Tichys Einblick
Student berichtet aus Russland

Russische Anti-Kriegs-Bewegung berichtet über Sabotage gegen Bahnstrecken

In Russland und Weißrussland sind offenbar zahlreiche Gruppen von Regimegegnern aktiv, die mit Sabotageaktionen die Kriegsanstrengungen schwächen. Ihre Aktionen richten sich vor allem gegen Bahnstrecken. Von Georgiy Ostrow

Zahlreiche Großbrände wüteten Anfang Mai in Russland (hier in Nazyvayevsk). Andere Brände werden mit Sabotage-Aktionen in Verbindung gebracht.

IMAGO / ITAR-TASS

Im Westen redet man viel über Russland und die Russen – und wenig mit ihnen. Der St. Petersburger Student Georgiy Ostrow berichtet für TE vom Leben in Putins Russland.

Eine in Russland operierende Anti-Kriegs-Guerillabewegung namens „Ostanovivagony“ („Stoppt die Wagen“) berichtet über ihre Aktionen auf ihrem Telegram-Kanal und teilte eine Karte, derzufolge der organisierte Widerstand jetzt mehr als 30 Prozent des Territoriums des Landes abdeckt.

Screenprint via Telegram / @ostanovivagony

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Es gibt demnach vier verschiedene Zentren des Widerstands: in den zentralen und nordwestlichen Föderationskreisen sowie im Ural und im Fernen Osten. Die Partisanen geben an, dass es derzeit in Russland zwei Arten von Eisenbahnwiderstand gibt: den organisierten und den chaotischen, an dem jeder teilnehmen kann.

Die Aktivisten fordern: „Organisiert kleine geschlossene ‚Klubs‘, die an komplexerer Sabotage beteiligt sind: Sprengstoff legen, Züge entgleisen usw. Dies erfordert Planung und ernsthaftere Sicherheitsmaßnahmen.“ Sie stellen auch klar, dass die Karte die Regionen hervorhebt, in denen der organisierte Widerstand operiert.

Die Bewegung vereint 39 Aktivisten, die Verwandte in der Ukraine haben und sich aktiv gegen den Krieg stellen. Darüber hinaus gibt es ihnen zufolge mindestens 20 organisierte Gruppen von Eisenbahnguerillas, die in Russland operieren, ähnlich der „Stoppt die Wagen“-Bewegung.

Es ist bemerkenswert, dass die geographische Verbreitung des Eisenbahnwiderstands fast vollständig mit derjenigen der Brände in Fabriken und Waffenkammern nach dem 24. Februar übereinstimmt. Diese Brandstiftungen werden auch von internationalen Journalisten mit dem russisch-ukrainischen Krieg in Verbindung gebracht.

Eine der nachgewiesenen Widerstandshandlungen ist die Untergrabung einer Eisenbahnstrecke in der an die Ukraine grenzenden Region Belgorod. Diese Information wurde unter anderem vom Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow bestätigt.

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Die Aktivität der Partisanen wird auch durch die Tatsache belegt, dass in sechs der sieben an die Ukraine angrenzenden Regionen die Behörden eine „gelbe“, also hohe terroristische Bedrohung ausgerufen haben. Dies sind die Regionen Kursk, Brjansk und Belgorod sowie bestimmte Gebiete der Region Woronesch, des Krasnodar-Territoriums und der Republik Krim. In diesen Regionen liegt die militärische Logistik für die russischen Truppen in der Ukraine.

Über Sabotage an Anlagen der russischen Eisenbahnen wird auch auf Telegram von der „Gemeinschaft der Eisenbahner“ berichtet: In den Regionen Brjansk, Orjol, Smolensk und Kursk sei ein Teil der Bahnstrecken unbrauchbar geworden.

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„Eisenguerillas“ wurden von Kollegen aus Belarus (Weißrussland) inspiriert, wo nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine Oppositionskräfte zum „Eisenbahnkrieg“ aufriefen. Die Initiative BYPOL übernahm die Verantwortung für die Zwischenfälle auf der Bahn. In Belarus wird sie, wie viele andere Initiativen, Medien und Telegrammkanäle, die sich den Behörden widersetzen, als extremistische Formation angesehen. Die Aktionen gegen die belarussische Eisenbahn finden im Rahmen des von BYPOL und Svetlana Tikhanovskaya nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus angekündigten Plans „Peramoga“ („Sieg“) für „eine organisierte und friedliche Machtübergabe an das Volk“ statt.

Die Sabotage von Militärgütern ist eine der effektivsten Formen des Widerstands gegen den Krieg. Die Washington Post zum Beispiel berichtet, dass „der belarussische Untergrund dazu beigetragen hat, Russlands Vormarsch auf Kiew zu vereiteln, indem er die Eisenbahn verwüstete“.

Der Schienenkrieg als Taktik im Kampf gegen den Feind war erstmals von sowjetischen Partisanen während der Besatzung durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg weit verbreitet. Heute übernehmen die Enkel die Erfahrungen ihrer Großväter im Kampf gegen den totalitären Aggressor.

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