Tichys Einblick
"Wetterfest gegen Extremisten"

Reform des Bundesverfassungsgerichts?
 – Ja, aber richtig

Aus Angst vor "Rechtsextremisten" - das heißt: der AfD - soll über 70 Jahre nach seiner Gründung das Bundesverfassungsgericht reformiert werden. Dabei hat das Gericht tatsächlich Reformbedarf - wegen steigender Abhängigkeit, Politisierung und Qualitätsverfall. Von Richter Detlev Plath

IMAGO

Vor kurzer Zeit hat Bundespräsident Frank Walter Steinmeier gefordert, dass die Demokratie in Deutschland besser vor Extremisten geschützt werden müsse. Insbesondere müsse das Bundesverfassungsgericht „wetterfest“ gemacht werden. Der Bundespräsident spielte damit auf Pläne in der Ampel-Koalition an, Einzelheiten zum Gericht (beispielsweise wie viele Senate bestehen, wie viele Richter in die Senate gewählt werden, welche Qualifikation ein Bewerber mitbringen muss usw.) unmittelbar in der Verfassung, im Grundgesetz zu regeln.

Diese Pläne klingen auf den ersten Blick durchaus vernünftig. Aber man sollte auch hier, wie immer, seinen eigenen kritischen Verstand nicht abschalten. Einem Beobachter stellen sich bei diesen Plänen automatisch mehrere Fragen: Warum sollen denn die Einzelheiten zum Gericht in der Verfassung geregelt werden? Warum soll das gerade jetzt passieren, mehr als 70 Jahre nach der Gründung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1951? Und was soll denn genau geregelt werden? Bei näherem Hinsehen hängen alle diese Fragen miteinander zusammen.

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Zu den beiden ersten Fragen: Warum sollen die Einzelheiten bzw. zumindest eine Reihe von Details in der Verfassung geregelt werden? Und warum gerade jetzt? Die Antwort hierauf fällt ziemlich kurz aus: Die Regelung soll erfolgen aus Angst vor „Extremisten“. Da zur Zeit bei den etablierten Parteien keine Angst vor Linksextremisten herrscht und da im parteipolitischen Betrieb auch keine Angst vor islamistischen Extremisten herrscht, ist für jedermann klar, wer mit dem Wort „Extremisten“ gemeint ist: die Rechtsextremisten. Und auch hier ist völlig klar, vor wem die etablierten Parteien in Wahrheit Angst haben: vor der AfD, die in den letzten Jahren stärker und stärker geworden ist.

Was also hat die AfD mit der Frage zu tun, ob Einzelheiten zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz geregelt werden oder nicht? Das hängt mit Folgendem zusammen: Bislang – immerhin mehr als 70 Jahre – wird im Grundgesetz nur geregelt, für welche Entscheidungen das Bundesverfassungsgericht zuständig ist (Art. 93 GG) und wie die Richter des Gerichts gewählt werden, nämlich jeweils zur Hälfte vom Bundestag und zur anderen Hälfte vom Bundesrat (Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG). Alle anderen Details, etwa wie viele Senate gebildet werden, wer zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt werden kann, wie lange die Amtszeit der Richter ist usw. sind bislang nicht im Grundgesetz geregelt, sondern in einem einfachen Gesetz, dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).

Die Befürchtung der etablierten Parteien besteht darin, dass die AfD, wenn sie eine Mehrheit im Bundestag bekäme, das gesamte Bundesverfassungsgerichtsgesetz ändern könnte, insbesondere die Anzahl der Senate, die Amtszeit der Richter, die Zuständigkeit der Senate und dass die AfD neu gebildete Senate vorwiegend mit ihr genehmen Richtern besetzen könnte.

Die Befürchtung, dass bei einer erheblichen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag auch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zukünftig geändert werden könnte, ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht völlig von der Hand zu weisen. In den letzten Jahren ist zumindest in unseren Nachbarländern Polen und Ungarn Ähnliches geschehen: als sich dort die Mehrheiten in den Parlamenten grundlegend änderten, griffen Exekutive und Legislative auch erheblich in die Justiz ein, insbesondere in den Betrieb der dortigen obersten Gerichtshöfe.

