Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesverfassungsschutzes veröffentlichte einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der eine Debatte über die Aufgaben seiner Behörde anstieß. Der Titel seines Gastbeitrags: „Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für Verfassungsfeinde“.
Prof. Martin Schwab – er lehrt seit Oktober 2015 an der Universität Bielefeld, dort hat er den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Verfahrens- und Unternehmensrecht inne – ist empört. Im Interview erklärt Prof. Schwab aus der Perspektive des Rechtsexperten, was ihm am Text des Behördenleiters besonders missfallen hat. Im Anschluss ergänzt Prof. Schwab seine Antworten zur besseren Einordnung für den Leser zusätzlich mit Verweisen und Quellen.
Alexander Wallasch: Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesverfassungsschutzes, schreibt einen Gastartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Worum ging es da?
Prof. Martin Schwab: Es ging darum, dass Herr Haldenwang geäußert hat, die Meinungsfreiheit sei kein Freibrief. Was er damit meint, sieht man dann im Fließtext: kein Freibrief für extremistische Äußerungen, keinen Freibrief für hasserfüllte Hetze, kein Freibrief für aggressive, systematische Delegitimierung staatlichen Handelns und Gewaltaufrufe, kein Freibrief für Agitation, die die Grundfesten der demokratischen Grundordnung erschüttern sollen und den Boden für unfriedliche oder gewalttätige Aktivitäten bereiten können. Im Klartext: Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz der Meinung ist, jemand denkt oder sagt etwas, was irgendwann später Unruhe stiften könnte, dann schreitet die Behörde schon präventiv ein.
Der Journalist Hans-Ulrich Jörges hat den Haldenwang-Artikel ebenfalls gelesen und zu folgendem Kommentar veranlasst: „Haldenwang betritt das düstere Reich des autoritären Staates und stellt sich selbst in die Tradition der Gestapo.“ Ist er damit übers Ziel hinausgeschossen?
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Herr Haldenwang hat ja in einem anderen Kontext gesagt, man müsse verhindern, dass sich bestimmte Denk- und Sprachmuster in unsere Sprache einnisten (1). Er will also damit zunächst das Reden, in letzter Konsequenz aber auch das Denken kontrollieren. Ein Staat aber, der das Denken kontrollieren will, ist nicht nur autoritär, er ist totalitär.
Hätte der Stasi-Vergleich da nicht besser gepasst? Wo ist der Unterschied bei Stasi versus Gestapo?
Da ich die Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes nicht kenne, fällt mir auch ein Vergleich in Richtung Stasi oder Gestapo schwer. Die Eingriffsbefugnisse sind im Bundesverfassungsschutzgesetz beschrieben, aber es entzieht sich meiner Kenntnis, wie sie im Einzelnen eingesetzt werden.
Wenn ich allerdings den BILD-Bericht vom 27. Oktober 2023 (2) lese, worin Nancy Faesers Pläne beschrieben werden, dem Verfassungsschutz zu erlauben, die von ihm bespitzelten Personen in deren privatem Umfeld anzuschwärzen, fühle ich mich schon eher an die Stasi als an die Gestapo erinnert.
Warum immer diese Nazi-Vergleiche? Darunter hatte auch die Corona-Maßnahmen-Kritik sehr gelitten …
Ich habe, wenn ich auf Kundgebungen geredet habe, immer gesagt, historische Vergleiche überlassen wir den Historikern. Der Vergleich mit dem Dritten Reich lag für die Kritiker der Corona-Maßnahmen deswegen so nahe, weil die ausgrenzende und diffamierende Feindbild-Rhetorik, derer sich die Scharfmacher der Lockdown- und Impfzwang-Propaganda bedienten, durchaus Erinnerungen an die Art und Weise nahelegten, wie in der NS-Zeit gegen Juden gehetzt wurde. Ich erinnere nur daran, wie Sarah Bosetti Ungeimpfte als Blinddarm der Gesellschaft brandmarkte – ebenso wie KZ-Arzt Fritz Klein die Juden als „Blinddarm“ beschimpft hatte.
Sarah Bosetti zeigt übrigens bis heute keine Einsicht (3). Und wenn – wie 2022 nachweislich in Heidelberg geschehen – linke Extremisten ein Plakat „Querdenker nicht willkommen“ auf Facebook zeigen, das Händler ausdrucken und in ihre Schaufenster stellen sollen (4), kann man schon darüber nachgrübeln, ob es dann noch einen signifikanten Unterschied bedeutet hätte, wenn auf dem Plakat die Aufschrift gestanden hätte: „Händler! Wehrt Euch! Verkauft nicht an Querdenker!“ Für die geschichtswissenschaftliche Forschung gibt es also eine Menge Stoff.
