Was für ein Scoop: Seit Tagen berichten die ARD-Medien und die Süddeutsche Zeitung über TTIP-Leaks – geheime Dokumente. Die Medienlandschaft überschlägt sich in Lobhudelei. Doch recherchieren musste der
Rechercheverbund NDR, WDR und SZ gar nicht – die 3 haben die Unterlagen von Greenpeace erhalten. Der Rest Redaktionsleistung ist Geraune und Verschwörungstheorie – eine peinliche Melange.
Medien als Multiplikatoren einer Greenpeace-Kampagne
Der „Rechercheverbund“ ist hier nichts anderes als Teil einer gigantischen, nach allen Regeln der PR organisierten Kampagne: ARD, NDR und SZ voran, alle ziehen mit. Projektion auf den Reichstag, ein gläserner Lesesaal – handwerklich perfekt gemacht. Das ist das gute Recht von Greenpeace, das sich aus Spenden finanziert und dafür perfekt den Weltuntergang inszeniert – immer wieder neu. Fraglicher ist es, warum sich öffentlich-rechtliche Sender so vor den PR-Karren spannen lassen (die Süddeutsche Zeitung spielt da inhaltlich wohl keine Rolle, sondern druckt nur, was von den Rundfunkgebühren für sie abfällt).
Es ist vermutlich der bislang breiteste multimediale Kampagnen-Journalismus (oder müssen wir das PR von Journalisten nennen?), den Deutschland je erlebt hat und der die Bundesregierung gehörig unter Druck setzt. Das ist das Ziel.
Warum jetzt? Geheimnisse sind in den TTIP-Leaks nicht zu finden, nada, keine, Null: Man kann es nachlesen.
Dass die USA Genfood exportieren und Schiedsgerichte fordern – und die EU das blockiert: Das ist nun wirklich nicht neu. Es wird geahnt, gefürchtet und gemeint: angebliche Ergebnisse werden apokalyptisch vorweggenommen. Verschwörungs-Journalismus der schlimmsten Sorte – mehr nicht. Aber er erfüllt seinen Zweck.
Völlig außen vor bleibt die Frage:
Brauchen wir TTIP, um unseren Wohlstand zu sichern und auszubauen – oder überwiegen die Gefahren? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Risiken einer Ablehnung sind für Deutschland deutlich größer als für die USA, die 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung darstellen, den größten Exportmarkt außerhalb Europas und bereits von Alaska über Kanada bis Mexiko über eine Freihandelszone verfügen und mit Japan und China ebenfalls Gespräche führen. Deutschland als Exportnation ist auf den Freihandel noch stärker angewiesen als die USA mit der Option einer pazifischen Freihandelszone. Freihandel ist aber kein Gottesgeschenk, sondern muss gegen gewaltige Lobbygruppen von Bauern über Industrien bis hin zu Greenpeace immer wieder neu erkämpft werden. Gewinner sind die Verbraucher. So hat der Diesel-Skandal gezeigt, dass Verbraucher in den USA besser geschützt und von VW weitaus höher entschädigt werden als in Europa. Wenn TTIP kippt, dann nicht wegen „Verbraucherschutz“, sondern weil wie in den 50erJahren Frankreich seine Agrarier schützt – zu Lasten der Industrie. Aber davon lesen wir nichts.
Selbstverständlich kann man auch gegen TTIP argumentieren; die Risiken liegen ins besondere im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und der Patentregelungen. Aber das ist für den Rechercheverbund zu kompliziert. Und hier liegt der Hase im Pfeffer – statt Information wird eine Kampagne inszeniert. Auch wer gegen TTIP eingestellt ist kann die hier vorgeführte Methode der journalistischen Verschwörung kritisch bewerten.
Verschwörungstheorien statt Fakten
Denn eine nüchterne Abwägung findet nicht statt. Das ist aus Sicht von Greenpeace wiederum in Ordnung – in der Ablehnung des Freihandels treffen sich Links und Rechts, sind sich AfD und Grüne weitgehend einig. Die Abschottung Deutschlands und seine Ausgrenzung aus der Globalisierung kann man fordern.
Aber warum betreiben die Medien des Rechercheverbunds diese Kampagne, denn genau um eine solche handelt es sich durch die extreme Einseitigkeit und verschwörerische Grundhaltung.
