Die Initiative „Vereint für die Gastro“ kämpft gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 7 auf 19 Prozent. Sie würde, so die Argumentation, für viele Betriebe das Aus bedeuten. Im Interview berichtet das Mitglied David Dietz, warum sich die Initiative eine Chance ausrechnet, die Erhöhung noch abwenden zu können. Sie schaut dabei besonders auf den Bundeskanzler.
Tichys Einblick: Sie gehören zu den ersten Unterstützern des Bündnisses „Vereint für die Gastro“, Herr Dietz. Wie kam es dazu?
David Dietz: Zum Jahreswechsel soll der ermäßigte Satz der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auslaufen und von 7 auf wieder 19 Prozent hochfahren. Für nicht ganz wenige Betriebe würde diese Erhöhung das Aus bedeuten. Die Branche steht in ihrer Gänze auf vielen Feldern jetzt schon unter massivem Druck. Die Erhöhung wird sie nicht eins zu eins an die Kunden oder die Zulieferer weitergeben können. Kommt die Erhöhung, dann gehen einige Bars, Kneipen und Restaurants über die Wupper.
Das Bündnis hatte seinen Kick-Off in Mainz. Ist es seitdem schon aus der rheinland-pfälzischen Hauptstadt herausgewachsen?
Ja. Massiv sogar. Der Begründer der Initiative, Kemal Üres, ist selbst Gastronom und darüber hinaus sehr erfolgreich als Food-Influencer „Der Gastroflüsterer“ unterwegs. Vergangene Woche hat er in Hamburg die Schanze komplett zugeklebt mit Flyern und Bannern. Das war ein einziges Bild in Rot. Am kommenden Montag, 6. November, wird es ab 13 Uhr eine große Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor geben. An der nimmt die ganze Branche teil. Darunter ein großer Verband wie die Dehoga oder ein Anbieter wie Lieferando und Zulieferer wie die Metro AG.
Warum geht es der Gastronomie denn eigentlich schlecht? Sie ist in der Pandemie massiv staatlich subventioniert worden, danach gingen die Umsatzzahlen wieder hoch. Sind da Demonstrationen wie am 6. November nicht Jammern auf hohem Niveau?
Nein. Die Gastronomie steht weiterhin massiv unter Druck. Das sind verschiedene Faktoren.
Zum Beispiel?
Nehmen Sie das: In Supermärkten gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von To-Go-Produkten. Da sind mittlerweile richtige Mahlzeiten zum Mitnehmen darunter, für die es in den Supermärkten auch Mikrowellen und Ähnliches gibt, um die sich vor Ort selbst zuzubereiten. In Mainz haben wir am Rheinufer beides: Supermärkte, aus denen sich die Kunden die Ware mitnehmen, um sie dann am Flussufer zu verspeisen, und Lokale. So zahlen sie für vergleichbare Produkte deutlich weniger als im Lokal. Für sie ist das schön. Aber für den Wirt ist eine solche Konkurrenz dann vielleicht eine Belastung zu viel in einer ohnehin schon schweren Situation. Vor allem, wenn wir dann noch unterschiedliche Sätze in der Mehrwertsteuer für sie verlangen. Im Grunde muss das gesamte Mehrwertsteuersystem für Lebensmittel auf den Prüfstand. Der Wildwuchs in diesem Bereich treibt zum Teil skurrile Blüten. Das ist nicht mehr vermittelbar.
Welche Probleme sehen Sie denn weiter für die Gastronomie?
Wirte mussten schon die Preise an die Kunden weitergeben, die für sie gestiegen sind. Doch auch die Kunden haben durch die massive Inflation weniger Geld übrig. Wenn dann irgendwann das Schnitzel 25, 30 Euro oder mehr kosten wird, dann werden sich das viele nicht mehr leisten können und der Umsatz geht zurück. Dann stellt sich für Besitzer die Frage: Wie viel kann ich mir selbst noch leisten? Da geht es dann natürlich auch ans Personal. An dem wollen die Gastronomen nicht sparen, aber wenn du in so einer Situation bist, in der du ohnehin belastet bist und einen Mitbewerber wie die Supermärkte hast, dann hast du irgendwann ein Problem. Dann stellt sich die Frage: Wie lange geht das noch gut? Dann ist die gastronomische Vielfalt echt bedroht.
Nun war die Pandemie schon für den Einzelhandel ein Problem. Während Corona haben wahnsinnig viele Kunden die Vorteile des Online-Handels entdeckt. Was macht es aus den Innenstädten, wenn jetzt auch noch die Gastronomie schwächelt?
