann kommen solche Gegenreaktionen: „Das brauchen wir gar nicht mehr.“ Hat man vergessen, woher wir kommen und welches die Ursprünge sind?

Wir haben es vergessen, aber es kommt wieder – ob uns das passt oder nicht. Es wird uns wieder ins Bewusstsein kommen. Wir müssen das auch ein bisschen historisch sehen. Ich habe Ihnen ja dieses Beispiel mit diesen drei Jahren Kleegras bei insgesamt acht Jahren gesagt: Sie nehmen fast 40 Prozent der potenziellen Lebensmittelproduktion aus dem Acker raus, wenn Sie keine Mineraldünger haben. Die Erfindung des Mineraldüngers hat uns von diesem Zwang befreit, hat also eine enorme Steigerung der Getreideproduktion ermöglicht.

Das ist in den 1960er Jahren losgegangen. Dann kamen Maschinen dazu, Mähdrescher zum Beispiel. Eine Person hat schon 100 Hektar bewirtschaften können in den 70er Jahren, wir bekamen einen Überschuss an Getreide. Sie erinnern sich vielleicht: In den USA hat man Weizen zum Teil sogar in den Atlantik geschüttet, um den lokalen Preisverfall zu stoppen.

Wir haben auch in Europa eine Getreideschwemme bekommen. Und die Landwirtschaft macht genau das, was dann der Markt verlangt. Man versucht, diesen Überschuss, dieses reichliche Angebot zu veredeln, indem man Fleisch daraus macht. Wir haben einen Überschuss an energiereichen Futtermitteln, Getreide und Mais.

Um das in Fleisch umzuwandeln, vor allen Dingen Geflügel- und Schweinefleisch, brauchen wir noch ein Eiweiß-Futtermittel. Da hat man ursprünglich Fischmehl genommen, also einfach gnadenlos die Meere leergefischt. Dann ist man auf Soja übergegangen. Brasilien hat es ganz gezielt gemacht. Man hat also ein Eiweiß-Futtermittel zu diesem Getreideüberschuss produziert. Das ist also die Grundlage für unsere großen Mengen an Fleisch und Eiern.

Jetzt wächst aber die Weltbevölkerung. Damals in den 60er, 70er Jahren waren es sechs Milliarden, vor wenigen Wochen haben wir die Schwelle zu 8 Milliarden Menschen überschritten. Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird immer weniger, durch Versiegelung, durch Urbanisierung, durch Erosion. Der Klimawandel nimmt uns viel weg. Wir hatten das früher ausgeglichen, indem man in anderen Ländern Urwald abgeholzt hat. Damit ist Schluss, sodass wir in den nächsten Jahrzehnten eine massive Verknappung der landwirtschaftlichen Nutzfläche erleben werden. Mehr Menschen bei weniger Fläche bedeutet: Es ist Schluss mit dem Getreideüberschuss, und Sie erleben es heute schon. Der Krieg in der Ukraine ist eine künstliche Verknappung der landwirtschaftlichen Produktionsfläche.

Welche Folgen das hat, sehen wir jetzt. Es ist aber nichts anderes als eine Vorwegnahme dessen, was in zehn Jahren sowieso passiert wäre. Und da kommen wir wieder in eine Situation, wo Getreide Mangelware ist, und wir werden es nicht mehr an die Nutztiere verfüttern können. Also wir werden wieder zurückgehen auf die nicht essbare Biomasse, und spätestens dann werden wir uns daran erinnern, wie wichtig die Nutztiere sind, um genügend vegane Nahrung produzieren zu können. Wir brauchen den Wirtschaftsdünger. Auch den Stickstoffdünger; den mineralischen Stickstoffdünger werden wir uns kaum noch leisten können. Er verbraucht gewaltige Mengen an Energie, die wir in Zukunft nicht mehr haben werden. Auch der Phosphor, den wir jetzt düngen, mit dieser hohen Pflanzenproduktion, das ist fossiler Phosphor. Wir schätzen, dass die in 30 Jahren zu Ende geht.

Hier können Sie das Gespräch im Podcast hören:

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