Tichys Einblick
„Demokratie-Abgabe“ für Ukraine-Flüchtlinge

Die Flucht vor Putins Bomben endet in den Fängen des „Beitragsservice“

Eine aus der Ukraine geflüchtete Frau wird aufgefordert, Rundfunkgebühr zu zahlen. Das ist kein Einzelfall: Ein gnadenloser „Beitragsservice“ treibt die kaum Deutsch sprechenden Flüchtlinge und ihre Helfer mit der Eintreibung von „Demokratie-Abgaben“ in die Verzweiflung. Von Lothar Krimmel

imago/Schöning

Am Abend des 20. April 2022 hatte es Katja (alle Namen geändert) geschafft! Sie war der heranrückenden Front in der Ost-Ukraine entkommen und zusammen mit ihrer Schwiegermutter Valya nach mehrtägiger Flucht erschöpft, aber wohlauf am Berliner Hauptbahnhof angekommen. Und beide Frauen konnten sofort von der überwältigenden Hilfe der Deutschen profitieren: Ein Unternehmer hatte sein Büro in Berlin-Mitte kurzerhand umgewidmet und eine Zwei-Zimmer-Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge geschaffen. Bis heute, also seit sechs Monaten, als rein private Initiative, ohne jede staatliche Kompensation für Miete oder Nebenkosten.

Die ersten Tage sind besonders anstrengend: in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse und ohne Mittel und mit der täglichen Sorge um den Ehemann bzw. Sohn. Denn Katjas Ehemann Viktor, Valyas Sohn, ist Versorgungsoffizier im Fronteinsatz. Jeden Tag muss er zweimal Nachschub an die Front bringen, immer auf einer anderen Route, um den gezielten Schlägen der russischen Artillerie auf die ukrainischen Nachschublinien zu entkommen.

Nach der Flucht ist vor dem „Beitragsservice“

Nach einigen entbehrungsreichen Wochen haben Katja und Valya dann das erste Zwischenziel erreicht: Ab dem 1. Juni erhalten sie Hartz IV. Aber die Unbeschwertheit ist von kurzer Dauer. Denn bald flattert die Anfrage eines ominösen „Beitragsservice“ in die neue Bleibe. Doch der Unternehmer und Wohnungsgeber weiß Rat. Seine Firma zahlt ja bereits den üblichen monatlichen Zwangsbeitrag, und für die notfallmäßige Umwidmung zur kostenlosen Flüchtlingsunterkunft müsse man bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts doch Verständnis haben. Außerdem beziehen beide Frauen ja Hartz IV und sind auch insoweit von der Rundfunkgebühr befreit. Mit der Weitergabe dieser Informationen an den „Beitragsservice“ fühlen sich Katja und Valya auf der sicheren Seite und beginnen, dieses fremde Thema aus ihren Alltagssorgen zu streichen.

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Doch Anfang Oktober geht es dann plötzlich Schlag auf Schlag. Mit Datum vom 1. Oktober wird Katja zunächst per Brief „beim Beitragsservice“ begrüßt. Doch schon im nachfolgenden Satz wird der „Service“ dann ungemütlich: „Das von Ihnen angegebene Anmeldedatum entspricht leider nicht den Informationen des Einwohnermeldeamts. Danach sind Sie bereits seit April 2022 unter der oben genannten Adresse gemeldet.“

Verblüfft ist Katja auch über den nachfolgenden Satz, dass vermutet werde, dass sie, obwohl ohne Mietvertrag und nur aus humanitären Gründen auf Zeit geduldet, „Inhaber dieser Wohnung“ sei und daher nicht erst mit Beginn des Hartz-IV-Bezugs am 1. Juni, sondern seit Beginn des Fluchtmonats April beitragspflichtig sei.

Noch bevor sie sich Rat holen kann, trifft das „Service-Schreiben“ vom 4. Oktober ein, wonach Katja vom 1. Juni bis 30. November von der Rundfunkbeitragspflicht befreit sei. Sie ist noch unentschieden, ob das nun gut oder schlecht ist, als am folgenden Tag schon das nächste Schreiben eintrifft. Dort lässt der „Beitragsservice“ dann die Katze aus dem Sack: Bereits zum 15. Oktober seien 36,72 Euro Zwangsgebühren fällig. Und zwar für die Monate April und Mai, als sie zwar Putins Bomben entkommen war, aber von der unfähigen Berliner Verwaltung noch kein Hartz IV bekommen und damit die „Befreiungskriterien“ für den Zwangsbeitrag nicht erfüllt hatte.

