Tichys Einblick
Das Ende von Correctiv?

„Einseitiger politischer Aktivismus, der lediglich im Kleid des Journalismus versteckt wird“

Carsten Brennecke ist Anwalt für Medienrecht. Er vertritt Ulrich Vosgerau und andere in Verfahren gegen Correctiv und andere Medien, die eine Legende von Deportationsplänen einer neuen Wannsee-Konferenz kolportieren. Doch erst jetzt geht er gegen den Bericht von Correctiv als solchen juristisch vor. Warum, erklärt er im Interview mit Tichys Einblick.

Bild: Carsten Brennecke, Sreenprint Correctiv; Collage: Tichys Einblick

Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das Medium Correctiv seine Potsdam-„Recherche“. Darin wurde das Bild einer neuen Wannsee-Konferenz konstruiert, in der eine Gruppe von AfD-Anhängern und anderen Personen die massenhafte Deportation von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund geplant haben soll. Eine reißerische Story, die zu Massenprotesten „gegen Rechts“ führte.

Carsten Brennecke ist Anwalt und Partner der Kanzlei Höcker – Deutschlands bedeutendster Kanzlei für Medienrecht. Für Ulrich Vosgerau führt er Prozesse gegen Correctiv und solche Medien, die die Potsdam-„Recherche“ ungeprüft übernommen und verbreitet haben.

Tichys Einblick: Herr Brennecke, gab es Deportationspläne, wie von NDR, SWR und anderen Medien kolportiert wurde?

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Carsten Brennecke: Nein, Deportationspläne, wie in der Tagesschau des NDR, im Heute-journal des ZDF und vom SWR berichtet, gab es in Potsdam eindeutig nicht. Diese Medien haben sich durch Correctiv in die Irre führen lassen und berichtet, in Potsdam sei eine Deportation im Sinne einer Ausweisung oder Abschiebung deutscher Staatsbürger diskutiert oder geplant worden. Dass auf dem Treffen das Wort „Deportation“ kein einziges Mal fiel, ist mittlerweile unstreitig. Mehrfach gerichtlich als falsch verboten wurde auch die Aussage, in Potsdam sei eine Ausweisung oder Abschiebung deutscher Staatsbürger Thema gewesen. Bemerkenswert ist, dass selbst Correctiv im von Herrn Dr. Vosgerau geführten Gerichtsverfahren anwaltlich zugestanden hat, dass Correctiv nicht berichtet haben möchte, dass es solches auf dem Potsdam-Treffen gab.

Wenn Correctiv tatsächlich nie geschrieben hat, dass Deportationen geplant wurden – wie kann es sein, dass eine Vielzahl von Journalisten offensichtlich genau das in dem Bericht gelesen hat?

Das liegt daran, dass der Correctiv-Bericht mit irreführenden Wertungen gespickt ist, die dazu geführt haben, dass Medien, Politiker und Leser in die Irre geführt wurden. Denn Correctiv hat berichtet, vom Potsdam-Treffen bleibe „ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ zurück. Das haben die Leser nachweislich so verstanden, als ob ein solcher Plan geschmiedet worden sei. Correctiv hat zudem berichtet, im Vortrag des Martin Sellner habe es eine „Ausbürgerungsidee“ gegeben. „Ausbürgerung“ bedeutet aber den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft. Deshalb haben viele den Bericht so falsch verstanden, dass in Potsdam der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft geplant worden sei.

Wie kann es sein, dass viele Medien die angeblichen Enthüllungen von Correctiv so unkritisch übernahmen?

Nun muss man zur Ehrenrettung der Journalisten sagen, dass Correctiv den Bericht unter Verstoß gegen die journalistischen Sorgfaltspflichten grob irreführend geschrieben hat. Man kann den Bericht daher durchaus missverstehen. Mein Vorwurf an die Journalisten geht daher in eine andere Richtung: Es wäre Journalisten mit einer einfachen Gegenrecherche möglich gewesen, festzustellen, dass Correctiv Falsches insinuiert. Man hätte vor der hektischen Weiterverbreitung der Correctiv-Meldung einfach nur bei Herrn Dr. Vosgerau anrufen müssen und wäre eines Besseren belehrt worden. Die vielen Medien, die die Correctiv-Behauptungen unreflektiert weiterverbreitet haben, fanden die Geschichte aber offensichtlich so gut, weil in ihre Agenda passend, dass man diese vielleicht nicht „kaputt recherchieren“ wollte.

Das Medienversagen liegt meiner Meinung nach somit nicht nur im schlechten Textverständnis vieler Medien, sondern vor allem darin, dass man mit eng anliegenden Scheuklappen ohne jede Nachrecherche blind die irreführenden Darstellungen Correctivs übernommen und sogar vielfach zugespitzt hat.