Die Kritiker der Corona-Maßnahmen wollten daran erinnern, dass das Dritte Reich nicht mit Konzentrations- und Vernichtungslagern angefangen, sondern in dieser Weise geendet hat. Angefangen hatte es mit besagter Feindbild-Rhetorik. Die Kritiker sahen hier die Gefahr, dass es bei solcher Rhetorik nicht bleiben könnte. Und in der Tat: Was gab es nicht für gruselige Forderungen? Habilitierte Verfassungsjuristen forderten, dass Impfverweigerer das Haus nicht mehr verlassen dürften (Prof. Dr. Ulrich Battis (5)) und notfalls von der Polizei zur Zwangsimpfung vorgeführt werden müssten (Prof. Dr. Christian Graf Pestalozza (6)). Ihren Krankenversicherungsschutz sollten sie ebenfalls verlieren (Prof. Dr. Franz Mayer (7)) und bei Engpässen im Gesundheitswesen notfalls ohne medizinische Versorgung bleiben (Prof. Dr. Stefan Huster (8)). Und irgendwo plakatierte die Antifa: „Aufgreifen! Einfangen! Internieren & Durchimpfen!“ Letzteres nachgewiesen bei #ichhabemitgemacht (9). Die Antifa hat damit nichts Geringeres gefordert als die Einführung von Konzentrationslagern für Impfverweigerer.
Immer wieder ist übersehen worden, dass es den Kritikern der Corona-Maßnahmen einfach nur um die Sorge zu tun war, dass sich derartige Fehlentwicklungen, wie wir sie in Deutschland ab 1933 beobachten mussten, nunmehr wiederholen könnten. Am deutlichsten wurde die Holocaust-Überlebende Vera Sharav in einer bewegenden Rede in Nürnberg am 20.8.2022: Sie erkannte in der Corona-Zeit die Muster von damals wieder (10).
Aber Sie haben völlig Recht: Um die Kritik an der Corona-Politik und der sie begleitenden Rhetorik zu untermauern, hätte es der NS-Parallelen nicht bedurft. Denn das Muster ist bei totalitären Diktaturen am Ende des Tages genau das gleiche, egal aus welcher politischen Richtung sie herrühren.
Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat dazu einen interessanten Satz gesagt: Vergleichen dürfen wir durchaus, nur nicht gleichsetzen …
Das tragen auch viele Strafverteidiger vor, deren Mandanten derzeit wegen solcher Vergleiche vor Gericht stehen – unter Anklage der Volksverhetzung in der Variante des § 130 Absatz 3 StGB. Vorgeworfen wird ihnen die Verharmlosung der NS-Verbrechen.
Wunderbar auf den Punkt gebracht hat es der Weimarer Richter Matthias Guericke, der am 18. Oktober 2023 auf der Internetseite der Vereinigung Kritische Richter und Staatsanwälte Folgendes ausführte (11): „Das ‚Wehret den Anfängen!‘ war ein Credo in der Geschichte der Bundesrepublik. Wie aber sollen die Anfänge erkannt werden, wenn die Gegenwart nicht mehr mit der Vergangenheit verglichen werden darf?“
In der Tat: Wie soll ich denn aus der Vergangenheit lernen, wenn ich nicht einmal versuchen darf, die jetzige Lage mit der damaligen Lage zu vergleichen und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen? Darin besteht doch das Lernen aus der Geschichte! Wenn ich Vergleiche verbieten will, verbiete ich also letztlich das Lernen aus der Geschichte.
Leider sind nicht alle Gerichte bereit, sich dieser Argumentation zu öffnen. Reihenweise wurden Corona-Maßnahmen-Kritiker, die zu NS-Vergleichen gegriffen hatten, wegen Volksverhetzung verurteilt. Darunter auch Robert Hoeschele (12), selbst Jude und Nachfahre eines Mannes, der im KZ umgebracht wurde (13). Und selbst Vera Sharav fing sich wegen ihrer Nürnberger Rede vom 20.8.2022 eine Strafanzeige wegen Verharmlosung des Holocaust ein (14). Den Propaganda-Treibern ist wirklich gar nichts zu peinlich.
