Spaniens Energiesparplan tritt diesen Mittwoch in Kraft. Innenräume sollen im Sommer nur noch auf 27 Grad gekühlt und im Winter auf 19 Grad geheizt werden, zudem soll die Stadtbeleuchtung drastisch heruntergefahren werden. Für Antonio Turiel, Forscher am Institut für Meereswissenschaften in Barcelona und Mitglied des spanischen nationalen Forschungsrats (CSIC), reicht das nicht. Er warnte vor mehr als einem Jahr in einer fast schon legendären Rede im spanischen Senat vor weltweiter Materialknappheit und einer Energiekrise. Damals gab es noch keine Embargos gegen Russland. In seinen öffentlichen Interventionen wie in seinem Blog „The Oil Crash“ und dem Buch „Petrocalípsis“ entwirft der Physiker seit Jahren ein kompliziertes Szenario für die Weltwirtschaft: Fossile Brennstoffe haben ihren Niedergang begonnen oder stehen kurz davor, und erneuerbare Energien können sie nicht ersetzen, auch wenn das niemand zugeben wolle.
Stefanie Claudia Müller: Sie haben den Zusammenbruch, den wir jetzt erleben, vorausgesehen. Alle denken, es liegt am Krieg in der Ukraine. Stimmt das?
Antonio Turiel: In der Tat ist nicht alles, was passiert, auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Er hat jedoch alles beschleunigt. Bereits Ende letzten Jahres verteuerten sich Erdgas, aber auch Strom und erdölbasierte Kraftstoffe. Das grundlegende Problem, das auch nach Kriegsende bestehen bleiben wird, ist, dass wir an die Grenze fossiler Brennstoffe stoßen. Alle nicht erneuerbaren Energierohstoffe (einschließlich Uran) haben ihre maximale Förderung erreicht oder stehen kurz davor, diesen Punkt zu erreichen, was bedeutet, dass die Verfügbarkeit abnimmt.
Ist die grüne Energiewende am Ende oder erst am Anfang?
Spanien scheint der Gewinner dieser Energiekrise zu sein. Stimmt das?
Spanien befindet sich derzeit in einer besseren Energiesituation in Bezug auf Erdgas, von dem derzeit alle besessen sind, da Spanien 38 Prozent der LNG-Kapazitäten in Europa konzentriert und dadurch Zugang zu einem großen Teil des Gases hat, das aus den USA kommt. Es muss gesagt werden, dass Spanien aufgrund der Immobilienblase und darauffolgenden Finanzkrise über so viel Regasifizierungskapazität verfügt: Einige Bauunternehmen haben sich durch diese Terminale damals gerettet. Sie wurden von dem staatlichen Gasinfrastruktur-Betreiber Enagas in Auftrag gegeben. Damals waren sechs davon für ein Land wie Spanien ein Wahnsinn. Jetzt können wir natürlich froh sein, dass wir sie haben. Vorübergehend haben wir auch beim Diesel einen Vorteil. Spanien hat praktisch alle Raffinerien auf seinem Territorium erhalten, während in Europa viele geschlossen wurden. Wir importieren Rohöl, bereiten es auf und exportieren derzeit auch eine gewisse Menge an Benzin und Diesel.
Wie sind Ihre Prognosen für diesen Winter?
Für ganz Europa sehr ungünstig. Laut den ENTSOG-Studien (European Network of Transmission System Operators for Gas), wird geschätzt, dass bei einer Reduzierung des Gasverbrauchs um 15 Prozent unsere Lagerbestände bis März nächsten Jahres dauern könnten. Es ist aber auch so, dass die Szenarien von einem gemäßigten Winter ausgehen. Sollte das nicht der Fall sein, schaffen wir es nicht. Trotz der Tatsache, dass die Auswirkungen auf Deutschland erheblich sein können, ist Frankreich das Land, das am stärksten betroffen sein wird. Da mehr als die Hälfte seiner Kernkraftwerke aufgrund von technischen Revisionen auf unbestimmte Zeit abgeschaltet sind, ist Frankreich in kritischer Weise abhängig von importiertem Strom und Gas. Die Regierung dort wird sehr harte Maßnahmen ergreifen müssen, um diesen Winter zu überstehen.
Was ist mit grünem Wasserstoff? Ist er die Lösung, um fossilen Kraftstoff zu ersetzen?
Zeigt die aktuelle Situation, dass wir auf ein Ende der Globalisierung zusteuern?
Langfristig ist es unvermeidlich. Mit den steigenden Kosten für Transport und Rohstoffgewinnung wird es unmöglich sein, aus der Ferne zu importieren. Es wird wettbewerbsfähiger und billiger sein, Dinge vor Ort zu erledigen. Es wird eine Zeit kommen, in der es der einzige Weg sein wird. Billiges und reichlich vorhandenes Öl machte die Globalisierung möglich, knapper und teurer Kraftstoff führt nun zu einem Umdenken.