Tichys Einblick
Lebenswirklichkeit versus Grüne

„Was wollt ihr noch mehr von mir? Dass wir unser Leben canceln?“

Wie schaut ein Arbeiter, Familienvater und Hauseigentümer auf die Klima-Transformation? Wolfram Ackner, Schweißer und Autor, rechnet die Posten durch. Und schaut schon mal ins Jahr 2040.

IMAGO

Vermutlich wird mein Leben (in hoffentlich ferner Zukunft) enden, ohne dass ich je als Teilnehmer an einer Umfrage auserkoren wurde. Leute wie ich werden offensichtlich nie als Teilnehmer für diese Aktionen von Meinungsforschern erwählt. Ansonsten würde es wohl nicht dermaßen viele Umfragen geben, die herausgefunden haben wollen, dass sich die große Mehrheit der Deutschen ausspricht für: eine Aufrechterhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen / ein persönliches CO2-Budget für jeden Bürger / einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung / ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen et cetera pp. – während man persönlich fast niemanden kennt, der sich das wünscht, und es selbst auch völlig anders sieht.

Ich weiß nicht, ob diese Umfragen in der woken, selbstreferentiellen Twitterblase unserer Qualitätsjournalisten durchgeführt werden. Oder ob es daran liegt, dass ich Arbeiter bin und dementsprechend größtenteils mit anderen Arbeitern und Handwerkern zu tun habe. Die gehören nicht zu den Anhängern der identitätspolitischen Anti-Arbeiter-Parteien wie SPD oder Grüne. In der Regel haben sie auch nichts mit diesem Milieu zu tun, das den oben genannten Punkten vermutlich mehrheitlich zustimmt.

Sendung am 30. März 2023
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Ich weiß nur eines: Wenn ich tatsächlich eines Tages offiziell gefragt werden würde, wie ich mir das Leben im Jahr 2040 vorstelle, würde ich antworten, dass ich glaube, dass bizarrerweise 2040 im grüngebeutelten Deutschland alte Leute in ihren Wohnungen oder Häusern frieren oder sogar erfrieren werden, denen man seit ihrer Kindheit und Jugend eine panische Angst vor dem Hitzekollaps der Erde eingeredet hat und die sich jetzt weder das Heizen leisten können noch über die Möglichkeit verfügen, sich notdürftig in ihren Autos mit Verbrennermotor aufzuwärmen.

Als wir uns vor sieben Jahren ein Haus am Stadtrand kauften, taten wir das unfreiwillig. Die Dreiraumwohnung war zu klein für eine damals vier-, mittlerweile fünfköpfige Familie. Und größere Wohnungen unerschwinglich teuer. Wir entschieden uns also für einen Hauskauf, mangels Eigenkapital mit 100-Prozent-Finanzierung. Bei dem Haus handelt es sich eigentlich um ein Häuschen: 110 Quadratmeter Wohnfläche, 130 Quadratmeter Garten. Nicht ganz winzig, aber auch nicht luxuriös für fünf Menschen. Wir heizen mit Erdgas. Der Hauskauf war langfristig gerechnet immer noch billiger, als eine große Wohnung in der Stadt zu mieten.

Aber seitdem arbeiten wir tatsächlich nur, um über die Runden zu kommen. Also die Raten abzuzahlen und das zu finanzieren, was eine fünfköpfige Familie eben braucht. Es verwundert mich kein bisschen, dass dieser hochgradig idiotische Vorschlag mit dem Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 1. Januar 2024 von denselben Leuten kommt, die Hoteliers und Gastronomen während des von ihnen beschlossenen Lockdowns empfahlen, die Zeit ohne Gäste (und ohne Einnahmen) doch einfach für die Modernisierung der Heizung zu nutzen.

Nicht jeder Mensch in diesem Land bekommt am Monatsersten einen fünfstelligen Gehaltscheck vom Staat für das Absondern von heißer Luft und Erklärungen, wie jemand mit dem Produzieren aufhören kann, ohne in Insolvenz zu gehen. Die meisten müssen ihr Geld tatsächlich erarbeiten, oft auch noch an Arbeitsplätzen, die sich nicht mit dem ICE oder der U-Bahn erreichen lassen. Und Freiberufler müssen ihrem Geld überdies häufig genug noch hinterherrennen. Ich schreibe das auch deshalb, weil kürzlich ein Zeit-Redakteur meinte, man solle ihm einmal den Eigenheimbesitzer zeigen, der nicht die nötigen zehn- bis fünfzehntausend Euro als Eigenkapital für den Einbau einer Wärmepumpe auf dem Konto herumliegen hätte.

