Unter dem Titel „Patriotismus, ein linkes Plädoyer“, 2010 erschienen, geht Robert Habeck der Frage nach, ob es zwischen Staat und Gesellschaft eine Grenze geben sollte und wo sie gegebenenfalls zu verlaufen hätte. Für Habeck gibt es diese Grenze nicht. Auf die Frage, ob der Staat die Bürger in Tätigkeit setzen oder selbst tätig werden sollte, gibt er die Antwort: Beides! Das Ergebnis ist ein Wachstumskatalog, zusammengehalten durch die Kopula. Und: Investitionsprämien und Transferzahlungen, Deutschlandfonds und Bürgergeld, Planwirtschaft und Umverteilung. Oder, wie Mussolini das seinerzeit gepredigt hatte: alles für den Staat, alles durch den Staat, nichts ohne den Staat.
Der Staat muss wachsen. Er wächst ja auch, und nirgends stärker als dort, wo Robert Habeck das Sagen hat. Der Personalbestand seines Ministeriums hat sich in ein paar Jahren nahezu verdoppelt. Statt eines einzigen beschäftigt er sieben Staatssekretäre, ergänzt durch Berater, Beauftragte und Bevollmächtigte, verstärkt durch Beiräte und Beisitzer, Beiträger und Beiwohner – ein bürokratisches Riesenheer, vereint im Misstrauen gegen das Recht und die Pflicht des Bürgers, für sich und die Seinen zunächst einmal selbst aufzukommen. Wer das erwartet oder gar verlangt, macht sich verdächtig.
Die Staatstätigkeit kennt keine Grenzen; der Haushalt selbstverständlich auch nicht. Zehn Milliarden für einen Chiphersteller, der versprochen hatte, in Magdeburg eine Fabrik zu errichten, von seinem Vorhaben dann aber zurücktrat, als die Konjunktur lahmte und schließlich einbrach. Zwanzig oder dreißig Milliarden, vielleicht auch etwas mehr, für das bedingungslose Grundeinkommen, inzwischen Bürgergeld genannt, eine Leistung, für die der Staat ausdrücklich auf jede Gegenleistung verzichtet. Vierzig bis fünfzig Milliarden für die Versorgung von Menschen aus aller Welt, die noch nie etwas zum gemeinsamen Wohlstand beigetragen haben, voraussichtlich auch niemals etwas beitragen werden.
Wäre, aber nicht ist! Denn die Kluft wird tiefer.
Umso schlimmer für die Wirklichkeit, sagt Robert Habeck, und macht weiter. Den Traum von einer Überflussgesellschaft, in der jedem nach seinen Bedürfnissen gegeben wird, weil mehr als genug für alle da ist, hatten schon die Ahnherren des Kommunismus geträumt. Sie waren aber realistisch genug, das Schlaraffenland erst für übermorgen zu versprechen. Bis dahin sollte die alte, die konventionelle Regel gelten: Jedem nach seiner Leistung! So lange wollten die Grünen allerdings nicht warten. Wie üblich gingen sie aufs Ganze und haben deshalb schon in drei Jahren eine Menge von dem geschafft, wofür die Roten siebzig Jahre gebraucht hatten.
Nicht nur die Bäcker sind Robert Habecks Einladung gefolgt und haben mit dem Backen aufgehört, zahllose Einzelhändler, Massen von Handwerkern, ganze Berufszweige haben sich angeschlossen und den Laden dichtgemacht. Der Pleitegeier kreist inzwischen überall, seit ein paar Tagen ja auch über den Dächern der VW-Stadt Wolfsburg. Hier sollte etwas völlig Neues, das grüne Auto entstehen; aber daraus wird wohl nichts, genauso wenig wie aus dem grünen Strom, aus grünem Stahl und grünem Wasserstoff. Gegen Leute, die etwas ganz Neues versprechen, sollte man misstrauisch sein, hat ein bekannter Kulturhistoriker einmal bemerkt, denn das ganz Neue ist fast immer eine Lüge.
Man war ja schon misstrauisch. Sehr sogar. Aber immer noch nicht genug. Wenn man liest, was Robert Habeck unter linkem Patriotismus versteht, kann man sich nur schwerlich vorstellen, dass jemand auf die Idee kommen würde, mit diesen völlig wüsten und irren Phantasien Ernst zu machen. Doch Robert Habeck war einfach nur ehrlich; jetzt ist er an der Macht, und wie alle Radikalen steht er zu seinem Wort.
Tatsächlich hat er in erstaunlich kurzer Zeit erstaunlich sehr viel von dem geschafft, was er versprochen hatte. Heute posiert er voller Stolz vor der Fahne eines Landes, mit dem er erklärtermaßen nichts anfangen kann. Er hat erreicht, was er wollte, er ist weit oben angekommen und das Land am Boden.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.