Tichys Einblick
Am Ende eine Billion CO2-Mausefallen?

Reduzierung von CO2 durch Aufforstung ist Traumtänzerei

Die Hoffnung, durch milliardenfaches Pflanzen von Bäumen zur Klimaneutralität zu gelangen, taugt allenfalls als Marketing-Instrument. Wenn man nachrechnet, wird klar, dass das eine Illusion ist.

2002 versprach eine nordrhein-westfälische Brauerei für jeden verkauften – und auch getrunkenen – Kasten Bier, einen Quadratmeter afrikanischen Regenwaldes zu sichern. Das war zunächst ein gelungener PR-Gag. Saufen für den Regenwald, das ist doch mal eine Begründung! Prompt hängten sich hunderte Firmen ebenfalls den Umweltorden um: Mit Aufforstung Umsatz steigern, ruhigen Gewissens kaufen, kaufen, konsumieren. Dass mit jedem Promille Umsatzsteigerung trotz der verspro-chenen Bäume die CO2-Emission als Konsequenz steigen muss, braucht man ja nicht hinauszuposaunen.

Fünf Jahre später gründete der damals zehnjährige Schüler Felix Finkbeiner aus Starnberg/Oberbayern seine Aktion Plant-for-the-Planet mit dem Ziel, eine Million Bäume zu pflanzen, was ihm bis 2011 mit seinen Unterstützern weltweit auch ge-lang. Er tat das – im Gegensatz zu den FfF-Demonstranten – immerhin in seiner Freizeit, ohne die Schule zu schwänzen.

Knapp 17 Jahre später nahmen sich drei internationale Organisationen, BirdLife International, Wildlife Conservation Society und WWF (World Wide Fund for Nature) im Verein mit United Nations Environment Programme (UNEP) des Baumthemas an und kreierten die „The Trillion Trees Vision“ (eine amerikanische Trillion ist eine deutsche Billion).

Diese fixe Idee brauchte schließlich noch eine akademische Weihe. Diese kam aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich vom Crowther Lab durch Jean-François Bastin und seine Mitarbeiter, abgesegnet von ETH-Professor Tom Crowther; die „Expertise“ wurde am 17. Oktober 2019 unter dem Titel „The global tree restauration potential“ in Science in korrigierter Fassung publiziert, nachdem eine Reihe anderer Forscher Fehler in der Erstpublikation moniert hatten.

Damit schaffte es die Bäume-Idee Ende Januar dieses Jahres in die Schlagzeilen des Weltwirtschaftsforums in Davos und erhielt sogar den Segen von US-Präsident Donald Trump. Und so kam es, dass im November 2019, 13 Jahre nach der Idee des Schülers Felix Finkbeiner, 193 Staaten nunmehr stolz die Pflanzung von insgesamt 13,5 Milliarden Bäumen meldeten. Zur proklamierten Billion fehlen zwar noch 986,5 Milliarden, aber ein Anfang war gemacht. Der Anspruch der ETH-Wissenschaftler ist, mit der Aufforstung von 9 Millionen Quadratkilometern Wald 200 Milliarden Tonnen ausgestoßenes CO2 zu binden. Sofern man, wohlgemerkt, von ausgewachsenen Bäumen ausgeht. Das ist gerade mal laut International Energy Agency (IEA) die Emission von 2014 bis 2019. Das Traumtänzerziel ist bekanntlich, bis 2050 bei der globalen Emission von 1990 zu landen.

