Der Europäische Rechtsakt zur Medienfreiheit (EMFA) erscheint auf den ersten Blick wie löbliche Gesetzgebung. Angeblich zielt er darauf ab, die Medien unabhängiger und transparenter zu machen. Und wer könnte dem widersprechen?
In Wirklichkeit geht es beim EMFA jedoch nicht um Medienfreiheit oder Medienpluralismus. Vielmehr ist er ein Feigenblatt für den Kreuzzug der EU gegen Polen und Ungarn – Nationen, mit denen die EU-Oligarchie schon lange ein Problem hat. Brüssel besteht nun darauf, dass sie eine einzigartige Gefahr für die Medienfreiheit in Europa darstellen.
Als der EMFA im September 2022 zum ersten Mal vorgeschlagen wurde, geschah dies vor dem Hintergrund von Angstmache vor einer angeblichen Krise der Demokratie in Mitteleuropa. Die für „Werte und Transparenz“ zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Věra Jourová, erwähnte Ungarn ausdrücklich, als sie über das EMFA sprach: „Ich glaube, dass der Rechtsakt zur Medienfreiheit einen Einfluss auf das Verhalten der [Mitgliedstaaten], einschließlich Ungarns, haben könnte.“
Die EU behauptet, sie sei besorgt über Medienmonopole in Ländern wie Polen und Ungarn. Doch Brüssel sieht die Medienmonopole in anderen EU-Mitgliedstaaten offenbar gelassen. Laut dem Media Pluralism Monitor (MPM) ist kein Land in Europa frei von Bedrohungen des Medienpluralismus. Der jüngste Liberties Media Freedom Report 2023, der von der Civil Liberties Union for Europe erstellt wurde, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Darin wird festgestellt, dass in weiten Teilen der EU „nach wie vor eine starke Konzentration des Medieneigentums besteht und eine erhebliche Gefahr für den Medienpluralismus darstellt“. Dennoch werden immer wieder Polen und Ungarn von Brüssel herausgegriffen und als besondere Bedrohung für die Medienfreiheit hingestellt.
Der Bericht der Civil Liberties Union for Europe enthält eine Liste von Ländern, in denen Journalisten am stärksten von physischen und verbalen Angriffen bedroht sind. Dazu gehören Belgien, Kroatien, Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Irland. Polen und Ungarn sind in dieser Liste nicht enthalten. Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass die Einschränkung der Informationsfreiheit ein EU-weites Problem ist. Auch missbräuchliche Klagen, die darauf abzielen, kritischen Journalismus zum Schweigen zu bringen – so genannte strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPPs) – sind in den EU-Mitgliedstaaten weit verbreitet.
Es ist klar, dass Polen und Ungarn nicht die einzigen Mitgliedstaaten sind, die ein Problem mit der Medienfreiheit haben. Warum werden sie also immer als die Bösewichte schlechthin dargestellt?
Die Antwort hat wenig mit Medienpluralismus und alles mit der politischen Ausrichtung der Medien in diesen Ländern zu tun. Mit anderen Worten: Die polnischen und ungarischen Medien sind tendenziell nationalistisch, konservativ und entschieden anti-woke. Diese Ansichten sind der EU ein Dorn im Auge. Die Behauptungen der EU, für die Meinungsfreiheit einzutreten, klingen hohl. Die freie Meinungsäußerung in Europa ist seit langem durch Gesetze beeinträchtigt, die unter anderem versuchen, „Hate Speech“, Holocaust-Leugnung und „Aufstachelung zur Gewalt“ zu zensieren. Dennoch hat Brüssel nie gegen eines dieser Gesetze Einspruch erhoben.
Und die EU selbst wird immer zensorischer. Ein Beispiel dafür ist der autoritäre Digital Services Act, eine Verordnung zur „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde und darauf abzielt, Online-Äußerungen zu regulieren. Die EU ist auch dabei, Rechtsvorschriften zur Regulierung der politischen Werbung einzuführen. Dies sind wesentliche Teile eines breit angelegten Versuchs der Europäischen Kommission, Meinungsäußerungen und politische Aktivitäten zu kontrollieren, alles unter dem Deckmantel der Bekämpfung von „Hate Speech“ und „Desinformation“.
Der nicht enden wollende Kreuzzug gegen Polen und Ungarn beruht auf der Tatsache, dass Brüssel keine Regierungen dulden kann, die für nationale Souveränität eintreten oder sich gegen die woke Agenda stellen. Diese Nationen sind entschlossen, eine Alternative zu den kulturellen Werten der EU-Eliten zu bieten, und das hat den Zorn der EU und ihrer Partner hervorgerufen, die Angst haben, dass andere Nationen diesem Beispiel folgen könnten.
Der illiberale Charakter des EMFA kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Entwurf enthält einen Vorschlag zur Einrichtung eines neuen Europäischen Rats für Mediendienste. Dieser würde die bestehende Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) ersetzen. Dies verschüfe der EU ein direktes Mitspracherecht über die Medienlandschaft der Mitgliedstaaten. Dieses Bestreben, die Medienkontrolle zu zentralisieren – weg von den nationalen Regierungen und hin zu Brüssel – offenbart die politische Absicht hinter diesem Gesetz.
Dies alles ist ein weiteres Beispiel für den autoritären Drang der EU, die Politik der Mitgliedstaaten zu kontrollieren. Die Art und Weise, wie die EU den Begriff „Medienpluralismus“ verwendet, ist eine Art Orwellscher Doppelsprech. Er bedeutet das Gegenteil von dem, was er andeutet. Die EU will keinen Pluralismus – sie will die Macht in Brüssel konzentrieren. Sie will keine Freiheit – sie will die freie Meinungsäußerung einschränken und technokratische Werte von oben aufoktroyieren. Und das alles will sie ohne jede öffentliche Debatte oder Verantwortlichkeit tun.
Der EMFA wird zum Schutz der Medienfreiheit in Europa nichts beitragen. Ganz im Gegenteil. Er wird nur die Macht Brüssels über die Medien und die politische Debatte stärken. Wer wirklich an Medienfreiheit und Pluralismus glaubt, sollte ihm entgegentreten.
Dieser Beitrag ist zuerst beim britischen Magazin Spiked erschienen.
Dr. Norman Lewis ist geschäftsführender Direktor von Futures Diagnosis und Gastwissenschaftler des MCC Brüssel. Mehr vom Norman Lewis lesen Sie in dem Buch: „In 80 Minuten um die Welt – Beiträge zur Zukunft der Mobilität“.