Tichys Einblick
Grüne Ideologie dominiert deutsche Politik

Zurück zur Kohle: Die Widersprüchlichkeit der Grünen

Mit dem Ukraine-Krieg sind die Rückständigkeit und die Widersprüchlichkeit unserer grünen Politiker noch stärker in den Vordergrund gerückt. Von Sabine Beppler-Spahl

IMAGO / Jochen Tack

Entwickelt sich Deutschland zurück? In den vergangenen Wochen kündigte Robert Habeck an, übergangsweise zur Kohleverstromung zurückkehren zu wollen, um damit russisches Gas zu ersetzen. Die Lage sei ernst, sagte er, nachdem die Gaslieferungen durch die Nord-Stream-1-Pipeline um 60 Prozent zurückgegangen waren. Sie ist sogar so ernst, dass er die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen hat.

Modern, jung und dynamisch – so stellten sich die Grünen bisher in der Öffentlichkeit dar. In Teilen der Presse werden sie immer noch wie Stars einer modernen Politik gefeiert. Mit Annalena Baerbock und Robert Habeck sei ein neuer Stil in die Politik gekommen, heißt es zum Beispiel im Spiegel. „Ich glaube, dass das, was Habeck und Baerbock da stilistisch machen, auf der Höhe der Zeit ist“, schrieb einer ihrer Journalisten noch vor wenigen Tagen voller Bewunderung.

Von diesem Gerede einer modernen Politik sollten sich die Wähler nicht täuschen lassen, denn tatsächlich ist das grüne Programm der Regierung weder in technologischer noch in sozialer Hinsicht fortschrittlich. Das Problem ist vielmehr, dass uns die Energiewende jahrelang als Ausdruck deutscher Modernität und Innovation verkauft wurde. Nun, da deren Grenzen so deutlich sichtbar werden, fällt es vielen – auch außerhalb der grünen Partei – schwer, sich von ihrem politischen Lieblingsprojekt zu lösen.

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Noch im Dezember hatte die Regierung großmündig angekündigt, den Kohleausstieg – zum Schutz des Klimas – beschleunigen zu wollen. Statt den Ausstieg bis 2038 zu vollziehen, wie es die alte Regierung unter Merkel geplant hatte, sollte Deutschland möglichst ab 2030 ohne Kohle auskommen. Wie immer lag unseren Politikern viel daran, sich auch international als klimapolitische Musterschüler darzustellen: Im Kampf gegen die Klimakrise sei ein weltweiter Kohleausstieg eine der wichtigsten Maßnahmen, sagte die Bundesumweltministerin im November, nachdem die Regierung – wieder einmal – eine neue Klimaerklärung unterzeichnet hatte (das sogenannte „Global Coal to Clean Power Transition Statement“).

Natürlich wird die Ankündigung, die Kohlekraftwerke weiterlaufen zu lassen als eine Notlösung präsentiert. Die prekäre Versorgungslage und die noch relativ leeren Gasspeicher, heißt es nun, ließen der Regierung keine andere Wahl. Und tatsächlich: Die Abhängigkeit von russischem Gas, die in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, muss kompensiert werden. Noch bis vor wenigen Wochen lag der Anteil russischer Gasimporte am deutschen Bedarf bei über 50 Prozent. Ein Teil dieser Importe wurde zur Herstellung von Strom – der nicht zuletzt auch für die Umstellung auf Elektroautos gebraucht wurde – benötigt (im Jahr 2021 waren das 15 Prozent).

Unglaubwürdig steht die Regierung trotzdem da und der Grund ist, dass sie – mit ziemlich fadenscheinigen Argumenten – gleichzeitig an ihrem Plan, bis zum Ende des Jahres aus der Atomkraft auszusteigen, verbissen festhält. Nicht einmal an einer Debatte über die Beibehaltung der letzten drei Kraftwerke hat sie ein Interesse, wie Olaf Scholz kürzlich deutlich machte: Es gebe eine ziemlich einheitliche Expertenmeinung, dass die Brennstäbe für die verbliebenen drei Atommeiler nur bis Ende des Jahres reichten, behauptete er.

Es ist zwar üblich geworden, Debatten mit Expertenmeinungen abzuwürgen, aber es ist schwer vorstellbar, dass die Regierung diesmal damit davonkommt. Selbst Markus Söder (der immer mal wieder für seine Anbiederungen an die Grünen kritisiert wurde), bezeichnete Scholz’ Behauptung als „fachlichen Blödsinn“. Klarer Widerspruch kam auch vom Kernkraftverband, der jedoch darauf hinwies, dass, je länger man warte, desto schwieriger es sei, die derzeit im Abschaltungsprozess befindlichen AKWs wieder hochzufahren.