Gegen wie viele Medien konnten Sie bisher die Unterlassung solcher Aussagen erstreiten?

Correctiv selbst wurde eine Falschbehauptung zum Inhalt des Vortrags von Vosgerau auf dem Potsdam-Treffen rechtskräftig verboten.

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Doch auch Correctiv-Chef Schraven hat ein rechtskräftiges gerichtliches Verbot kassiert: Ihm wurde seine Falschbehauptung verboten, das Landgericht Hamburg habe die Darstellungen Correctivs rund um die angeblichen Remigrationsplanungen gerichtlich geprüft und bestätigt. Das war nicht so, das hatte Schraven frei erfunden, als der Druck auf Correctiv stieg.

Dem NDR wurde seine Falschbehauptung der Tagesschau verboten, in Potsdam sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger geplant und der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft diskutiert worden.

Campact wurde die Falschbehauptung verboten, es sei eine „Zwangsdeportation“ von Deutschen mit Migrationshintergrund das Hauptanliegen gewesen, sowie Ziel, Deutschen mit Migrationsgeschichte das Wahlrecht zu entziehen.

Dem ZDF wurde die Falschbehauptung im Heute-journal verboten, in Potsdam sei die Deportation von Millionen Menschen, auch solcher mit deutscher Staatsbürgerschaft, geplant worden und es sei um die Idee gegangen, Millionen Menschen abzuschieben, auch solche mit deutschem Pass.

Dem SWR wurde rechtskräftig die Falschbehauptung verboten, in Potsdam sei die Ausweisung von unliebsamen Deutschen mit Migrationshintergrund geplant worden.

Der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion Hamburg wurde rechtskräftig die Falschbehauptung verboten, die Teilnehmer seien zusammengekommen, um die Deportation von unliebsamen deutschen Staatsbürgern ins afrikanische Ausland zu besprechen.

Darüber hinaus bin ich für Herrn Dr. Vosgerau dutzendfach außergerichtlich gegen verschiedene Medien vorgegangen, die zu ähnlichen Falschbehauptungen Unterlassungserklärungen abgegeben haben. Darunter waren auch große Medien wie t-online.de.

War das Potsdam-Treffen eine AfD-Veranstaltung, wie oft gemutmaßt wird?

Nach allem, was wir dazu wissen, ist dies nicht der Fall. Die AfD hat die Veranstaltung in keiner Weise initiiert, geplant, geleitet oder durchgeführt. Neben Politikern verschiedener anderer Parteien und Unternehmern waren auch Politiker der AfD anwesend. Eine tragende Rolle hatten diese nicht.

Was bedeutet es, dass Beatrix von Storch nun sagen darf, dass Correctiv „dreckige Lügen“ verbreiten würde?

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Das Landgericht Berlin hat hier ein bemerkenswertes Urteil erlassen. Nach dieser Entscheidung ist die Aussage, dass es „dreckige Lügen“ von Correctiv gibt, eine zulässige Meinungsäußerung. Das Gericht hat dies zutreffend damit begründet, dass der Correctiv-Bericht Falschbehauptungen enthalte, zumindest aber falsche Eindrücke erwecke. Dies hat das Gericht damit begründet, dass ja nachweislich zahlreiche Medien den Correctiv-Bericht in dem Sinne verstanden haben, dass dort die Ausweisung, Abschiebung oder Deportation Deutscher geplant wurde und entsprechend berichtet haben. Das ist aber falsch.

Im Verfahren von Storch gegen Correctiv haben die Richter eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit Correctivs ins Spiel gebracht. Ist der Fall damit erledigt?

An die Gemeinnützigkeit von Correctiv muss man ein großes „Fragezeichen“ machen: Die Tätigkeit von Correctiv hat nichts mit Journalismus und erst recht nichts mit gemeinnützigem Journalismus zu tun. Wie schon die WELT festgestellt und berichtet hat, fällt Correctiv durch eine einseitige Agenda-Berichterstattung auf. Es werden vor allem kritische Themen wie AfD, Migration und Corona beleuchtet. Regierungskritische Recherchen und Artikel sucht man hingegen fast vergebens. Tatsächlich handelt es sich bei Correctiv nicht um Journalismus, sondern um einseitigen politischen Aktivismus, der lediglich im Kleid des Journalismus versteckt wird, um damit eine größere Durchschlagskraft zu erzielen. Gemeinnützig ist das schon deshalb nicht, weil es nur einer politischen Seite dienen soll.

