Tichys Einblick
Prozedere und Nomenklatur

Und es gibt sie doch – die Impfschäden

Wenn nun selbst Karl Lauterbach schwere Impfnebenwirkungen und Impfschäden einräumt, bedeutet das nichts Gutes. Vermutlich ist eine unerträglich hohe Fallzahl zu beklagen und die Öffentlichkeit soll mit seiner Aussage darauf vorbereitet werden. Von Friedrich Pürner

IMAGO / photothek

Schwere Impfnebenwirkungen und Impfschäden hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nun endlich und höchstselbst eingeräumt. Weiß man um die Anzahl der bisher verimpften Einzeldosen, dann sind knapp 20.000 Bürger betroffen. Lauterbach sprach hierbei nicht von Verdachtsfällen. Er sprach im ZDF-Interview klar und deutlich von schweren Impfnebenwirkungen in der Größenordnung von 1 zu 10.000 pro Impfung. Klar dürfte auch sein, dass diese Zahl untererfasst sein wird. Denn die zur Meldung verpflichteten Ärzte haben hierfür weder einen finanziellen noch einen moralischen Anreiz. Es scheint nachvollziehbar, dass man den Verdacht auf eine Impfkomplikation ungern meldet, wenn man selbst zur Impfung mehr oder weniger eindringlich riet.

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Wenn nun selbst Lauterbach diese Zahl an schweren Impfnebenwirkungen einräumt, bedeutet das nichts Gutes. Vermutlich ist eine unerträglich hohe Fallzahl zu beklagen und die Öffentlichkeit soll mit Lauterbachs Aussage darauf vorbereitet werden. Da weder die korrekte Nomenklatur noch das Prozedere um die Anerkennung eines Impfschadens den meisten Bürgern bekannt sein wird, soll dieser Beitrag ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Zudem sollen Bürger, die den Verdacht auf einen Impfschaden haben, ermutigt werden, diesen zu melden.

Dies dient vor allem zwei Zielen. Eine saubere und nachvollziehbare Verdachtsmeldung steigert allgemein die Sicherheit der Bevölkerung in Bezug auf Impfungen. Nur durch regelmäßige Überwachung und Re-Evaluierung einer Medikamentenapplikation kann die Produktsicherheit gesteigert, damit das Vertrauen in der Bevölkerung hergestellt und auf unerwünschte Wirkungen reagiert werden. Daneben ist es wichtig, dass niemand das Gefühl hat, sich wegen eines Impfschadens schämen zu müssen, Anfeindungen ausgesetzt zu sein oder Hemmungen zu haben bei der Konsultation eines Arztes. Impfschäden sind ernst zu nehmen. Die Meldung muss eine gesundheitliche Entscheidung und frei von politischem oder gesellschaftlichem Druck sein.

Prozedere und Nomenklatur

Auf der RKI-Webseite sind folgende Begrifflichkeiten nachzulesen:

Die „leichteste“ Nebenwirkung ist die sogenannte Impfreaktion. Hier zeigen sich typische – aber harmlose – Beschwerden nach einer Impfung. Rötung und Schwellung der Impfstelle sind hier an erster Stelle zu nennen. Auch Fieber wird in einigen Fällen beobachtet. Diese Beschwerden klingen innerhalb kürzester Zeit wieder ab.

Im Gegensatz zur bloßen Impfreaktion stellt die Impfkomplikation eine schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkung nach einer Impfung dar. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der Verdacht einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung vom Arzt namentlich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Die Meldung erfolgt dann weiter an die zuständigen Behörden bis hin zum Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Dort wird der Verdachtsfall weiter untersucht.

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Diese Meldung ist eine Pflicht und kein Wohlwollen des Arztes. Doch was ist, wenn der Arzt hier gar keinen Verdacht erkennen mag? Weil er finanziell nicht ausreichend für diese verwaltungstechnische Angelegenheit entlohnt wird, oder weil der Arzt selbst fleißig geimpft hat und nun nicht „blöd“ vor seinem Patienten dastehen möchte? Dies stellt bereits die erste „Hürde“ für die Meldung von möglichen Impfkomplikationen dar.

Unabhängig davon kann sich die betroffene Person – mit oder ohne Arzt – per Meldeformular direkt an das PEI wenden. Doch um überhaupt von der Möglichkeit Gebrauch machen zu können, muss man davon Kenntnis haben. Eine Aufklärung über den Ablauf der Einleitung und über die Überprüfung eines Impfschadens fand öffentlich bisher kaum statt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat im Februar 2022 eine Information hierzu erstellt. Diese können Sie hier finden. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das PEI stellen Informationen und Formulare hier zur Meldung zur Verfügung.

Nun weiter in der Nomenklatur. Unter einem Impfschaden wird „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“ verstanden.

