Tichys Einblick
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Vorhang auf für Friedrich Merz

Er kam, sah und siegte, jedenfalls für den Augenblick. Aber hat er auch überzeugt? Ein Beitrag von Heiner Bremer.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Friedrich Merz, 2002 von Angela Merkel als Fraktionschef der CDU/CSU ausgebootet, im Jahr 2009 aus dem Bundestag ausgeschieden, will zurück auf die Berliner Bühne – nach einem Jahrzehnt politischer Enthaltsamkeit : Forsch, bestimmt, selbstbewusst wie eh und je, fast schon kanzlerreif erklärte der neue, alte Polit-Profi der versammelten Hauptstadtpresse am Reformationstag, wann er Merkels Nachfolger als CDU-Parteichef werden will.

Die Christdemokraten müssten ihren „Markenkern“ wieder stärken, für „Ordnung und Erneuerung“ eintreten, um als „ Volkspartei der Mitte“ Wähler zu gewinnen, zu binden und „linke wie rechte Populisten“ in Schach zu halten. Markige Worte, Forderungen, die auch Merz-Gegenkandidaten Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn sofort unterschreiben würden – so allgemein, wie sie gehalten sind.

Wie definiert Merz den „Markenkern“, der über viele Jahre immer nur „Merkel, Merkel“, „Merkel“ hieß? Mit welchen Inhalten will er die wohlfeilen Begriffe „Ordnung“ und „Erneuerung“ ausfüllen? Fragen, auf die CDU-Anhänger unmissverständliche Antworten erwarten.

Konkret wird Merz auch nicht, wenn er von der notwendigen „neuen Orientierung“
im Rahmen „nationaler Identität“ und „traditionaler Werte“ spricht. Was ist damit
gemeint – eine Wiederbelebung des Begriffs der „Leitkultur“?

Welche überlieferten Grundsätze der CDU sollen wieder gelten? Wie passen
„nationale Identität“ und Merz‘ „Weltoffenheit“ zusammen? Da ist mehr Klarheit geboten.

Deutlich benennt Merz dagegen die eigene Grundüberzeugung. „Wertkonservativ“
und „wirtschaftsliberal“. Der Kandidat glaubt an die Gestaltungsmacht und die
Freiheit des Marktes, lehnt allzu starken Einfluss des Staates ab.

Mit seiner Wirtschaftsfreundlichkeit und wertkonservativen Prinzipien unterscheidet sich Merz spürbar von der Kanzlerin. Mit dem neuen Parteichef gäbe es eine Kurskorrektur Richtung Mitte Rechts.

Das muss nicht falsch sein, ist aber ein Hindernis für die notwendige Zusammenarbeit von Merz und Merkel bis zum Ende der Parlamentsperiode 2021. Vorstellbar also, dass die Ära Merkel schon vorzeitig beendet wird. Immerhin sind die Antipoden wenigstens in der Außenpolitik nah beieinander. Merz ist ein „überzeugter Europäer und Transatlantiker“.

Und noch ein klares Signal hat Merz an die CDU-Mitglieder gesendet: Wenn ihr mich wählt, bekommt ihr das, was ihr unter Merkel vermisst habt: Führung!!!!

Doch die Frage bleibt: Führung – wohin?


Heiner Bremer ist Journalist und Fernsehmoderator.

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