Den Segen des Papstes für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Eine bessere PR und Bestätigung seiner Arbeit kann man sich als Chefredakteur eigentlich nicht wünschen. Dementsprechend zufriedene Gesichter waren nach der Audienz beim Heiligen Vater zu sehen, zu der ARD, ZDF und Co Anfang April in den Vatikan geeilt waren. Vermittelt hatte den Termin Kardinal Marx. Der Papst: „Ich ermutige Sie, in Ihrem Einsatz dafür zu sorgen, dass es Fakten statt Fake News, Objektivität statt Gerüchte, Differenzierung statt oberflächlicher Schlagzeilen gibt.“
Während Franziskus also noch medienethisch mahnte und zu Recht forderte, für das hohe Gut der menschlichen Freiheit und Würde entschieden Stellung zu beziehen, wand Kardinal Marx Kränze. Die öffentlich-rechtlichen Medien seien ein „wichtiger Pfeiler für die Sicherung der Demokratie“. Sie fragten „kritisch und auch unbequem nach“ und hätten „immer die wesentlichen Werte einer pluralen und freien Gesellschaft vor Augen“. Anne Will und ihre legendären Merkel-Interviews kann der Kardinal da nicht gemeint haben. Die Kämpfer für das journalistische Gute in einer Welt voller populistischer Fake News: In diesem Selbstverständnis bestätigt durften die Chefredakteure nach Hause fahren.
Zurück bleibt der Eindruck einer Kirche, die um jeden Preis auf Anschluss an das Establishment in Politik und Medien setzt. Rundfunkstaatsverträge halten schließlich die Illusion von kirchlicher Relevanz aufrecht. Das Bündnis von Thron und Altar: So sieht es im 21. Jahrhundert aus. Die Kirche positioniert sich damit aber inmitten eines legitimen Streits um Sinn und Sendung der öffentlich-rechtlichen Medien und macht sich ohne Not zum angreifbaren politischen Akteur.
Medienforscher Kepplinger brachte es auf den Punkt: „Journalisten sind keine Lügner, aber Gläubige, die ihre Sicht für die Wahrheit halten.“ Das Problembewusstsein bei vielen Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezüglich ihrer eigenen Arbeit ist dabei etwa so hoch ausgeprägt wie bei Vertretern des Ersten und Zweiten Standes vor der Französischen Revolution. Statt glaubwürdig auf die eigenen blinden Flecken zu reflektieren, schreibt man den Zwangsgroschen zur Demokratieabgabe hoch und klopft sich für Faktenchecks auf die Schulter.
Ja: Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann seinen Sinn haben. Viel Gutes wird ja auch produziert. Demokratischer Diskussion sind aber weder sein Programm noch seine Existenz entzogen. In anderen Demokratien geht es schließlich auch ohne. Zu dem fälligen Diskurs über die Zukunft der öffentlichen Medien hat die Kirche aber am allerwenigsten beizutragen.
Dieser Beitrag von Oliver Maksan erschien zuerst am 10. April 2019 als Leitartikel in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur.