Tichys Einblick
Brief an Karl Lauterbach

Was ging im Robert-Koch-Institut vor sich?

Beamte haben die Pflicht, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anordnungen bei ihren Vorgesetzten geltend zu machen. Im Zuge der Corona-Politik wurden im RKI erkennbar Manipulationen durchgesetzt. Wie die Beamten reagiert haben, wollen fünf renommierte Wissenschaftler wissen.

picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen

Fünf Chemie-Professoren, die seit 2 ½ Jahren versuchen, vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI)  Informationen zu Qualität und Qualitätssicherung einschließlich Prüfung von Comirnaty zu erlangen, haben aufgrund der durch die RKI-Protokolle nachweislich stattgefundene Einflussnahme der Politik auf die Wissenschaft und des nachgewiesenen Verstoßes gegen wissenschaftliche Standards einen Brief an den Gesundheitsminister gesandt.

In dem Brief stellen sie Lauterbach die Frage, ob und wenn ja, wie viele RKI-Mitarbeiter remonstriert haben und wie das Gesundheitsministerium reagiert hat. Weiterhin stellen sie ihm die Frage, ob und wenn ja, welche Pläne bestehen, um die Einflussnahme der Politik auf das RKI zu beenden und das Vertrauen in die Wissenschaft wiederherzustellen. TE dokumentiert den Brief:


Sehr geehrter Herr Minister,

wir sind eine Gruppe von Hochschulprofessoren, die mit großer Sorge das sinkende Ansehen der Wissenschaft in der Öffentlichkeit beobachtet. Insbesondere während der Coronapandemie wurden wissenschaftliche Standards mehrfach nicht eingehalten. So hat sich u.a. das Robert-Koch-Institut (RKI) als wissenschaftliche Einrichtung und Bundesoberbehörde nur unzureichend an die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis gehalten, denen es verpflichtet ist, wie es auch auf der eigenen Homepage nachzulesen ist.

Derartige Regelverstöße sind in den offengelegten RKI-Protokollen dokumentiert. Offensichtlich wurde in öffentlichen Stellungnahmen externen Weisungen gefolgt, obwohl diese mit der wissenschaftlichen Einschätzung des RKI nicht verträglich waren. Dies hat das Vertrauen von Wissenschaftlern und sicherlich auch von der breiten Öffentlichkeit in das RKI und die Wissenschaft insgesamt stark beschädigt, wie wir kürzlich (23. Sept. 2024) in einem Artikel in der Berliner Zeitung dargelegt haben.

In diesem Artikel forderten wir die Einrichtung einer unabhängigen Behörde sowie die Offenlegung, ob und wie viele Mitarbeiter des RKI ihrer Remonstrationspflicht nachgekommen sind. Bislang blieb jedoch eine Reaktion aus. Daher wenden wir uns nun an Sie als Leiter der weisungsbefugten Behörde und fragen nach, ob – und wenn ja welche – Bestrebungen bestehen, eine mögliche Einflussnahme Ihres Ministeriums auf fachliche Stellungnahmen des RKI zukünftig auszuschließen. Ein wissenschaftlich völlig unabhängiges RKI liegt ja offensichtlich in Ihrem Interesse, da Sie die Bedeutung der Wissenschaft oft betonen.

Wir bitten Sie uns mitzuteilen, ob – und wenn ja wie viele – Mitarbeiter des RKI gegen Weisungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) remonstriert haben und wie das Ministerium auf diese reagiert hat.

Die Offenlegung der RKI-Protokolle zeigt, dass das BMG wissentlich falsche wissenschaftliche Aussagen an das Institut übermittelt hat. Dieser Eingriff hat erheblichen Schaden an der Glaubwürdigkeit der Behörde verursacht. Zudem führt die Weisungsgebundenheit des Instituts zu einem Zirkelschluss: Beruft sich das BMG auf das RKI um zu erklären, dass alles wissenschaftlich korrekt sei, wenn man es vorher angewiesen hat, dies zu bestätigen, ist der Verweis auf das RKI nichtig. Eine wirkliche Legitimation kann nur durch eine unabhängige Behörde oder ein unabhängiges Institut erreicht werden.Wir bitten Sie uns mitzuteilen, wie Sie bzw. das BMG gedenken, diese Einflussnahme zu beenden und das Vertrauen in die Wissenschaft wiederherzustellen. Wie soll die Behörde künftig unabhängig von politischer Einflussnahme gestaltet werden, um tatsächliche wissenschaftliche Expertise zu gewährleisten und nicht nur den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu erwecken?

Eine umfassende Aufarbeitung der angesprochenen Vorkommnisse ist dringend erforderlich. Ferner kann am ehesten eine vollständig unabhängige Institution den Stand der Wissenschaft zuverlässig ermitteln und kommunizieren. Ein inhaltlich von politischen Entscheidungsträgern abhängiges RKI, dessen wissenschaftliche Publikationen insbesondere auch von Gerichten als wissenschaftlicher Goldstandard gewürdigt werden, wird das Vertrauen in diese wichtige Institution und die Wissenschaft im Allgemeinen weiter zerrütten und ist in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht tragbar. Der Steuerzahler, der diese Institutionen finanziert, hat ein Anrecht auf unabhängige Informationen, um sich als mündiger Bürger eine fundierte Meinung bilden zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Jörg Matysik, Analytische Chemie, Universität Leipzig (Kontakt);
Prof. Dr. Gerald Dyker, Organische Chemie, Ruhr-Universität Bochum;
Prof. Dr. Andreas Schnepf, Anorganische Chemie, Universität Tübingen;
Prof. Dr. Tobias Unruh, Physik, FAU Erlangen-Nürnberg;
Prof. Dr. Martin Winkler, Materials and Process Engineering, Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften


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