Haldenwang wird von seinen Kritikern auch als eine Art Marionette von Nancy Faeser erzählt. Dabei vergisst man schnell, dass Haldenwang CDU-Mitglied ist. Aber Friedrich Merz lässt ihn gewähren, während bei Hans-Georg Maaßen die Alarmsirenen geläutet werden. Was sagt das eigentlich über die aktuelle Politik der CDU aus?
Ich habe am 3. April 2024 in Hannover einen Vortrag von Peter Hahne gehört, der gemeint hat, die jetzige Ampelregierung sei nur das Sahnehäubchen auf einem Übel, das sechzehn Jahre lang eine von der CDU und insbesondere von Angela Merkel dominierte Regierung angerichtet hätten. Hahne hat gemeint, das Schlimmste, was uns passieren könne, wäre eine schwarz-grüne Koalition. Weil die CDU für genau die totalitäre Politik stehe, welche die jetzige Ampelregierung zelebriere. Wir sollten uns, so meinte er, nicht der Illusion hingeben, dass eine CDU-geführte Regierung dass alles, was die Ampel jetzt gerade macht, wieder rückgängig mache, sondern sie werde es nur unter anderem Label fortführen.
Nancy Faesers Anschwärz-Gesetz, von dem ich vorhin gesprochen habe, wurde jedenfalls laut BILD vom 27. Oktober 2023 von der CDU mit Beifall bedacht. Da sehen wir schon, wo die Reise mit der CDU hingeht.
Die Kernaussage von Haldenwang lautet: „Die Meinungsfreiheit hat Grenzen, die verteidigt werden müssen“. Aber ist diese Meinungsfreiheit nicht vom Grundgesetz festgelegt und geschützt?
In allererster Linie ist es Aufgabe aller staatlichen Gewalt, die Meinungsfreiheit zu verteidigen! Wir stellen und jetzt mal vor, wir studierten Jura im zweiten Semester und hörten die Vorlesung „Grundrechte“. Dort würden wir Folgendes lernen: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG hat einen sehr weit gefassten Schutzbereich. Ich darf zunächst einmal alles sagen, was ich denke, fühle und für richtig halte. Auch Tatsachenbehauptungen sind von der Meinungsfreiheit geschützt. Und entgegen einem verbreiteten Irrglauben ist auch Hass eine Meinung. Jedenfalls im Sinne des Grundgesetzes.
Die Meinungsfreiheit unterliegt allerdings auch Schranken. Diese formuliert Artikel 5 Absatz 2: die allgemeinen Gesetze, Gesetze zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre. Jetzt aber kommt etwas ganz Wichtiges: Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschränken, müssen ihrerseits wieder sehr einschränkend ausgelegt werden, um der besonderen Bedeutung der freien Meinungsäußerung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung Rechnung zu tragen.
Wenn nicht eine dieser äußersten Grenzen der Meinungsfreiheit eingreift, darf jeder sagen, was er will. Er darf dafür nicht nur nicht bestraft, sondern auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. In dieses Koordinatensystem muss sich auch der Kampf gegen die vielbeschworene Hassrede einsortieren: Solange nicht die Schwelle zum Gewaltaufruf oder zur Volksverhetzung überschritten wird, bewegt sie sich im Bereich des Legalen. Und ist damit auch für den Verfassungsschutz tabu.
Wir müssen einfach mal ins Bundesverfassungsschutzgesetz hineinschauen, um zu erkennen, was für massive Befugnisse die Verfassungsschutzbehörden haben: Observation, Abhören, Einsatz von verdeckten Mitarbeitern (§ 9a BVerfSchG), Einsatz von Vertrauensleuten (§ 9b BVerfSchG). Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute unterscheiden sich dadurch, dass die verdeckten Mitarbeiter Beschäftigte des Verfassungsschutzes sind, die Vertrauensleute hingegen Privatakteure (zum Beispiel Correctiv-Journalisten?). Alle diese Eingriffe dürfen niemals die Konsequenz einer zulässigen Meinungsäußerung sein. Freiheit, an deren Ausübung solche Nachteile geknüpft werden, ist keine Freiheit mehr. Solche Eingriffe sind schlicht und ergreifend unzulässig.