In Deutschland haben die etablierten Parteien Angst, dass die AfD das Gleiche machen könnte, wenn sie an die Regierung käme. Und einer solchen Gefahr soll vorgebeugt werden, indem die wichtigsten Details zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz selbst geregelt werden sollen. Denn man kann die Verfassung nicht mit einfacher Mehrheit ändern (das könnte auch die AfD nicht), sondern nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat (Art. 79 Abs. 2 GG). Und es ist extrem unwahrscheinlich, nach menschlichem Ermessen sogar auszuschließen, dass die AfD in den nächsten Jahren eine solche Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erringen wird. Man würde also durch eine Regelung von Details zum Gericht im Grundgesetz selbst verhindern, dass die AfD daran etwas ändern könnte, wenn sie die Mehrheit im Bundestag bekäme.

Bevor die weiteren Fragen zu einer möglichen Regelung der Einzelheiten des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz selbst erörtert werden, sei hier eine Randbemerkung gestattet. Es ist schon erstaunlich, dass die etablierten Parteien gerade jetzt, mehr als 70 Jahre seit dem Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, über eine Änderung der Regeln über das Gericht nachdenken. Die Furcht vor der AfD muss schon ziemlich groß sein. Und es ist einfach nur blamabel und beschämend, wie die etablierten Parteien und Medien in den letzten Jahren mit der AfD umgehen. Entweder die AfD ist so furchtbar und verfassungswidrig. Dann soll man sie in der vom Gesetz geregelten Art und Weise verbieten (Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Oder sie ist es nicht. Dann muss man sie aber auch als gleichwertige Partei behandeln wie alle anderen Parteien. Das, was in den letzten Jahren in Deutschland mit der AfD praktiziert wird, nämlich einerseits noch nicht einmal den Versuch zu unternehmen, die AfD verbieten zu lassen, andererseits aber die AfD zu diskriminieren und ihre Mitglieder und Sympathisanten wie Aussätzige zu behandeln, ist nicht nur schäbig, sondern treibt auch die Spaltung unserer Gesellschaft immer weiter voran. Dieses Schauspiel, wie in den letzten Jahren in Deutschland mit der AfD umgegangen wird, ist eines Rechtsstaates nicht würdig.

Kommen wir zur entscheidenden Frage: Wäre die Regelung weiterer Einzelheiten zum Bundesverfassungsgericht in der Verfassung selbst sinnvoll? Und falls ja, wie sollte eine solche Regelung aussehen?

Da unsere Gesellschaft immer gespaltener ist, da die sogenannte Cancel Culture (in Wahrheit ist sie das Gegenteil von Kultur) immer mehr um sich greift und da das Gespräch und der Kompromiss über Parteigrenzen hinweg immer schwieriger werden, wäre eine Regelung weiterer Details zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz vielleicht wirklich sinnvoll. Aber die echte Gretchenfrage lautet: Wie soll so eine Änderung denn aussehen?

Wenn man bestehende Regeln oder Abläufe ändern möchte, empfiehlt es sich immer, die bisherigen Regeln bzw. Abläufe zu untersuchen, was an ihnen gut war und was eher schlecht, ehe man sie verändert, möglichst verbessert. In den letzten Jahren hat sich für dieses – an sich selbstverständliche – Prozedere der hochtrabende Begriff Evaluation durchgesetzt.
Man muss sich also die Frage stellen, ob in den letzten 70 Jahren beim Bundesverfassungsgericht alles gut war, ob es funktionierte und ob es seiner Aufgabe als „selbstständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes“ (vgl. § 1 BVerfGG) gerecht wurde.

War das Gericht wirklich selbständig? War es wirklich unabhängig?

Diese Fragen würde ich für viele Jahrzehnte des Bestehens des Gerichts uneingeschränkt bejahen. In früheren Jahrzehnten wurde das Gericht seiner Aufgabe als Kontroll-Organ gegenüber der Regierung und dem Parlament gerecht. Im Zweifel entschied es zugunsten des Recht suchenden Bürgers und zugunsten der Freiheit. Das Gericht scheute sich dabei auch nicht, politisch unbeliebte oder unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Mit dieser inneren Unabhängigkeit und seiner juristischen Kompetenz erwarb sich das Gericht einen ausgezeichneten Ruf.

Aber in den letzten Jahren hat sich die Qualität des Gerichts nach meiner Wahrnehmung deutlich verschlechtert. Es macht immer mehr den Anschein, dass das Gericht, insbesondere der Erste Senat, nur noch der verlängerte Arm der Politik ist. Und das hängt ganz wesentlich mit den Personen zusammen, die zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt wurden.