Neben diesen Begriffen, die die Fachbegrifflichkeiten bei unerwünschten Auswirkungen von Impfungen darstellen, verwendete Lauterbach den Begriff der „schwerwiegenden Nebenwirkung“. Dieser Begriff wird aktuell häufig verwendet, stammt aus dem Arzneimittelgesetz (AMG) und ist etwas weiter gefasst. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen wird auf die Intensität der Beeinträchtigung abgestellt. Eine Dauerhaftigkeit kann vorliegen, muss aber nicht. Eine schwerwiegende Nebenwirkung kann somit Impfkomplikationen und Impfschäden umfassen.

Impfschäden für sich sind dauerhafte Schädigungen. Für Impfschäden gelten die Regelungen des sozialen Entschädigungsrechts nach dem Bundesversorgungsgesetz. Wer durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung einen Impfschaden erlitten hat, erhält nach den Ausführungen des IfSG eine Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Die Klärung, ob eine gesundheitliche Schädigung in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung steht, ist Aufgabe des Versorgungsamtes des jeweiligen Bundeslandes.

Ablauf der Überprüfung

Wie oben schon ausgeführt, verweist das Infektionsschutzgesetz bezüglich möglicher Entschädigungsleistungen auf das Bundesversorgungsgesetz. Ähnlich wie beim Grad der Behinderung (GdB) werden die Schädigungsfolgen im Sozialen Entschädigungsrecht mit dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemessen. Vereinfacht gesagt, je höher der GdS ist, desto größer sind die Gesundheitsschädigungen aufgrund eines Impfschadens.

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Doch um einen Impfschaden anerkennen zu lassen, brauchen besonders die Betroffenen einen langen Atem und viel Kraft. Kraft, die möglicherweise durch die Schädigung bereits aufgezehrt worden ist.

Die Anerkennung benötigt drei Schritte, die kausal miteinander verbunden sein müssen. Zuerst muss eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung vorliegen und das schädigende Ereignis darstellen. Dieses Ereignis muss zu einer gesundheitlichen Schädigung (Impfkomplikation) geführt haben und dauerhaft, das heißt mindestens sechs Monaten vorliegen.

Diese Kausalkette ist vollbeweislich darzulegen. Der Beweismaßstab ist die Wahrscheinlichkeit. Es muss demnach mehr für die Impfung als Schadensgrund sprechen als dagegen.

Wie läuft die Überprüfung ab? Mit Systemfehler!

Die Grundlage der Entscheidung, ob ein Impfschaden anerkannt wird, bildet die vorherrschende wissenschaftliche Lehrmeinung. Dabei sind die entsprechenden Veröffentlichungen und aktuellen Bewertungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), des PEI sowie die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) maßgeblich. Zudem werden die Veröffentlichungen in der medizinischen Fachliteratur herangezogen. Ab diesem Zeitpunkt wird ein enormer Systemfehler sichtbar.

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Der Systemfehler liegt nicht in der Heranziehung der wissenschaftlichen Daten. Der Fehler liegt darin, dass a) wenig ausreichende wissenschaftliche Daten über die Covid-Impfung zu Beginn vorlagen, b) die ersten Risikosignale hinsichtlich schwerer Nebenwirkungen völlig ignoriert wurden, und c) sowohl das RKI, das PEI und die STIKO bereits die Impfung beworben und empfohlen haben. Gleichzeitig sind es nun eben diese Institutionen, die über die Anerkennung eines Impfschadens wissenschaftlich wachen. Es besteht hier das Risiko, dass in vielen Fällen einer Begutachtung nur das zur Entscheidung herangezogen wird, was auch erklärter Wille der Politik ist. Die Neutralität ist somit nicht sichergestellt. RKI und PEI gehören zum Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums. Die STIKO wiederum ist ein Expertengremium, das im Fachgebiet Impfprävention des RKI koordiniert wird. Echte Unabhängigkeit sieht anders aus.

Wenn also die Empfehlungen dieser Institutionen als Grundlage dienen, dann wird hier deutlich erkennbar, wie wichtig die Schaffung unabhängiger Institutionen ist. Welch Brot ich ess, des Lied ich sing. Diesem Vorwurf sollte sich der Staat nicht aussetzen. Der Bürger verliert das Vertrauen und fühlt sich ungerecht behandelt, wenn bei einer Ablehnung des Impfschadens die Frage im Raum steht, ob der Staat nur „loyal und treu“ eigene Empfehlungen verteidigt. Es ist dem kritischen Bürger nicht zu erklären, dass der Staat in dieser vorherrschenden Konstellation unparteiisch über die Anerkennung von Impfschäden urteilt. Hier kann nur eine Systemänderung zu einer Entspannung der Situation führen.

Ohne eine Änderung des Überprüfungswesens bei Impfschäden werden sich der Staat und die Politik den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass die Impfung zwar massiv beworben wurde und wird, sich der Staat jedoch mit dem Wissen und dem Vorliegen über mögliche Impfschäden nicht belasten möchte.

Dr. med. Friedrich Pürner MPH
Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe


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