Tichys Einblick
Interview Sebastian Münzenmaier

Krise am Wohnungsmarkt: „Die Bundesregierung muss Bauen wieder bezahlbar machen“

In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Deswegen hat die Ampel versprochen, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, scheitert aber an dem Plan. Sebastian Münzenmaier (AfD), Mitglied im baupolitischen Ausschuss des Bundestages, erklärt, warum das so ist und warnt die Ampel vor falschen Schlüssen.

IMAGO / Metodi Popow

Tichys Einblick: 400.000 neue Wohnungen jährlich. Das war das Versprechen der Ampel. Nun wird sie voraussichtlich zum zweiten Mal daran scheitern. Ist diese Vorgabe grundsätzlich realistisch, Herr Münzenmaier?

Sebastian Münzenmaier: Die Bundesregierung verfehlt ihre eigenen Ziele krachend. Diese Erkenntnis kommt keinesfalls überraschend, sondern ist die logische Konsequenz des Versagens eines neu geschaffenen Bauministeriums. Anstatt die Rahmenbedingungen für die Baubranche zu erleichtern, Entbürokratisierung voranzutreiben und insbesondere die unsinnigen „Klimaschutzmaßnahmen“ abzuschaffen, erhöht die Bundesregierung den Aufwand für Bauherren, erschwert die Förderung durch die staatliche KfW-Bank und verschärft so letztendlich die kritische Situation auf dem Wohnungsmarkt.

Also wird es nicht besser?

Perspektivisch rechne ich mit einer weiter fallenden Zahl von neu gebauten Wohnungen, die Zahl der Baugenehmigungen brach diesen März beispielsweise bereits um fast 30 Prozent ein, sodass auch für die kommenden Jahre keine Besserung in Sicht ist. Wenn die Bundesregierung nicht radikal umsteuert und sämtliche Rahmenbedingungen endlich entschlossen anpackt, wird sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt auch in Zukunft dramatisch verschlechtern.

Woran liegt es, dass Frau Geywitz das Ziel nicht einhalten kann?

Der Einbruch auf dem Wohnungsmarkt hat viele Gründe. Zum einen hat sich die Zinssituation massiv verändert und die stark gestiegenen Kreditzinsen sorgen für eine große Zurückhaltung bei Bauherren und für die ein oder andere geplatzte Kalkulation. Zum anderen erleben wir weltweite Lieferengpässe und eine enorme Verteuerung von Baustoffen.

Diese beiden Gründe kann die Bundesregierung nur mittelbar beeinflussen. Das Versagen von Ministerin Geywitz und ihren Kabinettskollegen liegt aber im dritten Grund: Die Bundesregierung hat sich in völliger ideologischer Verblendung dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben und verteuert mit ihrer fehlgeleiteten Energiewende Bauen und Wohnen massiv. Beispielsweise im Bereich der Dämmung ist es unstrittig, dass die Baukosten durch die Vorgaben der Regierung für eine starke Preissteigerung sorgen, während der Effekt der zusätzlichen Dämmung laut dem Verein Zentraler Immobilien Ausschuss auf den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) sehr gering ist.

Was müsste die Bundesregierung tun?

Die Bundesregierung müsste auf der Angebotsseite zügig dafür sorgen, dass Bauen wieder bezahlbar wird. Eine Abschaffung sämtlicher nationaler Gesetze, die eine CO2-orientierte Bepreisung der Energie- und Wohnkosten zum Inhalt haben, würde Bau- und Baunebenkosten massiv senken. Die Eigenheimförderung müsste massiv ausgebaut werden, die momentanen Förderprogramme der KfW sind nicht ansatzweise ausreichend und durch die weitere Verschärfung der Klimastandards in diesem Bereich erhöhen sich zunächst einmal die Baukosten deutlich, bevor der Bauherr dann überhaupt Förderung beantragen kann.

Was tun Sie selbst in Sachen Wohnungsbau?

Wir als AfD-Fraktion haben verschiedene Maßnahmen im Deutschen Bundestag beantragt, um die Eigentumsquote in Deutschland zu erhöhen und Bauherren insbesondere im Bereich der Baunebenkosten zu entlasten, sodass Deutschland endlich zum Land der Eigentümer wird.

Was heißt das?

In Abstimmung mit den Ländern müsste die Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Immobilien zu eigenen Wohnzwecken abgeschafft werden, man müsste darüber hinaus ebenfalls in Absprache mit den Ländern bundesweit eine Obergrenze von 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer festlegen und das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) sind dauerhaft außer Kraft zu setzen. Anstatt das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) weiter zu verschärfen und den sogenannten „Heizungshammer“ anzustreben, ist unserer Meinung nach das GEG dauerhaft außer Kraft zu setzen. Das wären nur einige der Maßnahmen, die die Bundesregierung zeitnah ergreifen könnte, um der Misere auf dem Wohnungsmarkt ein Ende zu setzen.

