Aus heiterem Himmel haben wir nun eine Diskussion, ob die Wehrpflicht erneut eingeführt werden sollte, die Union hat ein Sommerloch-Thema entdeckt. Man verpackt es jetzt als ‚verpflichtendes Jahr für die Gesellschaft‘, unter freier Auswahl des Dienstes, und erhofft sich davon die Linderung der Personalknappheit im Bereich Kranken- und Altenpflege sowie bei der Bundeswehr. Für die freie Auswahl des Dienstes wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig.
Die Wehrpflicht ist 2011 vor alles deswegen ausgesetzt worden, weil die Heranziehung ungerecht war, denn die Bundeswehr konnte nur einen Bruchteil der Jahrgangsstärken der jungen Männer gebrauchen. Mit der Verdopplung der Jahrgangsstärken durch die Einbeziehung der jungen Frauen würde dieses Problem noch einmal gravierender, wobei die freie Wahl des Dienstes erst noch empirisch zeigen müsste, für was die jungen Leute sich denn heute entscheiden würden.
Die Erfahrung wird dann zeigen, dass die freie Auswahl des Dienstes reines Wunschdenken ist: Es wird immer zu sogenannten „Schweinezyklen“ kommen, mal ist die Bundeswehr stark in Mode, mal die Pflegeberufe, mal das Technische Hilfswerk, aber nie werden die Jugendlichen sich so ausgewogen entscheiden, dass alle Bedarfe perfekt abgedeckt werden (wobei es schon ein Wunder wäre, wenn die jeweilige Jahrgangsstärke überhaupt exakt zu den jeweiligen Bedarfen in unterschiedlichen Berufen passen würde). Es wird also auch hier zwingend zu Einschränkungen der Wahlfreiheit kommen müssen, welche die alten Ungerechtigkeiten wieder aufleben lassen, und es wird zu etlichen juristischen Streitigkeiten wegen der Zwangs-Zuteilung zu bestimmten Diensten kommen. Die freie Wahl der Betroffenen ist also eine Utopie.
Die Bundeswehr wird ihre Personaldecke erhöhen können, wenn sie weiter konsequent an ihrer Attraktivität arbeitet: Endlich einmal gute materielle Ausstattung, modernes Gerät, Waffensysteme die technisch auf dem neuesten Stand sind, flexiblere Arbeitsbedingungen, systematische Evaluierung der Zufriedenheit der Soldaten.
Ich höre von den Befürwortern meist das Argument, dass viele Jugendliche zuhause keine richtige Erziehung genossen hätten, und die Bundeswehr die Leute zum ersten Mal richtig diszipliniere. Dazu kann ich nur sagen, der Staat ist nicht dafür da, Versäumnisse der Eltern über die Ausübung von Zwang zu „heilen“. Dieser Zwang ist ein dermaßen gravierender Eingriff in die persönliche Freiheit, dass man ihn als Liberaler nicht befürworten kann.
Hoffentlich bleibt das Thema also das, was es ist: Eine Schnapsidee für das Sommerloch.
Alexander Müller ist Obmann der FDP im Verteidigungs-Ausschuss des Deutschen Bundestages, und ist gerade in einer mehrwöchigen Reserveübung bei der Bundeswehr – freiwillig.