Tichys Einblick
Gefährlich gegen die Natur

Transgender: Ärzte stärken Kindswohl gegen Ampel-Gesetz

Deutscher Ärztetag: Schluss mit Pubertätsblockern und geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei Minderjährigen außerhalb kontrollierter wissenschaftlicher Studien. Die im Selbstbestimmungsgesetz vorgesehene Änderungsmöglichkeit der Geschlechtsidentität für unter 18-Jährige sollte verhindert werden. Von Judith Schmitz

Es ist eine entschiedene Kritik am „Selbstbestimmungsgesetz“ der Ampel und eine Absage zu ihrer Vorstellung, das Geschlecht eines Menschen sei frei wählbar – und eine Warnung vor den verheerenden Folgen von medizinischen Behandlungen zur Geschlechtsveränderung.

Der Ärztetag, die jährliche Hauptversammlung der Bundesärztekammer, ist sozusagen das Sprachrohr der Ärzteschaft in Deutschland zu aktuellen gesundheits- und sozialpolitischen Diskussionen der Gesellschaft. Auf seiner 128. Versammlung in Mainz diesen Mai hat er zwei Beschlüsse verabschiedet, die sogenannte „Trans“-Kinder und Jugendliche betreffen. Diese fühlen sich mit ihrem Geburtsgeschlecht unwohl und leiden an sogenannter Geschlechtsinkongruenz (GI) – das biologisch-anatomische Geschlecht und das Gender einer Person (soziale bzw. gesellschaftlich-kulturell geprägte Geschlechtsrollenerwartungen) werden von dieser als nicht übereinstimmend wahrgenommen – bzw. Geschlechtsdysphorie (GD).

Im Beschlussantrag „Behandlung einer Geschlechtsdysphorie bei Minderjährigen“ bemerkt der Ärztetag: Der Einsatz von Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen (cross-sex) Hormonen sind „eine Form experimenteller Medizin, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffe in den kindlichen Körper anschließen, wie die Amputation von Brust oder Penis, und die den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit und die Verminderung der sexuellen Erlebensfähigkeit bis hin zur Anorgasmie zur Folge haben“.

Der springende Punkt ist, dass gemäß den Medizinern nach jetzigem Kenntnisstand – der medizinischen Evidenzlage – diese Behandlungen inklusive Operationen weder Beschwerdebild noch psychische Gesundheit der betroffenen Minderjährigen verbessern. Die Ärzte heben hervor, dass es sich bei diesen medizinischen Maßnahmen um „irreversible Eingriffe in den Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen“ handelt. Diese dürften „nicht nur vom Willen eines sich in der Entwicklung befindenden Kindes bzw. Jugendlichen abhängig gemacht werden“. Bei der bestehenden Evidenzlage müsse „die Sorge um das Kindswohl überwiegen“.

Der Ärztetag fordert daher die Bundesregierung in seinem Beschluss auf, „Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder ebensolche Operationen“ bei unter 18-Jährigen mit entsprechendem Beschwerdebild (Geschlechtsinkongruenz bzw. Geschlechtsdysphorie) nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien, unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethikkommission und nach abgeschlossener medizinischer und psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen zu gestatten. Die Therapieergebnisse müssten über mindestens zehn Jahre nachverfolgt und die Evaluationsergebnisse in die Überarbeitung der „Leitlinie Geschlechtsinkongruenz bzw. Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung“ einfließen.

Warum ist diese Forderung für Kritiker der jetzigen Praxis wichtig?

Bisher wird der Einsatz von Pubertätsblockern, Hormontherapien und Operationen bei Minderjährigen von Ärzten in Deutschland sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige listen sogar die Brustentfernung (Mastektomie) für Minderjährige als Dienstleistung auf ihrer Internetseite auf.

Die im Beschluss genannte Behandlungsleitlinie wurde im März im ersten Entwurf vorgestellt. Dieser wird inhaltlich von Experten aus verschiedenen Universitätskliniken kritisiert. Er unterstützt weiterhin den sogenannten „trans- bzw. genderaffirmativen (bestätigenden) Ansatz“ mit Pubertätsblockern und Hormontherapie, der sich am Willen der Kinder und Jugendlichen orientiert.