Es ist zwar richtig, dass die Bewerber, die zu Richtern am Bundesverfassungsgericht gewählt werden, immer eine Nähe zum politischen Leben entweder schon aufweisen oder spätestens als Richter am Bundesverfassungsgericht bekommen. Denn die Richter werden durch Politiker, durch den Bundestag und den Bundesrat gewählt (Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG) und sie entscheiden vielfach über politische Dinge, insbesondere über die Gültigkeit von Gesetzen (abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) und über Streitigkeiten von – politisch besetzten – Verfassungsorganen (Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht ist kein gewöhnliches Gericht und kann es nach dem Grundgesetz auch gar nicht sein. In diesem Sinne wird es immer ein mit politischen Dingen beschäftigtes Gericht sein.

Aber es macht einen riesigen Unterschied, wie sich die Richter selbst sehen: Verstehen sie sich in erster Linie als Richter, die nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit suchen und im Sinne des Grundgesetzes entscheiden? Oder verstehen sie sich in erster Linie als Politiker, die Politik gestalten und dies lediglich mit juristischen Begriffen und juristischen Verfahren bewerkstelligen? Anders ausgedrückt und frei nach Clausewitz: Soll das Bundesverfassungsgericht nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein?

Genau bei diesem Punkt, nämlich beim Berufethos der Richter, hat in den letzten Jahren vieles nachgelassen. Als Beobachter bekommt man, insbesondere beim Ersten Senat, immer mehr den Eindruck, dass die betreffenden Richter sich nicht mehr primär als Richter verstehen, sondern als Politiker. Ein berüchtigtes Beispiel hierfür war der Beschluss vom 24. März 2021 über die Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz. Dieser Beschluss wies eine Vielzahl von naturwissenschaftlichen Fehlern auf und er brach mit mehreren Verfassungsprinzipien, die das Gericht seit Jahrzehnten hochgehalten hatte. Weitere Einzelheiten stehen in einem Beitrag, der am 19. März 2024 bei Tichys Einblick erschienen ist.

Der Beschluss vom 24.03.2021 hatte nur noch wenig mit der Suche nach der Wahrheit zu tun. Vielmehr wurde hier grüne Parteipolitik in eine Beschlussform gegossen. Die Vermutung, dass sich die Damen und Herren des Ersten Senats hier mehr als Politiker denn als Richter fühlten, folgt auch aus der Form, die sie für die Bekanntmachung des Beschlusses wählten. Dabei handelt es sich zwar eigentlich nur um eine Nebensächlichkeit, aber um eine politisch sehr wirksame. Normalerweise werden Beschlüsse, mit denen über Verfassungsbeschwerden entschieden wird, vom Bundesverfassungsgericht im Bürowege erledigt. Die Parteien erhalten eine Ausfertigung des Beschlusses zugestellt, mehr nicht. Die meisten Verfassungsbeschwerden gelangen im Übrigen gar nicht erst in den vollständigen Senat mit acht Richtern, sondern werden von einer sogenannten Kammer (§15a BVerfGG) entschieden, die nur aus drei Richtern des Senats besteht.

Das alles war bei dem erwähnten Beschluss vom 24. März 2021 anders. Zum einen wurden die zugrunde liegenden Verfassungsbeschwerden durch den gesamten Senat mit acht Richtern entschieden. Zum anderen wurde der Beschluss auch nicht einfach an die Parteien zugestellt. Vielmehr wurde extra ein Verkündungstermin am 29. April 2021 anberaumt, zu dem die Presse, der Rundfunk und das Fernsehen eingeladen wurden. Sodann wurde der Beschluss in öffentlicher Verhandlung vor laufenden Kameras verkündet. Es sollte also erkennbar der Beschluss medien- und öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht werden. Für die rein sachlich-rechtliche Entscheidung war dieses Prozedere überflüssig. Daher liegt die Vermutung sehr nahe, dass gerade auch mit dieser Form der Verkündung des Beschlusses Politik gemacht werden sollte.

Zurück zur Evaluation und zum Berufsethos der Richter. Wenn man sich anschaut, wie die Richterstühle besetzt waren, als der Beschluss gefasst wurde, wundert man sich nicht mehr, dass in dem Beschluss mehr grüne Parteipolitik als unvoreingenommene Suche nach der Wahrheit steckt. Der juristische Laie stellt sich ja vor, dass am Bundesverfassungsgericht besonders erfahrene Richter am Werk sind, die auch schon Richter waren, bevor sie zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt wurden.