Zwangsbeiträge der Geflüchteten für des Intendanten Massagesitze

Jetzt schaut sich Katja alle drei Schreiben noch einmal genauer an. „ARD-ZDF-Deutschlandradio“ steht oben in Fettdruck auf den diversen Bescheiden. Katja übersetzt mühsam. Was soll das sein? Sie erfährt, dass es sich um deutsches Fernsehen handelt. Fernsehen auf Deutsch? Katja lächelt gequält. Ihre Informationen holt sie sich im Internet. Auf Ukrainisch oder Russisch. Und ja: Ab und zu schaut sie im Fernseher Produktionen von Netflix und anderen Streaming-Diensten auf Russisch oder Englisch. Aber ARD und ZDF? Selbst wenn sie diese Sender fände, würde sie ja kein Wort verstehen.

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Katja recherchiert weiter im Internet. Es gehe um die Demokratie, heißt es dort. Deshalb müsse jeder für ARD und ZDF zahlen. Katja wird hellhörig. Sie recherchiert weiter. Für was genau soll sie zahlen? Zum Beispiel für Tom Buhrow vom Westdeutschen Rundfunk. Dass sein Dienstwagen ein 7er BMW ist und Massagesitze hat, erfährt sie. Und dass er 413.000 Euro pro Jahr bekommt, viel mehr als Bundeskanzler oder Bundespräsident. Nur als Grundgehalt natürlich. Extras nicht inbegriffen. Von irrsinnigen Pensionsansprüchen ganz abgesehen. Und das war letztes Jahr. Tja, Inflation: Sie wissen schon. Katja schaut auf das Angebot eines Berliner Arbeitgebers, das sie gerade erhalten hat: 1.948 Euro pro Monat für 40 Wochenstunden einer studierten Naturwissenschaftlerin. Das ist, wenn überhaupt, ein Zwanzigstel von Tom Buhrows Gehalt.

Katja hat die Demokratie-Abgabe jetzt verstanden. Und sie hat sich entschieden, die Schreiben allesamt in der Tonne zu entsorgen. Zwar wurde sie gewarnt: Wer nach Putins Bombenterror meine, vor nichts mehr Angst zu haben, kenne den deutschen „Beitragsservice“ noch nicht. Aber Katja hat sich mit Viktor nach dessen Rückkehr von einem Fronteinsatz besprochen. Und sie weiß jetzt: Die 36,72 Euro „Demokratie-Abgabe“ für die ersten Wochen in Deutschland, als sie von der Hand in den Mund lebte und noch nicht einmal Hartz IV bekam, wird sie nicht bezahlen. Auch nach einer Beugehaft nicht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss in der Form weg

Katjas Leidensweg ist natürlich kein Einzelfall. Bei mehr als 1 Million ukrainischer Flüchtlinge kann man sich lebhaft vorstellen, dass in vielen Hunderttausenden von Fällen ein gnadenloser „Beitragsservice“ die kaum Deutsch sprechenden Geflüchteten und ihre Helfer mit der Eintreibung von „Demokratie-Abgaben“ in die Verzweiflung treibt.

Es ist ein zutiefst beschämendes Schauspiel, das sich hier vor unser aller Augen entfaltet: Inmitten der größten europäischen Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg gefällt sich das als „Beitragsservice“ fungierende deutsche Bürokratie-Monster darin, die hilflosen, des Deutschen nicht mächtigen Geflüchteten und ihre bis zur Erschöpfung mithelfenden Unterstützer mit der Eintreibung einer „Demokratie-Abgabe“ für komplett überflüssige deutsche Rundfunksender zu belästigen.

Es gibt nur einen Weg, nur eine Lösung: Dieses mit Zwangs-Milliarden gemästete Monstrum, das seine rotgrüne Propaganda ebenso wie seinen Zwangsbeitrags-Furor mit Euphemismen aus dem Wortkasten des Totalitarismus ummantelt, muss in der Form abgeschafft werden. Wenn das Bundesverfassungsgericht es nicht schafft, dann muss es eben die Zivilgesellschaft in die Hand nehmen. Die Zahl entschlossener Aktivisten steigt jedenfalls täglich. Und jetzt gibt es Verstärkung sogar aus der Ukraine.


Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 


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