Dagegen hat sich aufgrund der Studienlage in mehreren Ländern ein Wandel hin zu einem vorsichtigeren Umgang vollzogen. So hat etwa der Nationale Gesundheitsdienst im Vereinigten Königreich basierend auf einer Untersuchung, dem sogenannten Cass Report, die Gabe von Pubertätsblockern auf eine Therapie im Rahmen von wissenschaftlichen Studien beschränkt. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu Gewalt insbesondere gegen Frauen und Kinder, Reem Alsalem, begrüßte diese Einschränkung kürzlich.

Die Bundesärztekammer reiht sich nun mit ihrer Forderung an die Bundesregierung in dieses zurückhaltendere Vorgehen ein. Unabhängig davon, wie die Politik auf diesen Wunsch reagiert, bleibt abzuwarten, wie ärztliche Kollegen, die Minderjährigen Pubertätsblocker und Hormone verschreiben und Geschlechtsoperationen durchführen, auf das Sprachrohr ihres Berufsstandes reagieren.

Nachbesserungen beim Selbstbestimmungsgesetz gefordert

In dem zweiten Beschluss, „Trans“-Kinder und Jugendliche betreffend, fordert der Ärztetag „den Bundestag zu einer Änderung des Selbstbestimmungsgesetzes dahingehend auf, dass es unter Achtzehnjährigen nicht gestattet werden darf, ohne vorherige fachärztliche kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Beratung Angaben zu ihrem Geschlecht und Personenstand im Personenregister vorzunehmen oder vornehmen zu lassen“.

Mit dem „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)“, kurz Selbstbestimmungsgesetz, soll es laut Bundesministerium der Justiz „trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert werden, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen“. Der Deutsche Bundestag hat es am 12. April 2024 beschlossen. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Das Gesetz soll zum 1. November 2024 in Kraft treten.

Der Deutsche Ärztetag hält in diesem Beschluss fest: „Aus medizinischer, sexualwissenschaftlicher wie auch aus biologischer Perspektive ist das Geschlecht eines Menschen eine am Körper feststellbare und in den allermeisten Fällen eindeutig zu bestimmende, keineswegs frei verfügbare, sondern unveränderbare Realität. Das Geschlecht ist biologisch binär, der Begriff ist zu trennen von dem der Geschlechtsidentität. In seltenen Fällen weicht die subjektiv empfundene Geschlechtsidentität einer Person von ihrem objektiv gegebenen körperlichen Geschlecht ab.“

Am Selbstbestimmungsgesetz kritisiert er unter anderem, dass es nur unzureichend zwischen „subjektivem Zugehörigkeitsgefühl“ und „faktisch gegebenen körperlich-biologischen Geschlecht“ unterscheide.

Das Personenstandsrecht sei zudem nicht das richtige Instrument, „um die Selbstbestimmung der von Geschlechtsinkongruenz betroffenen Menschen zu gewährleisten, deren egalitäre Behandlung zu befördern und sie vor Diskriminierung im Alltag zu schützen“. Das bisherige Echo aus der Politik ist geteilt: Während Vertreter der Ampelkoalition WELT gegenüber das Selbstbestimmungsgesetz verteidigen und etwa darauf hinweisen, medizinische Maßnahmen seien im Gesetz nicht geregelt, begrüßen Oppositionspolitiker den Beschluss der Ärztekammer oder sehen ihn gar als „allerletzten Weckruf“, um „das Schlimmste zu verhindern“.

Der bereits erwähnte Cass Report hat sich nicht nur mit der medizinischen, sondern auch der sozialen Transition betroffener Kinder und Jugendlicher wie der Änderung von Geschlecht und Personenstand beschäftigt. Er konnte nicht feststellen, ob die soziale Transition dem psychischen Wohl der Betroffenen nützt oder schadet. Jedoch würden diese mit höherer Wahrscheinlichkeit auch medizinische Maßnahmen zur körperlichen Anpassung starten.

Dr. Judith Schmitz ist freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin.

Anzeige
Die mobile Version verlassen