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Ich biete mich gern als Beispiel an. Die möglichen Umbauinvestitionen für eine Wärmepumpe nebst Dämmung und Fußbodenheizung spielen für unsere Familie eigentlich keine Rolle. Kürzlich meinte eine Anruferin in einer Deutschlandfunk-Sendung, dass die Umrüstung auf Wärmepumpe für sie zwischen 100.000 und 250.000 Euro kosten würde. Das hätte ein Gutachten für ihren Altbau ergeben. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Gast in dieser Sendung, vermutete sofort, dass „da eine Null zu viel ist“. Bei Kemfert handelt es sich um eine Hauptprotagonistin der Energiewende, die sich ohne jeden Schimmer von der Materie zu Wärmepumpen und Heizungen äußert. Zu Wärmepumpen möchte ich hier übrigens den Artikel des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber verlinken, der sich als ehemaliger Bohringenieur und Häuslebauer mit dem Thema bestens auskennt.

Aber um auf die Summen zurückzukommen: Dieses Geld haben wir nicht, egal ob 250.000 oder eine Null weniger. Wir wären auch nicht in der Lage, es aufzutreiben. Unser Haus lässt sich nicht beleihen. Es ist noch längst nicht abbezahlt – dafür aber unser einziger größerer Besitz. Und was dann? Zwangsverkauf oder frieren?

In Medien und manchen Politikerreden hört man in diesem Zusammenhang öfters von der berühmten Witwe, die allein in ihrem Haus lebt und natürlich Extrahilfe bei der “Wärmewende” in ihrem Heizungskeller bräuchte. In der Lage, einen solchen Umbau nicht annähernd bezahlen zu können, auch nicht mit staatlichen Zuschüssen (unter anderem von meinem Steuergeld und dem meiner Frau), in dieser Lage befinden sich aber nicht nur ein paar einsame ältere Damen. Sondern ziemlich viele Hauseigentümer in diesem Land. Auch, wenn Kevin Kühnert das anders einschätzt: Nicht jeder Immobilienbesitzer ist reich. Interessant finde ich es auch, dass eine Wärmepumpe bei dem derzeitigen Strommix in Deutschland gegenüber einer modernen Gasheizung in den kommenden Jahren überhaupt keine CO2-Ersparnis bringt. Wozu dient also diese Strafaktion gegen Leute wie mich? Ich habe eine Vermutung. Dazu gleich mehr.

Zum verpflichtenden Heizungsaustausch
Das Wärmepumpendesaster
Die gleiche Geschichte wiederholt sich für uns mit dem geplanten Verbrennerverbot. Vor drei Jahren verabschiedete sich mein Honda-SUV (der nebenbei gesagt im Schnitt 7 bis 8 Liter verbrauchte) nach 14 Jahren und 350.000 von mir gefahrenen Kilometern. Das nenne ich übrigens Nachhaltigkeit. Ersetzt wurde er durch einen kleinen Mitsubishi Space Star, der als Neuwagen mit 8000 Euro weit billiger war als die Batterie eines E-Autos, die Hälfte eines Tesla wiegt und 4,5 Liter verbraucht. Ich hoffe, dass die nächsten Autos, die bis 2035 für uns nötig sind, danach noch lange durchhalten. Genauso wie meine fossile Heizung.

Was wollt ihr noch mehr von mir? Dass wir selbst unser Leben canceln? Wir haben auch nicht das Geld, uns diese unglaublich teuren und für Langstrecken semitauglichen E-Autos anzuschaffen, deren tatsächliche Nachhaltigkeit zweifelhaft ist. Zumal wir auf zwei Autos angewiesen sind, die schon jetzt einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Meine Arbeitsstelle befindet sich in Leuna, 25 Kilometer von unserem Wohnsitz entfernt. Mit dem Auto brauche ich dafür eine halbe Stunde. Mit dem öffentlichen Personennahverkehr über zwei Stunden. Meine Frau arbeitet in Merseburg. Sie muss früh die Kleine in den Kindergarten bringen. Ihre Fahrtzeit würde sich ohne Auto von einer knappen Stunde auf drei bis vier Stunden erhöhen. Pro Strecke, wohlgemerkt. Meine Mutter wohnt 17 Kilometer entfernt ländlich. Hier dasselbe: Mit dem Auto brauchen wir zwanzig Minuten, mit Straßenbahn und Bus zwei Stunden.

Wir fahren mit dem Auto in den Urlaub, weil Flugreisen für uns unbezahlbar sind. Leider spendiert uns die Staatskasse auch keinen netten Trip, so wie kürzlich Claudia Roth nach Hollywood zur Oscar-Verleihungsfeier.

Irgendwie entwickelt man langsam das Gefühl, dass dieser grüne Weltrettungszirkus, den die Politik veranstaltet, einfach das Ziel verfolgt, normalen und von ihren Protagonisten verachteten Leuten wie uns das Leben komplett zu verunmöglichen. Oder, wie es der großartige Michael Klonovsky schrieb: „Wenn Sie schließlich eines Tages verarmt, kollektiviert, zensiert, überwacht und Ihrer individuellen Freiheiten beraubt in einem ökosozialistischen Maßnahmenstaat leben und das Klima sich immer noch munter wandelt, werden Sie feststellen, dass das Ihr geringstes Problem ist.“


Dieser Beitrag ist zuerst bei Publico erschienen.

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