Tichys Einblick
Lackmustest für den Rechtsstaat

Strafverfahren gegen den Weimarer Amtsrichter Christian Dettmar

Vor dem Landgericht Erfurt läuft ein Strafverfahren gegen den Weimarer Amtsrichter Christian Dettmar wegen angeblicher Rechtsbeugung. Der Fall ist ein Lackmustest für den Rechtsstaat. Ein Kommentar von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser

imago images / Panthermedia

Projektion nennt der Psychologe die Spiegelung eigener Verhaltensweisen auf andere, besonders dann, wenn man diese eigenen Verhaltensweisen an sich selbst nicht leiden kann. Man schimpft dann lieber über die anderen, als sich zu reflektieren, also in den Spiegel zu schauen.

Solche Spiegelungen sind gerade in der Politik besonders beliebt. Da sprach man vor Kurzem noch von einer „Tyrannei der Ungeimpften“, obwohl Tyrannei voraussetzt, die Macht in den Händen zu haben. Es waren eben jene Mächtigen, die diesen Giftpfeil schleuderten, der auf sie selbst zurückfallen musste, denn sie waren es, die ihre Kritiker unterdrückten und aus der Gesellschaft ausschließen wollten. Sie nannten sie „Schwurbler“, und waren doch selbst diejenigen, die Staubschutzmasken gegen Viren einsetzten und sich mit ihren widersinnigen, sogenannten „Schutzmaßnahmen“ täglich selbst widersprachen.

Die aus Sicht eines Juristen jedoch schlimmste Eigenschaft, die auf jener Seite zu Tage tritt, ist die völlige Missachtung des Rechtes. Und auch diese Eigenschaft wird selbstverständlich projiziert. Nicht nur wurden tausende Verfahren gegen „Maskenverweigerer“ geführt und wurden zahlreiche Ärzte kriminalisiert und inhaftiert, es steht auch der Weimarer Richter Christian Dettmar vor Gericht, weil man ihm vorwirft, das Recht gebeugt zu haben.

Er hatte am 8. April 2021 einen Beschluss erlassen, mit dem er Schulkinder von der Maskenpflicht befreite, von eben jener Maskenpflicht, von der der seinerzeitige Hohepriester der corona mundi, Christian Drosten, selber gesagt hatte, dass sie nichts nütze, folglich die Kinder also nur quälen konnte.

Die Staatsanwaltschaft ließ daraufhin das Wohnhaus des Amtsrichters Dettmar durchsuchen und man zerrte ihn wegen Rechtsbeugung vor Gericht.

Dettmar hatte dem Vorschlag des ehemaligen Familienrichters Prestien folgend den § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches angewandt, der nach dessen Absatz 4 dem Familiengericht die Möglichkeit gibt, Anordnungen auch gegenüber Dritten, die nicht die Eltern sind, zu treffen, wenn diese das Kindeswohl gefährden.

Keine Rechtsprechung und keine Literatur sagt aus, dass unter „Dritten“ in diesem Sinne nicht auch Bedienstete von Schulen gemeint sein könnten. Die Staatsanwaltschaft vertritt jedoch die Auffassung, dass in diesem Falle kein Zivilrecht, sondern ausschließlich Öffentliches Recht anwendbar sei.

Darüber kann man streiten und Streiten ist das, wofür Gerichte da sind. Weil Juristen selten einer Meinung sind, sieht unsere Rechtsordnung seit eh und je mehrere Instanzen, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel vor. Jeden Tag werden unzählige Urteile von höheren Instanzen wieder aufgehoben. Kein Beschwerdegericht, kein Berufungs- oder Revisionsgericht käme auf die Idee, deshalb dem Richter der vorherigen Instanz Rechtsbeugung vorzuwerfen.

Dazu gehört schon wesentlich mehr. Die Mindestvoraussetzung für eine Rechtsbeugung durch ein Gericht ist, neben dem Vorsatz, das Recht zu beugen, dass der Richterspruch als schlechthin unvertretbar erscheinen muss. Wir lernen daraus, dass heute jede Rechtsauffassung, die von der politischen Leitlinie abweicht, als unvertretbar gilt.

Dettmar hatte vor seinem Richteramt selbst in jenem Dezernat der Staatsanwaltschaft gearbeitet, das nun gegen ihn vorgeht. Auch er befasste sich damals mit Rechtsbeugungen, die man Richtern aus der Zeit der DDR vorwarf. Auch damals war Dettmar bereits kritisch und hatte berechtigte Bedenken, das gegenwärtige Recht rückwirkend anzuwenden. Er wurde deshalb mehrfach vor seinen Vorgesetzten zitiert. Nun will man ihn also wieder zur Raison bringen, zur Staatsräson.

Die Staatsräson ist immer problematisch. Sie sollte sich aus dem Verfassungsrecht selbst ergeben und kann deshalb nicht über dieses Recht, nicht über die Grundrechte und nicht über das Rechtsstaatsprinzip gestellt werden. Kann sie nicht? Sie sollte es nicht werden und wird es doch. Wie in so vielen anderen Verfahren gegen Heinrich Habig, Ronny Weikl, Rolf Kron, Michael Ballweg und so weiter wird auch an Christian Dettmar versucht, ein Exempel zu statuieren, um die Millionen zu erziehen. Sie wollen, dass die Bürger sich beugen, beugen dabei ihrerseits das Recht – und halten sich damit selbst den Spiegel vor.

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