Die Innenstädte werden nicht attraktiver. Im Gegenteil. Dann stellt sich die Frage: Wer will noch in die Innenstadt? Das ist dann wie ein Teufelskreis: Je weniger konsumiert und eingekauft wird, desto unattraktiver wird die Innenstadt. Umso mehr aber die Attraktivität fehlt, desto mehr Läden machen dicht und so weiter. Dieser Teufelskreis führt dann zu einer Verödung der Innenstädte. Die hat zwar viele Gründe. Aber es ist ganz klar: Wer eine attraktive Innenstadt will, der braucht auch eine attraktive gastronomische Landschaft.
Wie groß sehen Sie die Chancen, die Erhöhung der Mehrwertsteuer noch abwenden zu können?
Wichtig ist, dass wir mobilisieren. Gerade mit Blick auf die Demonstration am 6. November. Damit der Platz vor dem Brandenburger Tor ordentlich voll wird. Aber ich bin optimistisch, dass uns das gelingt.
Wieso?
Weil alle betroffen sind. Nicht nur die, die in der Gastronomie arbeiten – sondern auch wir als Konsumenten. Es wäre doch brutal schade, wenn mein Wirt vor Ort zumachen muss. Wenn die Kneipe um die Ecke schließt oder die Bar in der Innenstadt. Das gehört doch zum Leben in einer Stadt dazu. Das weiß ich nicht zuletzt als Kommunalpolitiker.
Wieso?
Als Kommunalpolitiker weiß ich natürlich, dass wir Innenstädte am Leben halten müssen. Nicht zuletzt als sozialen Begegnungsraum der Gesellschaft. Wenn wir es schaffen, dies den Menschen klarzumachen, und die wiederum den Druck auf die Politik erhöhen, dann müsste am Ende auch was gehen. Denn schließlich sind die Bedingungen jetzt so günstig wie nie.
Wieso?
Wir knacken mit den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen bald die Grenze von einer Billion Euro. Wenn es die Politik dann nicht schafft, Belastungen zu reduzieren, dann setzt sie die völlig falschen Schwerpunkte.
Mit welchen Formen wollen Sie die Politik unter Druck setzen?
Mein Eindruck ist: Die Gastrobranche erwacht gerade. Die merken, es geht wirklich ans Eingemachte. Da finden jetzt Ansprachen an die jeweiligen Politiker statt. Manuela Schwesig beispielsweise hat als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern eine Initiative im Bundesrat gestartet, die Gastronomie zu retten. Wir arbeiten als Bündnis derzeit daran, dass Rheinland-Pfalz und andere Länder diese unterstützen.
Sie sind selbst Lokalpolitiker, führen die FDP-Fraktion im Mainzer Stadtrat an. Wie kommt Ihr Engagement in Ihrer Partei an? Die sitzt schließlich mit in der Bundesregierung, die wieder die Mehrwertsteuer auf die Gastronomie erhöhen will?
Ich habe durch mein politisches Engagement einen großen Vorteil: Ich sitze in einigen Gremien mit drin. Und da gibt es eine klare Beschlusslage in der FDP-Bundestagsfraktion: Sie will eine Entfristung der niedrigeren Mehrwertsteuer. Diese soll also dauerhaft 7 Prozent betragen. To-Go-Produkte und das Essen im Restaurant sollen dann wieder gleich teuer sein. Das wäre auch ordnungspolitisch sinnvoll.
Wie sieht es in der SPD aus?
In der gibt es einen Fürsprecher für die Mehrwertsteuer von 7 Prozent für die Gastronomie. Ganz oben. Der Bundeskanzler hat im Wahlkampf selbst gesagt, er ist dafür, dass die Mehrwertsteuer für die Gastronomie bei 7 Prozent bleibt. Es macht ja auch Sinn. 7 Prozent Mehrwertsteuer von einem existierenden gastronomischen Angebot ist mehr als 19 Prozent von einem nicht existierenden. Olaf Scholz’ Wort steht erst einmal, daran wird er sich messen lassen müssen.
Wie sieht Olaf Scholz’ Rückhalt in der SPD aus?
Auf kommunaler Ebene gibt es ganz viel Rückhalt für das Engagement von „Vereint für die Gastro“. Aber am Ende stellt sich die Frage, wie sehen es die, die am Schluss die Hand heben müssen. In der Bundestagsfraktion gibt es auch andere Stimmen. Sie wären für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Da höre ich derzeit aber sehr viel Unterschiedliches.
Und wie ist es mit den Grünen?
Da höre ich nicht so viel Unterschiedliches. Da höre ich mehr: Man ist gegen eine niedrigere Mehrwertsteuer und möchte andere Schwerpunkte setzen.