Tichys Einblick
Im Pilecki-Institut vorgestellt:

„Ukrainische Allianz“ in Berlin gegründet

Zehn ukrainische Organisationen und Initiativen haben sich in Berlin zu einer „Ukrainischen Allianz“ verbündet. Sie leisten Hilfe für die Flüchtlinge und ihre Landsleute in der Heimat, wollen aber auch der Ukraine in Deutschland noch mehr politisches Gehör verschaffen. Von Michael Leh

Foto: © Michael Leh

Zehntausende Ukrainer fliehen vor dem Krieg nach Deutschland. Erster Ankunftsort ist für die meisten von ihnen Berlin. Dort haben sich vergangene Woche zehn ukrainische zivilgesellschaftliche Organisationen zu einer „Allianz“ verbündet und auf einer Pressekonferenz im polnischen Pilecki-Institut vorgestellt. Die Organisationen leisten bereits viel Hilfe für ihre Landsleute, doch soll das jetzt koordinierter erfolgen. Auch in der Politik wollen sie eine hörbare Stimme für die Ukraine werden. Die „Allianz“ ist offen für die Aufnahme weiterer Initiativen und Vereine, die ihre Ziele mittragen.

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Zu den Organisationen gehören die Bürgerinitiative „Vitsche“, der Verein Ukraine-Hilfe Berlin e.V., der Ukrainische Pfadfinderbund „Plast“ in Deutschland e.V., die Ukrainische Schule Berlin e.V., und die Ukrainische Orthodoxe Kirchengemeinde e.V. Wie jetzt unter anderem der Berliner Tagesspiegel meldete, gab es einen Einbruch in die Wohnung „eines Mannes, der beim Netzwerk ,Allianz Ukrainischer Organisationen‘ für die Logistik von Hilfstransporten“ in die Ukraine und nach Polen verantwortlich war. Es sei dabei nichts gestohlen, „aber Dinge in der Wohnung verändert und weißes Pulver verstreut“ worden. Zudem seien Kassenbons aus dem Mülleimer genommen und zu Röllchen geformt worden. „Das weiße Pulver und die gerollten Zettel könnten eine Anspielung auf Kokainkonsum sein“, mutmaßen Aktivistinnen laut Tagesspiegel.

Mit solcherart fingierten Vorwürfen wurden in Russland auch schon Journalisten zum Schweigen gebracht. Für die Mitarbeiter der „Allianz“ seien die Spuren nach dem Einbruch in die Wohnung eines Ukraine-Helfers klar, schreibt der Tagesspiegel: „Wir glauben, dass damit gezeigt werden sollte: Wir waren hier, wir wissen, wer du bist, wir wissen, was du machst“, habe eine Mitarbeiterin von „Vitsche“ erklärt. Bei dem Einbruch handele es sich um einen „ganz klaren Fall von Einschüchterung“. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes Berlin ermittelt. Im Fall des „Tiergartenmordes“ hatte letztes Jahr das Berliner Kammergericht bereits einen staatlichen Auftragsmord des Kreml festgestellt. Der Senatsvorsitzende hatte von „Staatsterrorismus“ in seiner Urteilsbegründung gesprochen. Gerade angesichts des brutalen Angriffskriegs auf die Ukraine wäre es nicht überraschend, wenn russische Geheimdienste weiterhin ungehemmt auch auf deutschem Boden schwerste Straftaten begehen.

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Auf der Pressekonferenz im Pilecki-Institut – benannt nach dem großen polnischen Widerstandskämpfer Witold Pilecki – hatte die Ukrainerin Natalia Pryhornytska Vertreter der „Ukrainischen Allianz“ vorgestellt. „Geschlossen treten wir für die territoriale Integrität und Souveränität der unabhängigen Ukraine ein“, erklärte sie. Und: „Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg und die Völkerrechtsverbrechen der Führung der Russischen Föderation und der russischen Armee auf das Schärfste.“ Die Allianz Ukrainischer Organisationen erfahre durch die persönlichen Netzwerke und Kontakte präzise und aus erster Hand, was in der Ukraine und bei der Flüchtlingshilfe am dringendsten benötigt werde.

Rechtsanwalt Andrej Illin, der auch in der Orthodoxen Kirchengemeinde engagiert ist, befasst sich besonders mit der humanitären Hilfe. „Die ukrainische Diaspora“, sagte Illin, „arbeitet 24 Stunden und sieben Tage die Woche für die humanitäre Hilfe.“ Dabei werde man auch von Privatpersonen und Unternehmen unterstützt. „Trotzdem sind das alles nur Tropfen auf den heißen Stein“, fügte er hinzu. Es müsste noch viel mehr geschehen.

„In der Ukraine“, erläuterte er, „sind viele Brotfabriken zerstört. Es wird kaum noch etwas im Land produziert. Wir sammeln Hilfsgüter in vier Lagern in Berlin und sortieren diese. Unser Vorteil ist, dass wir unsere Hilfen direkt in die Ukraine zu den Stellen schicken können, wo sie dringend gebraucht werden.“ Besonders benötigt würden weiter Lebensmittel mit langer Haltbarkeit und Medikamente. Illin rief deutsche Unternehmen auf, hier die Hilfe noch zu vergrößern. Viele Flüchtlinge arbeiteten ehrenamtlich mit, betonte er. „Sie suchen auch Arbeit bei Berliner Unternehmen und wollen auf keinen Fall eine Belastung für den deutschen Steuerzahler sein“, erklärte Andrej Illin.

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Oleksandra Bienert aus Berlin ist die Allianz-Sprecherin für Politik. Sie arbeitet als Stadtteilkoordinatorin in Marzahn und schreibt ihre Dissertation über die Geschichte der Ukraine und der Ukrainer in Berlin. „Es gab in der deutschen Politik eine Haltung, die blind war gegenüber der Ukraine“, kritisierte sie auf der Pressekonferenz.“ Bezüglich der russischen imperialistischen Politik habe Deutschland „ein blindes Auge“ gehabt. „Der Krieg, der in der Ukraine stattfindet, ist ein imperialistischer Krieg. Russland kann es nicht ertragen, dass wir unabhängig sein wollen. Russland kann es nicht ertragen, dass sie zwar unsere Dichter und Schriftsteller in den 30er Jahren erschossen haben, aber dass wir trotzdem unabhängig sind. Und dass die Ukraine eine Demokratie mit einer Erfolgsgeschichte ist“, betonte Bienert.

Zu der kürzlich erfolgten Reise der Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien nach Kiew fragte sie: „Wo waren da deutsche Vertreter? Sie haben uns gefehlt. Das wollen wir hier ganz klar sagen!“ Und sie wolle auch noch betonen: „Hört auf, Angst vor Putin zu haben!“ Bienert forderte die „Schließung des Himmels“ über der Ukraine. Putin habe „kein Interesse an einem Nuklearkrieg“, meinte sie. Außerdem forderte sie ein „umfassendes Embargo für Öl und Gas“ gegenüber Russland. Die finanziellen Sanktionen müssten noch schärfer sein, „SWIFT muss komplett durchgesetzt werden.“

Botschaftsrätin Alisa Podolyak erklärte: „Die Botschaft der Ukraine begrüßt die Gründung der Allianz und wird sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Wir sind für ihren großartigen Beitrag zur Hilfe für die ukrainischen Bürgerinnen und Bürger in Not hier in Berlin dankbar.“


Michael Leh ist freier Journalist in Berlin und Mitglied im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).

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