Tichys Einblick
Droht der Bruch in Spanien?

Spanien: Katalanische Sezessionisten suchen die Machtprobe mit Sánchez

Die spanische Regierungskoalition aus Sozialisten und Kommunisten hat alleine keine Mehrheit im Parlament. Der Preis der Tolerierung der Linksextremen ist hoch, die katalanische Junts hat ihn jetzt noch einmal erhöht: Sie droht Sánchez mit Selbstmord oder Müllhaufen der Geschichte. Von Thomas Punzmann

picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER

Das spanische Problem ist das Problem vieler Länder. Aktuelle Beispiele sind Deutschland, Polen und Frankreich.
Wie hält man eine nichtsozialistische Mehrheit von der Macht fern? Und dieses Fernhalten sollte, zumindest aus der Ferne betrachtet, noch den Anschein demokratischer Legitimität wahren.

In Deutschland spaltete man diese nichtsozialistische Mehrheit und erklärte den etwas kleineren Teil anschließend für vogelfrei. Eine bewährte und bis jetzt sehr erfolgreiche Methode.

In anderen Ländern galten und gelten Wahlbündnisse und Koalitionen sehr unterschiedlicher – von gemäßigt über radikal zu extrem linken Parteien und Gruppierungen – als eine beliebte Option, um nichtsozialistische Parteien von der Macht zu vertreiben oder sie von ihr fernzuhalten. Unerwähnt bleiben dabei in der Regel die zum Teil fragwürdigen Sonderregelungen, die diesen, oft nur regional antretenden Parteien, erst zu ihren Sitzen verholfen haben. Das einzig Einigende dieser Bündnisse ist meist nur der gemeinsame konservativ-bürgerliche Feind. Und deshalb kommen diese Modelle, wenn sie in der Regierungsverantwortung sind, schnell an ihre Grenzen. So in Polen und so, absehbar, in Frankreich.

Und auch in Spanien kommt diese Methode nun, sollte die sozialistische PSOE der neuesten Erpressung von Junts nicht nachgeben, sehr, sehr nahe an ihre Sollbruchstelle. Denn die sozialistisch-kommunistische Regierung von Pedro Sánchez erlitt bei einer wichtigen Abstimmung eine weitere schwere Niederlage.

Bei dem ersten zur Abstimmung gebrachten Gesetz, dem „Ley de Extranjería“, gibt es sehr tief gehende Differenzen zwischen der katalanischen Junts, der sozialistischen PSOE und der kommunistischen SUMAR. Strittig ist vor allem die Verteilung minderjähriger Flüchtlinge auf andere Regionen. Schlepper fluten seit Jahren die Kanaren und die spanischen Enklaven in Afrika, Ceuta und Melilla mit minderjährigen Flüchtlingen. Junts will keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen und fordert die Befreiung Kataloniens von der Aufnahmepflicht.

Auch bei der anderen zur Abstimmung gebrachten Vorlage – der zu den Defizitzielen – verhinderte Junts eine Regierungsmehrheit. Die Zustimmung des Parlaments für die von der Regierung vorgeschlagenen Defizitziele ist Voraussetzung für die Verabschiedung des Haushalts für 2025.

Bei beiden Wahlgängen hatte die PSOE bis zuletzt darauf gehofft, daß die sieben Abgeordneten von Junts sich nur ihrer Stimmen enthalten würden. Die Mehrheit wäre auf diese Weise gesichert gewesen und die Handlungsunfähigkeit der Regierung weniger offensichtlich. Dass Junts mit dem gemeinsamen Feind, der konservativen Opposition, dagegen gestimmt hat, zeigt Dreierlei.

Erstens die Verzweiflung über ihre sich immer weiter verengenden Handlungsoptionen. Zweitens, daß sie Erpressung als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung betrachtet und zuletzt, daß ihre wichtigste Forderung offenbar nicht verhandelbar ist: die Wahl des Verlierers der katalanischen Wahl Carles Puidgemont zum katalanischen Präsidenten. Erreicht werden könnte dies nur durch Stimmenthaltung des Wahlgewinners, der PSC, dem katalanischen Ableger der PSOE. Einer Forderung, die nach Einschätzung spanischer Journalisten, politischen Beobachtern sowie führenden Mitglieder der PSOE, dem politischen Selbstmord der PSOE gleichkäme.

„Ohne unsere Zustimmung“, erklärte Carles Puigdemont nach der Wahl zum spanischen Parlament 2023 Journalisten bei einer Pressekonferenz, „hat Pedro Sánchez diesmal keine Chance. Gibt er unseren Forderungen nicht nach, wird er auf dem Müllhaufen der Geschichte landen“.

Selbstmord oder Müllhaufen. Nicht unbedingt die attraktivsten Optionen für den spanischen Präsidenten Sánchez und seine Partei.


Thomas Punzmann ist Galerist in Frankfurt am Main.

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