Während sich in Deutschland die meisten Politiker und politischen Parteien einer dringend notwendigen Aufarbeitung der Coronapandemie noch immer verweigern, macht diese in nahezu allen maßgeblichen Ländern mit strenger Coronapolitik mittlerweile erhebliche Fortschritte. Seit heute ist ein umfangreicher, 520-seitiger Abschlussbericht eines Ausschusses des US-Repräsentantenhauses zur Untersuchung der Coronavirus-Pandemie der weltweiten Öffentlichkeit zugänglich. Der Untertitel dieses Berichts klingt bereits vielversprechend: Es geht um die gewonnenen Erkenntnisse sowie um den zukünftigen Weg der Pandemiebekämpfung. Dabei wird zurückgegriffen auf nicht weniger als 25 Anhörungen, 38 Interviews mit maßgeblichen Akteuren aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Politik, sowie auf mehr als eine Million Seiten von relevanten Dokumenten.
Bereits im Vorwort wird eingestanden, dass „Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens zusammenarbeiten müssen, um das Vertrauen der Amerikaner zurückzugewinnen; die Amerikaner wollen unterrichtet und nicht indoktriniert werden.“ Es wird hervorgehoben, dass „die Verfassung in Krisenzeiten nicht außer Kraft gesetzt werden kann und Einschränkungen der Freiheiten Misstrauen gegenüber der öffentlichen Gesundheit säen.“ Insbesondere „kann das Rezept zur Pandemiebekämpfung nicht schlimmer sein als die Krankheit selbst, wie zum Beispiel strenge und allzu weitreichende Lockdowns, die zu vorhersehbaren Qualen und vermeidbaren negativen Folgen führten.“ Und zum Schluss des Vorworts heißt es: „Die COVID-19 Pandemie hat das Misstrauen gegenüber der Führung deutlich gemacht. Vertrauen wird verdient. Verantwortlichkeit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität werden dieses Vertrauen zurückgewinnen. Eine zukünftige Pandemie erfordert eine Reaktion, die von Menschen ohne persönlichen Vorteil oder Voreingenommenheit gesteuert wird.“
Dies sind wohlklingende Worte. Doch noch immer vermissen die meisten Menschen in den verschiedenen Ländern – allen voran in Deutschland – diese notwendige Verantwortlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit im Zusammenhang mit den getroffenen Maßnahmen während der Coronapandemie. Lediglich im Schneckentempo und meist nur durch bewunderungswerte Whistleblower oder durch freigeklagte Korrespondenzen erfahren wir beispielsweise in Deutschland von der erheblichen politischen Einflussnahme auf das Robert-Koch-Institut oder auf den Ethikrat und damit über das bewusste Verhindern einer angemessenen wissenschafts- und evidenzbasierten Reaktion auf die Pandemie bzw. einer kritischen Begleitung der politisch angeordneten Maßnahmen. Im Gegensatz hierzu ist bemerkenswert, dass der Abschlussbericht des Ausschusses des US-Repräsentantenhauses eine Vielzahl von problematischen Entscheidungen während der Coronapandemie offen anspricht. So wird u.a. festgestellt, dass „langfristige Schulschließungen nicht durch die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Indizien gestützt wurden“ – im Gegensatz zu Behauptungen einiger selbst ernannten „Experten“ sowohl in USA als auch hierzulande. Ferner offenbart der Bericht, dass eine „Impfpflicht nicht vom Stand der Wissenschaft unterstützt wurde und mehr Schaden als Nutzen verursachte“ und dass „Masken bzw. eine Maskenpflicht bei der Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 wirkungslos waren.“
Besonders ausführlich geht der Bericht des US-Ausschusses auf die Frage des Ursprungs der Coronapandemie und damit einhergehender Fehlentwicklungen ein. So wird darauf hingewiesen, dass „Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens die Laborleck-Theorie fälschlicherweise als Verschwörungstheorie bezeichneten“ – ähnlich wie medial inszenierte Experten in Deutschland. Der Bericht stellt fest, dass die „Regierung undemokratische und wahrscheinlich verfassungswidrige Methoden anwandte, um (angebliche) Fehlinformationen zu bekämpfen.“ Dagegen steht nach heutigem Stand des Wissens fest, dass „SARS-CoV-2, das Virus, welches COVID-19 verursacht, höchst wahrscheinlich als Folge eines Labor- oder Forschungsunfalls hervorgegangen ist.“ Hierfür sprechen nicht nur eine Vielzahl von außergewöhnlichen Merkmalen der Gensequenz des SARS-CoV-2 Virus, sondern ebenso die Erkenntnisse der US-Geheimdienste, wie deren Direktor John Ratcliffe in einer Anhörung zu Protokoll gab: „Meine fundierte Einschätzung als Person, die im ersten Jahr des Virusausbruchs und des Ausbruchs der Pandemie genauso viel oder sogar mehr Zugang zu den Geheimdienstinformationen unserer Regierung hatte wie jeder andere, ist und bleibt, dass ein Laborleck die einzige Erklärung ist, die von unseren Geheimdienstinformationen, durch wissenschaftliche Erkenntnisse und durch gesunden Menschenverstand glaubwürdig gestützt wird.“
In dem Bericht des US-Ausschusses wird darüber hinaus eingestanden, dass „die US-amerikanischen National Institutes of Health risikoreiche Gain-of-Function-Forschung am Wuhan Institute of Virology finanzierten“ und dass nicht nur „die chinesische Regierung, sondern auch Behörden innerhalb der U.S.-Regierung sowie einige Mitglieder der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft versuchten, Fakten über die Ursprünge der Pandemie zu vertuschen.“ Hierzu zählen unzweifelhaft auch deutsche Virologen, die im Zusammenhang mit der Laborursprungshypothese gleich zu Beginn der Pandemie von einer „Verschwörungstheorie“ sprachen und selbst Nobelpreisträger im Fachgebiet der Virologie „niederbügelten“, wie ein deutsches Magazin damals titelte.
Liest man den umfangreichen 520-seitigen Bericht des US-Ausschusses sorgfältig durch, so wird deutlich, dass es den Verfassern größtenteils überzeugend gelungen ist, den Lesern ein „lessons learned“-Gefühl zu vermitteln. Erste Konsequenzen, wie beispielsweise eine drastische Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen für die Begutachtung und Überwachung der hoch risikoreichen Gain-of-function-Forschung mit gefährlichen Erregern verbunden mit einem weltweiten Pandemiepotential, oder dem Ausschluss der EcoHealth-Alliance – einer Nichtregierungsorganisation, welche im Zentrum der Gain-of-function-Forschung mit künstlich erzeugten Corona-Hybridviren gemeinsam mit Forschern des Wuhan Instituts für Virologie standen – von weiteren staatlichen Zuwendungen, werden zumindest in USA bereits sichtbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Aufarbeitung der Coronapandemiezeit auch in Deutschland bald verstärkt voranschreitet – den Opfern und Geschädigten der Pandemie wären wir es allemal schuldig.
Roland Wiesendanger ist Physik-Professor an der Universität Hamburg sowie Ehrendoktor der Technischen Universität Posen. Er ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Wissenschaftsakademien, darunter auch der beiden nationalen Akademien „Leopoldina“ und „acatech“. Er ist ferner Fellow mehrerer internationaler Wissenschaftsorganisationen und ist durch über sechshundert wissenschaftliche Publikationen sowie über sechshundert wissenschaftliche Vorträge in verschiedenen Wissenschaftsbereichen weltweit bekannt und vernetzt.