Jetzt sagt Haldenwang: „Die Meinungsfreiheit ist von daher kein Freibrief, sich der – gerichtlich kontrollierten – verfassungsschutzrechtlichen Beobachtung und Bewertung entziehen zu können, wenn tatsächliche Anhaltspunkte etwa für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen vorliegen.“ Meinungsfreiheit ist kein Freibrief …
Mein sehr geschätzter Oldenburger Kollege Volker Boehme-Neßler hat Herrn Haldenwang klipp und klar entgegengehalten (15): Doch, die Meinungsfreiheit ist ein Freibrief! Der Verfassungsschutz hat einzig und allein die Aufgabe, Bestrebungen zu bekämpfen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden. Alles, was diese Deutungshöhe nicht erreicht, hat den Verfassungsschutz nicht zu interessieren.
Das ganz große Problem ist, dass Herr Haldenwang sich anmaßt, selber zu bestimmen, was die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet und was nicht. Wie willkürlich seine Behörde dabei verfährt, zeigt aktuell die geradezu lächerliche Einstufung von Hans-Georg Maaßen als rechtsextrem.
Die Trennlinie zwischen tatsächlich staatsgefährdenden Umtrieben auf der einen Seite und legitimer Kritik an der Regierung auf der anderen Seite droht auf diese Weise zu verschwimmen. Man muss die Befürchtung haben, dass jegliche Kritik an der Regierung dann gleich als Extremismus bekämpft wird, und sei es nur mit dem Argument: Wer sich gegen das Handeln der Regierung wende, lehne eine demokratische Mehrheitsentscheidung ab.
Eine solche Gedankenführung greift natürlich deutlich zu kurz. Denn Demokratie lebt von der Möglichkeit, dass aus Minderheiten in Zukunft wieder Mehrheiten werden, dass also die Mehrheit ihrer Herrschaft jederzeit zur Disposition stellen muss. Und genau das scheint Herr Haldenwang nicht zu begreifen.
Gibt es eigentlich akademische Debatten darüber, wer den Verfassungsschutz beobachtet, wenn der seine Arbeit nicht vernünftig macht?
Ich habe mir die Mühe gemacht, die Datenbank „juris“ für die Jahre 2023 und 2024 nach Aufsätzen zu den Stichworten „Extremismus“ und „Verfassungsschutz“ durchzumustern. Ich habe außerdem recherchiert, was auf dem Portal „Verfassungsblog“ in den letzten 12 Monaten veröffentlicht wurde.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Nicht ein einziger Autor nimmt Anstoß an der Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes zur Bekämpfung Andersdenkender. Vereinzelt wird immerhin die Neuregelung kritisiert, wonach Bundesbeamte nunmehr nicht mehr durch gerichtliches Urteil, sondern durch Disziplinarverfügung aus dem Amt entfernt werden können (16). Ebenso aber wird in völlig unkritischer Übernahme des Verfassungsschutzberichts 2021 über das angebliche Gefahrenpotential von (u.a.) „Delegitimierern“ räsoniert (17). Im Übrigen arbeiten sich etliche Autoren daran ab, wie schlimm die Demokratie durch die AfD gefährdet werde. Auf dem linken Auge ist die deutsche Staatsrechtslehre demgegenüber weitestgehend blind.
Zum Glück gibt es löbliche Ausnahmen. Prof. Dr. Volker Boehme-Neßler hatte ich bereits erwähnt. Ein weiterer Autor, den ich hier als positives Beispiel nennen möchte, ist Prof. Dr. Dietrich Murswiek. Er hat nicht nur den vom Verfassungsschutz 2021 eingerichteten, diffusen Phänomenbereich „Delegitimierung des Staates“ kritisiert (18), sondern auch Nancy Faesers 13-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Rechtsextremismus mit Recht als Angriff auf die Grundrechte gebrandmarkt (19).
Was mir auffällt ist, dass die Stimmen, die sich heute zum Thema Verfassungsschutz kritisch äußern, dieselben sind, die uns auch während der Corona-Zeit daran erinnert haben, wie Grundrechte eigentlich auch in einer Krise funktionieren sollten, und die sich dagegen gewehrt haben, unsere freiheitliche Verfassungsordnung unter dem Vorwand des Seuchenschutzes zu pervertieren. Ein Großteil der deutschen Staatsrechtslehre hat indes in der Corona-Krise jämmerlich versagt. Und ich befürchte, dass die Zahl der kritischen Stimmen auch jetzt unter der Ägide der heutigen Debatte zur Extremismusbekämpfung nicht sonderlich steigen wird. Das ist mehr als betrüblich.