Energiekrise
Das blutige Geschäft mit Steinkohle
Deutschland hat sich in den letzten Monaten schneller verändert als es manchen in der Politik lieb ist. Und die Wähler scheinen schneller zu reagieren, als die sich an alten Illusionen klammernde Regierung. Immer neue Umfragen bestätigen, dass sich längst eine Mehrheit von weit über 50 Prozent für die Atomkraft als saubere, sichere, CO2-neutrale und sehr effiziente Energiequelle ausspricht. Vor allem die Abschaltung der noch bestehenden Meiler trifft auf Unverständnis: Einer Umfrage zufolge sprechen sich sieben von zehn Deutschen dafür aus, die Laufzeit zu verlängern. Einzig bei den Grünen-Wählern – wenig überraschend – findet sich nach wie vor eine Mehrheit (56 Prozent) dagegen. Indem die Regierung die Meinung dieser Wähler bevorzugt, betreibt sie eine klare Minderheitenpolitik.

Der Wandel in der Mehrheitsmeinung ist gut und überfällig. Mit dem Ukraine-Krieg sind die Rückständigkeit und die Widersprüchlichkeit unserer grünen Politiker noch stärker in den Vordergrund gerückt.

Immer mehr Deutsche verstehen nun, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ausstieg aus der Atomkraft und der zunehmenden Abhängigkeit von billigem russischen Gas gab. Die teure Umstellung auf erneuerbare Energien, mit denen man sich zudem abhängig vom Wetter (Wind und Sonne) macht, konnte nur durch den Rückgriff auf die Gaslieferung einigermaßen sozial verträglich gestaltet werden (die Strompreise zählen trotzdem seit vielen Jahren zu den höchsten in Europa und der Welt).

"massive Folgen"
Habeck stellt Bevorzugung von Haushalten bei Gasknappheit infrage
Grüne Ideologie dominiert die deutsche Politik seit vielen Jahren, obwohl die Grüne Partei nie besonders beliebt war. (Bei den letzten Wahlen erhielt sie lediglich 14,8 Prozent der Stimmen.) Ihre Ideen aber wurden von großen Teilen der bessergestellten Mittelschicht und auch den anderen Parteien aufgegriffen. Die Mehrheit ließ es sich gefallen, solange die Wirtschaft einigermaßen lief. Das hat sich nun, mit den Preissteigerungen der letzten Monate, geändert. Die Durchschnittspreise für Gas liegen heute um 73 Prozent höher als im Vorjahr und auch der Strompreis hat mit bis zu 40 Cent pro Kilowattstunde ein neues Rekordhoch erreicht.

Doch was fällt dem grünen Wirtschaftsminister und anderen Regierungsvertretern – außer der Fortführung der Kohlekraftwerke – dazu ein? Nichts, außer dem altbekannten grünen Appell an die Bürger, Energie zu sparen. Notfalls, so kündigte Habeck es vor wenigen Tagen an, werde er das Energiesparen per Gesetz regeln. Im Gespräch stehen Vorschriften, nach denen zum Beispiel Mietwohnungen auf höchstens 19 Grad Celsius beheizt werden sollen oder dass Friseure dünnere Handtücher benutzen und die Menschen insgesamt weniger duschen sollen.

Habeck, der sich schon mit seinem verzweifelten Besuch in Katar ziemlich lächerlich gemacht hat, trägt nicht allein die Schuld. Er scheint jedoch die Widersprüche und Unehrlichkeiten der deutschen Politik zurzeit am deutlichsten zu repräsentieren, Mit der Krise wird die Entzauberung der grünen Ideologie weiter voranschreiten und auch ihr Klassencharakter immer deutlicher hervortreten. Um die gröbsten Härten abzuwenden, hat die Vorsitzende der Grünen-Partei unlängst neue staatliche Zuwendungen und mehr Sozialausgaben gefordert. Bezeichnenderweise sagte sie: „Wenn wir an den Sozialausgaben sparen, gleiten womöglich noch mehr Menschen in Armut ab und verlieren das Vertrauen in den Staat. Das gefährdet die Grundlagen unserer Demokratie.“

Mit Vertrauen in den Staat und Demokratie meint sie natürlich ihre Politik. Den überheblichen, misstrauischen Ton solcher Äußerungen werden viele, die von den Preissteigerungen betroffen sind, wahrnehmen. Statt einer Politik, die darauf abzielt, alles zu tun, um die Energiepreise – zumindest perspektivisch – wieder sinken zu lassen und genügend Energie für alle zur Verfügung zu stellen, werden immer mehr Menschen zu Almosenempfängern von staatlichen Gnaden gemacht. Die grüne Politik will Deutschland wahrhaftig zurückentwickeln. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass die Wähler das nicht zulassen werden.


Dieser Text von Sabine Beppler-Spahl ist zuerst bei Novo erschienen.

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