So stellt sich übrigens auch das Grundgesetz die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts vor. In Art. 94 Abs. 1 S. 1 GG heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern und anderen Mitgliedern“. Der Verfassungsgeber ging also erkennbar davon aus, dass der überwiegende Teil der Richter am Bundesverfassungsgericht aus der Reihe der Bundesrichter gewonnen wird und nur nebenher auch andere Personen zu „anderen Mitgliedern“ berufen werden können.

Diese Vorstellung wurde bei der Besetzung des Ersten Senats nicht annähernd erfüllt und wird schon seit Jahren systematisch konterkariert. Von den acht Bundesverfassungsrichtern, die am Beschluss vom 24. März 2021 beteiligt waren (Dr. Harbarth, Prof. Dr. Paulus, Prof. Dr. Baer, Prof. Dr. Britz, Dr. Ott, Dr. Christ, Prof. Dr. Radtke und Prof. Dr. Härtel) waren nur drei (!) wirklich erfahrene Richter, die zuvor Bundesrichter gewesen waren, also Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Art. 95 GG), und die zuvor ein paar Jahre hauptamtlich als Richter gearbeitet hatten, nämlich Frau Dr. Ott, Herr Dr. Christ und Herr Prof. Dr. Radtke.

Bei den übrigen Richtern, die an dem Beschluss beteiligt waren, war das nicht der Fall. Frau Prof. Dr. Härtel war nur von 2017 bis 2019, und zwar im Nebenamt, Richterin am OVG Berlin-Brandenburg gewesen. Auch sie war zuvor keine Bundesrichterin und keine hauptamtliche Richterin gewesen. Und – jetzt kommt der Knüller – vier der beteiligten Richter, nämlich Dr. Harbarth, Prof. Dr. Paulus, Prof. Dr. Baer und Prof. Dr. Britz waren vorher überhaupt nicht Richter gewesen (!), keinen einzigen Tag, ehe sie zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt wurden. Die Professoren Paulus, Baer und Britz hatten sich zwar akademische Meriten erworben und Dr. Harbarth war viele Jahre als Rechtsanwalt zugelassen gewesen und hatte viel Geld verdient. Aber als Richter hatte keiner von diesen vier Genannten vorher gearbeitet.

Es besteht daher der Eindruck, dass bei diesen vier Bundesverfassungsrichtern, die vorher niemals als Richter gearbeitet hatten, politische Überlegungen einen deutlichen Vorrang hatten gegenüber einer neutralen und unvoreingenommenen Suche nach der Wahrheit, die man gemeinhin von einem Richter erwarten darf.

Dieser verheerende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist nur ein Beispiel für eine generelle Tendenz, die das Gericht, insbesondere der Erste Senat, in den letzten Jahren an den Tag gelegt hat. Auch beim Thema Corona-Maßnahmen entstand der Eindruck, dass sich das Gericht nicht mehr als kritisches Kontrollorgan, als unabhängiges Gericht gegenüber der Regierung, insbesondere gegenüber der damaligen Bundeskanzlerin Merkel betrachtete. Vielmehr entstand auch hier der Eindruck, dass sich das Gericht nur als politische Institution verstand, die der Regierung den Rücken stärken wollte. Aber das war ja, wenn man die vorherige enge Verflechtung des Präsidenten des Gerichts, Dr. Harbarth, mit der damaligen Bundeskanzlerin Merkel berücksichtigt, auch keine echte Überraschung.

Wie man an diesem Beispiel sieht, ist es von den etablierten Parteien unredlich, wenn sie so tun, als ob jetzt erstmals durch die AfD eine politische Einflussnahme auf das Gericht drohen würde. Vielmehr haben die etablierten Parteien den Verfassungsauftrag, das Gericht überwiegend mit Bundesrichtern zu besetzen (Art. 94 Abs. 1 S. 1 GG), schon seit vielen Jahren missachtet und das Gericht überwiegend mit Personen besetzt, die ihnen parteipolitisch gefielen.

Möchte man also die Regeln über das Bundesverfassungsgericht „wetterfest“ machen und teilweise im Grundgesetz selbst verankern, sollte man, wenn dieses Vorhaben nicht ein bloßes parteipolitisches Manöver gegen die AfD sein soll, darauf achten, dass die richterliche Denkweise und die richterliche Erfahrung, wie sie auch vom Grundgesetz für das Gericht vorgesehen wird (!), wieder Vorrang bekommt vor der politischen oder sogar ideologischen Denkweise der Protagonisten und dass die richterliche Erfahrung auch bei der Besetzung des Gerichts wieder ausreichend berücksichtigt wird.