Wir dokumentieren deshalb eine Veröffentlichung des Think-Tanks Agenda Austria, warum die Kampagne gerade jetzt aufdreht. Unbeantwortet bliebt die Medien-ethische Frage nach den Motiven des „Rechercheverbunds“. Der wird sich Deutschland zu stellen haben. Nicht nur in diesem extremen Fall Journalisten beten unkritisch nach, was sogenannte „NGOs“ von ihnen verlangen. Deren Eigeninteresse wird nicht hinterfragt; wie auch das Beispiel für den Öko-Kommerz der Deutschen Umwelthilfe zeigt. Kritischer Journalismus ist auf den Hund gekommen. (Roland Tichy)
Hier Agenda Austria:
Leaks, um gute Ergebnisse zu torpedieren
Eine auf den ersten Blick überraschende, auf den zweiten Blick aber bestechende Einschätzung zu den jüngst bekannt gewordenen TTIP-Papieren gab ein Professor der Pariser Hochschule HEC ab. Der EU-Rechtsexperte Alberto Alemanno meint: „Diese Dokumente stärken die Verhandlungsposition der EU. Denn sie zeigen nirgendwo, dass die EU bereit wäre, Forderungen der USA nachzugeben“, so Alemanno gegenüber der Webseite „Politico“. Der Erfolg eines „Leaks“ sei daran zu messen, inwieweit es den Gang der Dinge beeinflusse. Das werde aber kaum der Fall sein, weil die Unterlagen die von den TTIP-Gegnern vorgebrachten Ängste eben genau nicht belegen.
Die nun bekannt gewordenen Dokumente enthalten auch kaum Neues. Wo die Knackpunkte in den Verhandlungen zwischen der EU und den USA liegen, ist weithin bekannt und wird durch die aufgetauchten Dokumente bloß bestätigt. In den Papieren geht es um Verhandlungspositionen, aber nicht das Ergebnis. Bekanntlich zeichnen sich Verhandlungen dadurch aus, dass jede der involvierten Parteien ihre Standpunkte durchsetzen will, was neuerdings offenbar schon als Skandal zu werten ist. Dabei wird wie beim Pokern geblufft, wie das Spiel ausgeht, kann erst am Ende beurteilt werden.
Ziel ist der Abbruch der Verhandlungen
Für die „Stopp TTIP“-Lobby erfüllt das „Leak“ dennoch seinen Zweck. Denn die EU hat in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen. So wurde eine neue Regelung für die umstrittenen internationalen Schiedsgerichte vorgelegt. Zudem garantiert Brüssel, dass die EU kein Abkommen schließen werde, das den Konsumenten schade, geschweige denn Umwelt- oder Lebensmittelstandards senke, Gentechnik eingeschlossen. Derartige Zugeständnisse sind aus Sicht der TTIP-Gegner kontraproduktiv, weil sie die Ablehnung des Abkommens erschweren.
Hinzu kommt, dass auf Betreiben von US-Präsident Barack Obama derzeit intensiv verhandelt wird, um noch vor dem Ende seiner Amtszeit ein Ergebnis vorlegen zu können. Dieser Wunsch der USA dürfte auch dazu führen, dass Washington seine jetzt noch harten Positionen deutlich ändern wird.
Es steigt also die „Gefahr“, dass ein Verhandlungsergebnis zustande kommt, an dem Gegner von TTIP (zu) wenig kritisieren können. Und genau deswegen fordern Institutionen wie Greenpeace nun den Abbruch der Verhandlungen – damit es ja zu keiner Abstimmung im EU- und in den nationalen Parlamenten kommt, in der TTIP durchgehen könnte.
Regierung redet Anti-Freihandels-Lobbyisten nach dem Mund
Nun liegt es in der Natur der Sache, dass erklärte Gegner des Freihandels jedes Freihandelsabkommen nach Kräften zu verhindern versuchen. Dass Regierungsmitglieder, die der EU-Kommission das Mandat zur Führung der Verhandlungen erteilt haben, den Verhandlungsführern nicht nur die Unterstützung versagen, sondern sie bei jeder Gelegenheit desavouieren, ist hingegen eine höchst ungewöhnliche Vorgangsweise.
Geschuldet ist die Ablehnung einem ausgeprägten Sensorium für die vorherrschende Stimmung in der Öffentlichkeit. Diese ist zweifellos der Erfolg einer höchst effizient arbeitenden Anti-TTIP-Lobby, der die österreichische Bundesregierung offenbar nichts entgegenzusetzen gewillt ist. Dabei hätte die Regierung einer offenen Volkswirtschaft allen Grund, für einen erfolgreichen Abschluss des Abkommens zu werben. Schließlich erwirtschaftet Österreich den Großteil seines Wohlstands jenseits der Landesgrenzen.
Das heißt nicht, dass jedes Freihandelsabkommen automatisch gut ist. Vielmehr, dass eine Regierung verpflichtet wäre, einer mit Unwahrheiten gespickten Kampagne seitens der TTIP-Gegner sachlich Gegenwehr zu leisten, statt den Anti-Freihandels-Lobbyisten nach dem Mund zu reden. Und darauf zu pochen, dass erst dann über einen Vertrag entschieden wird, wenn klar ist, was darin steht. Was offenbar keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Nachdruck aus Agenda Austria.