Lange haben Ihre Mandanten und Sie gezögert, die Potsdam-Recherche selbst juristisch anzugreifen. Stattdessen haben Sie gegen Medien Klage eingereicht, die die Potsdam-Recherche zitierten. Warum?

Die angegriffenen Aussagen, zum Potsdam-Treffen bleibe ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern zurück und in Sellners Vortrag habe es eine „Ausbürgerungsidee“ gegeben, befinden sich äußerungsrechtlich an der Grenze zwischen einer Bewertung, also einer zulässigen Meinungsäußerung, zu einer Tatsachenbehauptung. Juristisch ist der Angriff auf solche Äußerungen deshalb nicht leicht, weil es im Presserecht das Gebot der meinungsfreundlichen Auslegung gibt. Wenn eine Äußerung als Meinung verstanden werden kann, dann ist sie im Zweifel als Meinung zu behandeln und damit zulässig. Daher waren wir mit dem Angriff zunächst einmal vorsichtig.

Warum haben Sie  jetzt – ein Jahr später – dann aber Klage gegen Correctiv und zentrale Aussagen ihrer Recherche erhoben?

Mittlerweile sind so viele Medien und Leser nachweislich auf den Correctiv-Bericht hereingefallen und haben diesen so verstanden, als ob dort (falsche) Tatsachenbehauptungen berichtet wurden, dass wir jetzt den Nachweis führen können, dass es sich eben nicht nur um Wertungen handelt, sondern nach dem Leserverständnis um Tatsachenbehauptungen. Das von Ihnen schon angesprochene Urteil des Landgerichts Berlin ist dabei relevant: Es stützt unsere Auffassung, dass die Fehlleitung der Medien belegt, dass Correctiv als Tatsache falsch berichtet hat. Deshalb nun der Angriff auf die Kernaussagen des Correctiv-Berichts.

Wenn Sie gewinnen sollten – was passiert dann?

Das Spannende ist ja, dass die Teilnehmer in diesen Verfahren nur gewinnen können, egal wie das Verfahren ausgeht: Wenn das Landgericht Hamburg erwartungsgemäß feststellt, dass Correctiv Tatsachen berichtet hat, dann werden diese als Falschbehauptungen verboten. Sollte das Landgericht Hamburg wider Erwarten feststellen, dass es sich um Wertungen handelt und diese freizeichnen, wäre dies ebenfalls ein Sieg für die Teilnehmer: Denn dann wäre nun gerichtlich endgültig geklärt, dass der Correctiv-Bericht bezüglich der Kernaussagen nichts enthält als wolkige Wertungen.

Wenn die Teilnehmer sich vor Gericht durchsetzen, dann ist die Durchsetzung weiterer Ansprüche gegen Correctiv und die Redakteure denkbar. Dann kann es nämlich um Ansprüche auf Widerruf, auf Schadensersatz und auf Geldentschädigung gehen.

Ist Correctiv nun also am Ende?

Ja. Aber nicht nur der Ruf von Correctiv ist nachhaltig beschädigt, sondern damit leider auch der Ruf des deutschen Journalismus. Denn viel zu viele Medien müssen sich vorwerfen lassen, den Correctiv-Bericht ohne kritische Nachrecherche einfach übernommen zu haben.

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Zur Ehrenrettung muss man aber auch sagen, dass es neben Tichys Einblick andere Medien gab, die von Beginn kritisch waren und Correctiv hinterfragt haben, nämlich die WELT, die NZZ, Cicero, die Berliner Zeitung, die LTO, später auch die ZEIT, auch die Teams von NIUS und der Jungen Freiheit. Diesen Medien, die gegen den Mainstream kritisch blieben, kann man nicht genügend Respekt zollen.

Dass Correctiv schwer angeschlagen ist, sieht man auch daran, dass die zweite Correctiv-Geschichte zu einem weiteren angeblichen Geheimtreffen in der Schweiz wirkungslos verpufft ist. Fast kein Medium hat diese Geschichte noch übernommen. Das wäre vor einem Jahr ganz anders gewesen. Auch wenn die meisten Medien einschließlich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bislang nicht darüber berichten, dass und warum die Correctiv-Geschichte vollständig entzaubert ist, ist somit eine große Zurückhaltung der Medien gegenüber Correctiv festzustellen. Frei nach dem Motto: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“.

Nun sind die Politiker aufgefordert, die Finanzierung von Correctiv aus Steuermitteln einzustellen. Wenn das geschieht, dann wird Correctiv mittelfristig in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Herr Brennecke, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Hören Sie im TE-Podcast zum Thema „Ein Jahr nach Potsdam – Correctiv-Lügen endgültig zertrümmert“ ein Gespräch mit Staatsrechtler Ulrich Vosgerau >>>

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