Es geht um die Meinungsfreiheit. Als Journalist denkt man auch an die Pressefreiheit. Und da kann man die Äußerung „Meinungsfreiheit sei kein Freibrief“ auch als Drohung verstehen. Als Drohung aufzupassen, was man sagt und schreibt. Aber woher soll jemand wissen, was genau nicht zulässig ist, wenn Strafbarkeit hier nicht mehr zählt? Führt das nicht erst dazu, dass viele Bürger lieber die Klappe halten, man weiß ja nie …?
Genau das wird die Konsequenz sein. Und wenn ich mir angucke, dass jetzt angeblich hunderte Polizisten unter Extremismusverdacht stehen sollen und dabei noch nicht einmal genau beschrieben wird, inwiefern sich die Betroffenen extremistisch betätigen oder geäußert haben sollen – dann ist das genau die Ansage: „Passt auf, was Ihr sagt, Ihr könntet die nächsten sein!“ Immerhin berichtet der „stern“ am 4. April 2024, es würden bei der Polizei auch Disziplinarverfahren wegen „Verschwörungsideologie“ geführt (20). Wenn man sieht, wie inflationär dieser Begriff in den letzten vier Jahren gegen Regierungskritiker ins Feld geführt wurde, zeigt sich bereits jetzt, wie locker der Colt im Schaft der Disziplinarjäger sitzt. Es ist schwer vorstellbar, dass Herr Haldenwang nach dem, was er in der FAZ zum Besten gegeben hat, die Eingriffsschwelle höher ansiedelt, wenn es um Interventionen seiner Behörde geht.
Und wenn man es zum Äußersten treibt – das hat Fatina Keilani letztens treffend beschrieben (21), siehe ferner Claudio Casula (22) –, dann kann es sogar passieren, dass man die Verfolgung unliebsamer Amtsträger auf die Richterschaft ausdehnt: „Wehe, Ihr sprecht jemanden frei, der hier wegen einer regierungskritischen Äußerung angeklagt ist. Dann seid ihr die nächsten, die aus dem Dienst rausfliegen.“ Auf diese Weise bringt man Justiz und Verwaltung stramm auf Linie. Ich drücke es mal aus wie Coolio, der in „Gangsta’s Paradise“ in der ersten Strophe die folgenden Zeilen rappt: “You better watch how you talkin‘ and where you walkin‘. Or you and your homies might be lined in chalk”.
Diese Androhung steht gegenwärtig im Raum, und ich befürchte, sie wird ganz bewusst gesetzt. Auch schon dieser ominöse Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ bedeutet nichts anderes als die Androhung: „Passt bloß auf, wenn ihr die Regierung kritisiert! Passt vor allem auf, wenn Ihr zu behaupten wagt, die Regierung habe versagt, Unrecht begangen oder gelogen! Es könnte euch als Delegitimierung des Staates ausgelegt werden und dann habt ihr den Verfassungsschutz an der Backe!“
Herauskommen könnte dabei am Ende das, was Mike and the Mechanics in der dritten Strophe ihres Liedes „Silent Running“ wie folgt besungen haben: „Swear allegiance to the flag, whatever flag they offer. Never hint at what you really feel“. Öffentlich wahrnehmbar wären dann nur noch die Apologeten der Regierung, nicht aber deren Kritiker.
Wenn wir erkennen wollen, was nach den Vorstellungen der Ampelregierung alles als demokratiefeindlich bekämpft werden soll, müssen wir nur die Gesetzesbegründung zum Demokratiefördergesetz konsultieren (Bundestags-Drucksache 20/5823). Da ist natürlich zunächst die Rede von Rassismus, Antisemitismus und anderen Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Danach aber folgt schon die bereits erwähnte Delegitimierung des Staates.
