Nach dem Angriff der „Letzten Generation“ auf das Denkmal für das Grundgesetz regte sich auch in jenen Parteien und Medien, die den Extremisten ansonsten wohlwollend gegenüberstehen, erstmals merklicher Widerstand gegen deren Vorgehen. Selbst führende Politiker der Grünen bezogen nun Stellung, doch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete kritisiert das Vorgehen der „Letzten Generation“ bereits länger: Valerie Wilms.
Wilms scheut den Widerspruch nicht, mit ihren Aussagen abseits des Parteiendiktums erregte sie in letzter Zeit häufiger Aufmerksamkeit. So forderte sie nicht nur Gefängnisstrafen für die klebenden Extremisten der „Letzten Generation“, sie kritisierte anlässlich der Vorwürfe, ein grüner Landrat sei rechts, da er nicht an das Gelingen der Integration im Zuge der Migrationskrise glaube, auch die eigene Partei für die Verweigerung des innerparteilichen Diskurses zu diesen Fragen.
Im Gespräch mit Tichys Einblick äußert sich Wilms zum Umgang mit den Extremisten der „Letzten Generation“, deren zunehmenden Einfluss auf sowohl den öffentlichen, als auch den parteiinternen Diskurs, sowie die Tendenz innerhalb der Grünen eben diesen Diskurs abseits von Vorgaben der Parteiführung nicht zu führen.
Tichys Einblick: Die „Letzte Generation“ rechtfertigt ihre Aktionen mit der kompromisslosen Auslegung der Klimadebatte. Inwiefern ist das angemessen, oder gibt es realpolitische Alternativen?
Valerie Wilms: Eine Demokratie funktioniert nur mit Kompromissen. Ansonsten sind wir in einer Autokratie oder sogar Diktatur gelandet. So etwas wäre mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland überhaupt nicht vereinbar. Darum kann es in unserem Rechtsstaat keinen absolutistischen Vorrang für den Klimaschutz geben. Vielmehr muss der Klimaschutz immer abgewogen werden mit anderen Interessen wie z.B. Wohnen oder Arbeit.
Die Aktionen der „Letzten Generation“ stehen zwar vielfach in der Kritik, erhalten jedoch auch reichlich Rückendeckung aus weiten Teilen der Medien und Politik. Sollte man nicht eher den öffentlichen Diskurs in die Pflicht nehmen, um solch radikalen Bewegungen den Nährboden zu entziehen?
In Deutschland gilt die Pressefreiheit. Darum sind Vorgaben, von wem auch immer, über die Form und Richtung des öffentlichen Diskurses nicht angezeigt. Ein fairer Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass alle Seiten der Debatte beleuchtet werden. Insbesondere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk halte ich es für erforderlich, dass sich dieses Prinzip wieder durchsetzt.
Nach den letzten Aktionen der „Letzten Generation“ meldeten sich vermehrt auch kritische Stimmen aus der SPD und den Grünen. Verorten Sie hier einen internen Richtungsstreit in diesen Parteien und wenn ja, wie erwarten Sie, dass dieser ausgehen wird?
Thomas Haldenwang erteilte der „Letzten Generation“ im Herbst einen Persilschein, als er meinte, diese wäre nicht als extremistisch einzustufen, da sie sich ja auf dem Boden des Grundgesetzes bewegte. Nun wurde ein Denkmal gerade dieses Grundgesetzes verschandelt. Wo verorten Sie die „Letzte Generation“: Handelt es sich noch um legitimen Protest im Rahmen des demokratischen Diskurses, oder sind die Aktivisten bereits als extremistisch oder gar revolutionär einzustufen?
Besteht die Gefahr, dass durch die zunehmende Präsenz der Aktionen der „Letzten Generation“ diese die Politik schon bald in Geiselhaft nehmen könnte, wenn es um die Bestimmung eines internen parteipolitischen Kurses geht?
Das könnte durchaus passieren, wenn die politischen Parteien sich auf Diskussionen mit der „Letzten Generation“ einlassen, obwohl diese ihre undemokratische Gesinnung durch fehlende Kompromissbereitschaft in der Lösungsfindung schon deutlich gezeigt hat. Der Rechtsstaat hat ein ausreichendes Instrumentarium, um sich gegen die Erpressung von Verfassungsorganen zu wehren. Der Rechtsstaat und seine Vertreter müssen im Interesse der Demokratie bereit sein, diese Instrumente auch einzusetzen. Die jetzt durchgeführten Schnellverfahren nach den Nötigungs-Aktionen in Heilbronn zeigen, was heute möglich und nötig ist.