Wenn die Bundesregierung es weiterhin nicht schafft, die Wohnungen bauen zu lassen, die notwendig wären, um die Wohnungsnot zu lindern, welche Alternativen gäbe es dann?

Auch wenn die Ampel-Regierung über dieses Thema nicht sprechen möchte: Wenn auf der Angebotsseite zu wenige Wohnungen gebaut werden und zur Verfügung stehen, muss auf der Nachfrageseite gehandelt werden.

Also geht es um Einwanderung?

Wir haben fast 300.000 ausreisepflichtige Menschen in unserem Land, die man außer Landes schaffen müsste. In Deutschland haben von Januar bis April 2023 mehr als 100.000 Menschen Asylerstanträge gestellt, das entspricht der Größenordnung einer deutschen Kleinstadt, die jeden Monat hier einwandert. Darüber hinaus befinden sich momentan ungefähr 1,1 Millionen Ukrainer in Deutschland, die selbstverständlich auch ein Dach über dem Kopf benötigen und die Wohnraumsituation zusätzlich verknappen.

Nutzen Sie dann nicht das Thema Wohnen als Hebel für Ihre Einwanderungs-Politik?

Insgesamt lässt sich festhalten: Wir können jede Wohnung nur einmal vergeben und wenn Wohnungsnot herrscht, muss die Prämisse erst recht lauten: Deutschland hat Eigenbedarf. Wir brauchen unsere Wohnungen für unsere Bürger und müssen dementsprechend sowohl die Einwanderung stoppen als auch den Fokus auf Rückführung legen.

Die Stadt Berlin fordert nun eine Änderung des Königsteiner Schlüssels bei der Verteilung von Einwanderern. Faktisch würde das bedeuten, dass die Städte weniger Einwanderer aufnehmen. Wie realistisch ist diese Forderung? Woraus speist sie sich?

Ich halte die Forderung für wenig realistisch und bin der Meinung, dass es sich letztendlich um ein Ablenkungsmanöver handelt. Die Aufnahmefähigkeit ist nicht nur in unseren Städten, sondern auch im ländlichen Raum längst erschöpft und deshalb sollten wir nicht über Verteilungsmechanismen diskutieren, sondern weiterer Einwanderung einen Riegel vorschieben.

Der Markt erlebt eine Teilung: In den Stadtzentren steigen die Immobilienpreise, auf dem Land fallen sie. Wie wird sich diese Tendenz auswirken?

Wir sehen nicht nur in Stadtzentren, sondern auch in sogenannten Speckgürteln oder sehr beliebten Gegenden, wie beispielsweise den Nordsee-Regionen, weiterhin hohe und teilweise steigende Preise, während in weiten Teilen Mitteldeutschlands sehr günstiger Wohnraum verfügbar ist. Im Durchschnitt über alle Regionen hinweg lag der Preisabfall im Jahr 2022 gegenüber 2021 inflationsbereinigt bei minus 0,7 Prozent, die „Boom-Zeiten“ sind wahrscheinlich erst einmal vorbei und ich teile die Ansicht der deutschen Pfandbriefbanken, die auch für das Jahr 2023 insgesamt fallende Immobilienpreise prognostizieren.

Flankiert von Medien wie der Tagesschau lässt die Bundesregierung Testballons steigen, die den Wohnungstausch zwischen Senioren und jungen Familien ansprechen. Wie sehen Sie diesen?

Ja, da die Ampel die Rahmenbedingungen für schnelleren Wohnungsbau nicht verbessert und den Zusammenhang zwischen Migration und Wohnungsnot angeblich nicht erkennen kann, denkt sie über derartige Experimente nach. Natürlich ist ein Wohnungstausch zwischen Senioren und jungen Familien heute schon freiwillig möglich und vollkommen legitim. Die Pläne der Bundesregierung bedienen sich jedoch meistens eines gewissen Zwangs und andere Ideen in diese Richtung sprechen eine ähnliche Sprache: Ministerin Geywitz sinnierte ja 2022 schon öffentlich über die Begrenzung des Wohnraums, da „der Flächenkonsum pro Person immer mehr steigt“ und das den Fortschritt im Bereich Klimaschutz der vergangenen Jahre auffresse.

Das heißt?

Die nächste Stufe des Klimasozialismus bahnt sich an …

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