Und noch weiter unten – aber immer noch im selben Textabsatz – finden wir die folgende Aussage:
„Dabei nehmen die Verbreitung von Verschwörungsideologien, Desinformation und Wissenschaftsleugnung, eine sich zunehmend radikalisierende Szene (etwa vor dem Hintergrund der öffentlichen Coronamaßnahmen), die neue Bündnisse zwischen verschiedenen radikalisierten Milieus schafft, aber auch Hass und Hetze im Internet sowie multiple Diskriminierungen und Bedrohungen immer weiter zu.“
Wer sich gegen die Corona-Maßnahmen auflehnt, ist also „radikalisiert“. Im Klartext: Es geht in diesem Gesetz darum, Initiativen zu fördern, die Menschen wie Sie und mich bekämpfen, die wir es wagen, die Wahrheit hinter dem Pandemie-Lügenkonstrukt aufzudecken und auszusprechen. Wo die staatlich finanzierte Antifa ihre Hetze gegen uns verbreitet, ist der Verfassungsschutz nicht mehr weit.
Thomas Haldenwang hat auch behauptet, in der Nachkriegsgeschichte sei die Demokratie in unserem Land selten so in Gefahr gewesen wie heute. Ich habe den Eindruck, man könnte ihm fast zustimmen, nur eben ganz anders …
Genauso sehe ich es auch: Thomas Haldenwang und Nancy Faeser verkörpern die personifizierte Bedrohung für unsere Demokratie. Sollte mich jemand für diese Aussage disziplinarrechtlich belangen, werde ich sämtliche Angriffe, die von Frau Faeser und Herrn Haldenwang gegen unsere Verfassung geführt werden, vor Gericht ausbreiten. Die Versuche dieser beiden Personen, den demokratischen Diskurs abzutöten, lassen sich glasklar und gerichtsfest belegen.
Ein erstaunlicher Schlusssatz von Haldenwang, der zwar bestätigt, dass man als VS „politisch neutral“ sei, aber „nicht gegenüber denen, die gegen unsere freiheitliche Demokratie agieren und agitieren“. Aber muss man nicht durchgehend politisch neutral sein?
Herr Haldenwang hat mit dieser Aussage seine offensive Medienpräsenz zu rechtfertigen versucht. Aber vergebens. Der Verfassungsschutz hat politisch neutral zu sein, wenn er es mit Meinungsäußerungen zu tun hat, die nicht darauf gerichtet sind, unsere Verfassungsordnung dem Umsturz preiszugeben. Es ist nicht seine Aufgabe, Menschen davon abzuhalten, die AfD zu wählen. Letztens hat er ja mal gesagt, der Verfassungsschutz sei „nicht allein“ dafür zuständig, die Umfragewerte der AfD zu senken (23).
Dazu ist klarzustellen: Er ist überhaupt nicht dafür zuständig, in den parteipolitischen Meinungskampf einzugreifen, sondern er muss zusehen, dass alle diejenigen, die an die Stelle einer vom Volk durch eine Wahl legitimierten und von Parlamenten und Gerichten kontrollierten Regierung irgendwas anderes Autoritäres, Totalitäres oder in anderer Weise Freiheitsfeindliches setzen wollen, mit ihrem gefährlichen Treiben frühzeitig erkannt werden.
Aber alles andere ist kein Extremismus, sondern legitime Kritik an der Regierung. Herr Haldenwang schreibt selbst: „Meinungsvielfalt und Diskurs – selbst scharfe, polemische oder radikale Äußerungen – sind nämlich das, was eine Demokratie von einer Autokratie oder Diktatur mit ihrem staatlich vorgegebenen propagandistischen Einheitsbrei unterscheidet.“
Die Frage lautet, welche Taten Herr Haldenwang aus dieser Aussage ableiten wird. Propagandistischen Einheitsbrei haben wir uns allein schon zur Corona-Krise vier Jahre lang anhören müssen, und auf anderen Politikfeldern (zum Beispiel Klima, Ukraine) sieht es nicht viel besser aus. Gegen all dies scheint Herr Haldenwang nicht einschreiten zu wollen. Aber er betrachtet es als seine Aufgabe (wenn auch nicht seine alleinige), die Umfragewerte der AfD zu senken.
Und so müssen wir seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz jene Doppelstandards befürchten, die wir schon seit Jahren beobachten müssen: Die Hetze der Antifa ist vermutlich aus seiner Sicht zulässiger demokratischer Diskurs. Kritiker des Regierungshandelns müssen sich demgegenüber auf eine Begegnung mit seiner Behörde gefasst machen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird damit in Wirklichkeit zu seinem eigenen Beobachtungsfall.