Das könnte man leicht hinbekommen, indem man Artikel 94 GG folgendermaßen neu fassen und ihm zwei Artikel 94a GG und 94b GG anfügen würde:

Art. 94 GG
(1) Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten.
(2) In jeden Senat werden acht Richter gewählt.
(3) Die Richter werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Sie dürfen weder dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch den entsprechenden Organen eines Landes angehören.
(4) Fünf Richter jedes Senats werden aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes (Artikel 95 Absatz 1) gewählt. Gewählt werden sollen nur Richter, die wenigstens drei Jahre an einem obersten Gerichtshof des Bundes tätig gewesen sind.
(5) Vorsitzender in einem Senat kann nur werden, wer vorher Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1) gewesen war.
(6) Ein Bundesgesetz regelt die Verfassung und das Verfahren des Gerichts und bestimmt, in welchen Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben. Es kann für Verfassungsbeschwerden die vorherige Erschöpfung des Rechtsweges zur Voraussetzung machen und ein besonderes Annahmeverfahren vorsehen.

Art. 94a GG
(1) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts müssen das 40. Lebensjahr vollendet haben, zum Bundestag wählbar sein und die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzen.
(2) Sie dürfen keiner Partei angehören. Mit ihrer Ernennung endet eine etwaige Mitgliedschaft in einer Partei.
(3) Mit der richterlichen Tätigkeit ist jede andere berufliche Tätigkeit unvereinbar.

Art. 94b GG
(1) Die Amtszeit der Richter dauert zwölf Jahre, längstens bis zur Altersgrenze.
(2) Eine anschließende oder spätere Wiederwahl der Richter ist ausgeschlossen.
(3) Altersgrenze ist das Ende des Monats, in dem der Richter das 68. Lebensjahr vollendet.
(4) Nach Ablauf der Amtszeit führen die Richter ihre Amtsgeschäfte bis zur Ernennung des Nachfolgers weiter.

Zur Erläuterung:
Art. 94 Abs. 1 und Abs. 2 GG neuer Fassung (n.F.) wären identisch mit dem jetzigen § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG.
Art. 94 Abs. 3 GG n.F. wäre identisch mit Art. 94 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GG alter Fassung (a.F.).
Art. 94 Abs. 4 GG n.F. wäre fast identisch mit dem bisherigen § 2 Abs. 3 BVerfGG, allerdings mit dem Unterschied, dass statt lediglich drei Bundesrichter pro Senat fünf Bundesrichter zu wählen wären. Es muss sichergestellt werden, dass die ehemaligen Bundesrichter die Mehrheit in jedem Senat haben. Nur das kann die richterliche Erfahrung in den Senaten stärken und einer Politisierung der Senate entgegenwirken.

Art. 94 Abs. 5 GG n.F. würde genau demselben Zweck dienen, dass die richterliche Erfahrung in den Senaten gestärkt und einer Politisierung vorgebeugt wird.
Es ist verheerend, dass gerade in den letzten Jahren der Eindruck entstand, dass die Wahl zum Richter am Bundesverfassungsgericht oder sogar zum Vorsitzenden eines Senats hauptsächlich nach politischen Kriterien erfolgt.

Art. 94 Abs. 6 GG n.F. wäre identisch mit Art. 94 Abs. 2 GG a.F..

Art. 94a Abs. 1 GG n.F. wäre identisch mit § 3, Absätzen 1 und 2 BVerfGG.
Art. 94a Abs. 2 GG n.F. wäre neu, aber sinnvoll, um die Beziehungen eines Richters zu einer Partei zumindest formell endgültig zu „kappen“.
Art. 94a Abs. 3 GG n.F. wäre im Wesentlichen identisch mit § 3 Abs. 4 BVerfGG, nur mit der Ausnahme, dass Jura-Professoren nicht mehr privilegiert würden.

Art. 94b GG n.F. wäre identisch mit § 4 Absätze 1 bis 4 BVerfGG.

Wenn es wirklich um eine Absicherung des Bundesverfassungsgerichts gegen politische Einflüsse, insbesondere gegen die Einflussnahme von Extremisten geht, würden die hier vorgeschlagenen Änderungen völlig ausreichen. Sie wären für jeden, dem es wirklich um das Gericht geht und der wirklich hinter dem Grundgesetz steht, zustimmungsfähig.

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