Es sind tragische Bilder und bittere Schicksale: Beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, sinkt ein völlig überladenes Flüchtlingsboot, zahlreiche Menschen ertrinken, die Überlebenden werden an Land gebracht und notdürftig versorgt. Wie es dann weitergeht, wissen wir auch: mit Beileidsbekundungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen von Präsidenten, Bischöfen und NGOs. Mit dem Ruf, nun müsse endlich Schluss sein mit dem Sterben im Mittelmeer. Und mit der Drohung, das Zusammenspiel von Schleppern und Rettern so lange fortzusetzen, bis alle Länder dazu bereit sind, jeden, der kommen will, in die Arme zu schließen.
Inzwischen gibt es allerdings auch andere Töne, und die werden lauter. Sie kommen aus allen Ecken Europas, aus Frankreich, England und Skandinavien, am deutlichsten aus den ost- und südeuropäischen Ländern, die die Hauptlast der neuen Völkerwanderung zu tragen haben. Diese Völker sind die moralische Erpressung durch Rote, Grüne oder Fromme leid und wollen selbst entscheiden, wer kommen darf und wer nicht. Giorgia Meloni hat sich zu ihrer Sprecherin gemacht, indem sie verlangte, das Ganze an der Wurzel zu packen und dafür zu sorgen, dass die morschen Kähne, auf denen die Menschenhändler ihre Fracht aufs Meer hinausschicken, die Häfen gar nicht erst verlassen dürfen.
Dass solche Töne bei Potentaten wie Erdogan oder Sisi nicht gut ankommen, ist verständlich. Dass Schlepper und Schleuser nicht begeistert sind, natürlich auch – der Vorstoß würde ihr blühendes Geschäft verderben. Sollten die umlaufenden Zahlen auch nur annähernd stimmen, dürften die Menschenhändler allein für die jetzt so katastrophal gescheiterte Überfahrt an die zwei Millionen Euro kassiert haben, steuerfrei. Dass Menschenfreunde aus aller Welt trotz alledem dazu bereit sind, diesen dafür Verantwortlichen die Hand zu reichen und für ihr schmutziges Geschäft die Ausfallbürgschaft zu übernehmen, wirkt allerdings erstaunlich. Zumindest auf den ersten Blick.
Denn schon beim zweiten erkennt man, dass die Leute, die vom Humanitarismus wie ihrem Privatbesitz reden, eine sehr eigene Vorstellung von Menschlichkeit pflegen. Sie träumen von der großen, der einheitlichen, der schrankenlosen Weltgesellschaft. Um ihren Traum weiter zu träumen, ist ihnen kein Preis zu hoch – jedenfalls dann nicht, wenn es die anderen sind, die ihn zahlen müssen. Diese anderen sind alle, die auf Grenzen pochen, weil sie erfahren haben, dass das Leben in einer grenzenlosen Welt hart, teuer, unerfreulich und gefährlich ist. Wer das nicht nur glaubt, sondern auch sagt, gilt allerdings als Populist, den zu bekämpfen alles erlaubt ist, auch die Zusammenarbeit mit Leuten, die auf ein Menschenleben keinen Pfifferling geben.
Soweit bekannt, hat der Seelenverkäufer, der jetzt vor der Küste Griechenlands gekentert ist, mehrere Hilfsangebote von anderen Schiffen erhalten – erhalten und ausgeschlagen. Die Schlepper müssen kluge Leute sein. Sie wollen ihre Ware, die Ware Mensch, nur an verlässliche Kunden weiterreichen. Und verlässlich sind eben nicht alle Schiffe, sondern nur solche, die Namen wie Sea Eye, Sea Watch, MOAS, SOS Mediterranee/Ocean Viking tragen.
Wenn es nach deren Betreibern, den Kirchen und den berüchtigten Hilfsorganisationen geht, wird es dabei auch nicht bleiben. „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Wir schicken ein Schiff!“ war eine der Parolen, mit denen der Evangelische Kirchentag in Nürnberg zu Ende gegangen ist. Die Schlepper werden das gern gehört haben.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.