Quellenhinweise:
(1) Merkur vom 13. Februar 2024; https://www.merkur.de/politik/verfassungsschutzchef-rechtsextremismus-groesste-gefahr-zr-92830080.html
(2) Bild vom 27. Oktober 2023; https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/mehr-geheimdienst-rechte-faeser-plant-neues-anschwaerz-gesetz-85897114.bild.html
(3) https://www.facebook.com/bosettisarah/posts/ichhabemitgemacht-br%C3%BCllt-wir-vergessen-nicht-was-ihr-gesagt-habtaber-ich-m%C3%B6chte-/624442519049010/
(4) https://www.facebook.com/afdwatchhd/, gepostet am 23. Februar 2022.
(5) Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 22. November 2021; https://www.rnd.de/politik/corona-impfpflicht-verfassungsgemaess-bielefelder-rechtsprofessor-sagt-ja-verweigerer-koennten-JTXDMH6WZZDNNDBBYTTKSOZXQM.html
(6) Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 16. November 2021; https://www.rnd.de/politik/impfpflicht-werden-ungeimpfte-bald-von-der-polizei-zum-impfarzt-gebracht-EWFGYQMUEFBXPAQZM5WQTK6ZUM.html
(7) Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 22. November 2021; https://www.rnd.de/politik/corona-impfpflicht-verfassungsgemaess-bielefelder-rechtsprofessor-sagt-ja-verweigerer-koennten-JTXDMH6WZZDNNDBBYTTKSOZXQM.html
(8) taz vom 6. Februar 2022; https://taz.de/Corona-und-Impfpflicht/!5830407/
(9) https://ich-habe-mitgemacht.de/liste/nach-id.html, ID 1727.
(10) Deutsche Übersetzung der damaligen Rede von Vera Sharav auf tkp.at vom 21. August 2022; https://tkp.at/2022/08/21/rede-von-holcaust-ueberlebender-vera-sharav-in-nuernberg-20-august-2022-nie-wieder-ist-jetzt/
(11) https://netzwerkkrista.de/2023/10/18/verharmlosung-des-holocausts-durch-historische-vergleiche/
(12) Über diesen Fall wurde bereits unter Offenlegung des Namens berichtet, nämlich bei Alschner Klartext vom 2. November 2022; https://alschner-klartext.de/2022/11/02/die-anklage-gegen-robert-hoeschele-wegen-holocaustleugnung/
(13) LG München I, Urteil vom 6.6.2023 – 18 NBs 112 Js 160206/22; bestätigt durch BayObLG, Beschluss vom 18.12.2023 – 206 StRR 413/23.
(14) Nürnberger Nachrichten vom 26. August 2022; https://www.nn.de/nuernberg/nurnberger-corona-demo-anzeige-wegen-volksverhetzung-gegen-rednerin-1.12467492?fbclid=IwAR317Y9WUW7qiZxCQhhD86UjeqKXAH6cYz71vnt9AUrN2xSjRCWZKcooSfI_aem_AUWwUBScDzelOsF6gz4rGirQfzYRKSkvjfQntd01GFLBfn_2H3YDBeAk4IojJAGEelDL8vQTUR1CH1-xGw5BJOaM
(15) Cicero vom 3. April 2024; https://www.cicero.de/innenpolitik/demokratieverstandnis-des-verfassungsschutz-prasidenten-die-meinungsfreiheit-ist-ein-freibrief
(16) Bretschneider/Peter, Das Dienstrechtsänderungsgesetz 2023, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2024, Seiten 16 ff.
(17) Goertz, Das Gefahrenpotenzial militanter „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Rechtsextremisten und „Delegitimierer“, in: Kriminalistik 2023, Seiten 219 ff.
(18) Legal Tribune Online vom 24. November2022; https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verfassungsschutz-kritik-extremismus-delegitimierung-verfassung-bericht/
(19) Tichys Einblick vom 16. März 2024; https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/staatsrechtler-murswiek-faesers-13-punkte-plan-greift-in-grundrechte-ein/
(20) https://www.stern.de/gesellschaft/hunderte-rechtsradikale-und-mutmassliche-reichsbuerger-in-den-polizeien-der-bundeslaender-34596762.html
(21) NZZ vom 3. April 2024; https://www.nzz.ch/international/unliebsamen-beamten-droht-in-deutschland-die-entfernung-aus-dem-dienst-ld.1824698
(22) achgut.com vom 5. April 2024; https://www.achgut.com/artikel/auftakt_zur_polizei_saeuberung_a_la_faeser
(23) https://www.tagesschau.de/inland/verfassungsschutz-haldenwang-102.html