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Mit diesen Zahlen nun zur Aufforstung; beschränken wir uns dabei auf unsere gemäßigten Breiten. Bis eine Fichte einen Brusthöhendurchmesser (130 cm vom Boden) von 60 cm = 190 cm Umfang hat, sind nach den Daten der Waldwirtschaft je nach Standort und Witterungsbedingungen rund 60 Jahre vergangen und ein Holz-volumen von 3,6 m³ entstanden. Bei einer Buche dauert es bis zum gleichen Durchmesser rund 100 Jahre mit 3,8 m³ Holzvolumen. Die Baumdichte pro Hektar (=0,01 Quadratkilometer) für Fichten bzw. Buchen des erwähnten Alters liegt im Mittel bei 700 respektive 500 Bäumen, folglich sind das 2.500 m³ Holz bei Fichten und 1.900 m³ bei Buchen. Gewichtet man die Hauptbestandteile des Holzes, Zellulose, Hemizellulose und Lignin, unter Einbeziehung der verschiedenen Holzdichten und errechnet aus dem Holzzuwachs den aus der Atmosphäre gebundenen Kohlenstoff bzw. CO2, dann bindet ein Hektar ausgewachsener Fichtenwald rund 1.500 Tonnen, ein Hektar Buchenwald etwa 2.000 Tonnen CO2.

Um also die oben erwähnten 200 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu binden, bräuchte man eine Fläche von 1,3 Millionen Quadratkilometern (=130 Millionen Hektar) für Fichten in gemäßigten Klimazonen oder 1 Million Quadratkilometer (=100 Millionen Hektar) Buchenwälder, vergleichbare Bodenbeschaffenheit vorausgesetzt. Zum Vergleich: Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt 357 582 Quadratkilometer.

In borealen Gebieten, also auf der nördlichen Hemisphäre etwa zwischen dem 50. und 70. Breitengrad, beträgt die Baumdichte etwa 35 Prozent der kühlgemäßigten Gegenden, also bräuchte man dort rund das Dreifache an Fläche. Klingt nicht schlecht, lässt sich bei 149 Millionen Quadratkilometer Landoberfläche schon irgendwie arrangieren. Hätten die Baumbegeisterten nicht den Faktor Zeit vergessen. Denn bis die Bäume so groß geworden und so viel CO2 aus der Atmosphäre gebunden haben, wie für die besagten 200 Milliarden CO2 nötig wäre, sind 60 Jahre (Fichten) oder 100 Jahre (Buchen) vergangen. Und bis dahin würden dann, unterstellt man unrealistisch eine globale jährliche CO2-Emission von nur 20,4 Mrd. Tonnen, also ab 2020 eine Reduktion von 40% bezogen auf 2019, zusätzlich 1.225 bzw. 2.040 Mrd. Tonnen CO2 in die Luft gepustet.

Anders herum betrachtet: Geht man nach Angaben der Forstwirtschaft in bewirt-schafteten Wäldern je nach Standortbedingungen, Witterung und Baumart von ei-nem jährlichen Holzzuwachs zwischen 10 m³ (Buche) und 16 m³ (Fichte, Tanne) pro Hektar aus, dann würde dieser Zuwachs nach analoger Berechnung wie oben 10,3 t bzw. 8,3 t gebundenes CO2 pro Jahr und Hektar bedeuten. Um also die in 2019 emittierten 34 Mrd. Tonnen CO2 (IEA) durch Photosynthese aus der Atmosphäre zu entfernen, müssten somit zusätzlich zum derzeitigen Bestand 33 bzw. 41 Millionen Quadratkilometer Waldfläche in gemäßigter Klimazone hinzukommen, also 22 bzw. 27% der Landoberfläche. Um das anhand des Marketing-Gags „The Trillion Trees Vision“ zu verdeutlichen: Bei einem in Mitteleuropa empfohlenen optimalen Pflanzabstand haben auf einem Hektar etwa 2500 Fichten oder 6500 Buchen Platz, die natürlich beim fortschreitenden Wachstum wieder ausgelichtet werden müssen, um letztlich einen Baumabstand von zwei bis vier Metern zu haben. Also reichen für die Pflanzung von einer Billion Fichten zunächst 4.000 km², für eine Billion Buchen 1.540 km². Damit wäre das Pflanzziel unserer Utopisten erreicht. Und was bräuchte man zur Klimaneutralität?

Selbstverständlich bin ich mir im Klaren darüber, dass in die hier angestellten Be-rechnungen viele weitere Parameter einbezogen werden müssten, um exakte Zah-len zu liefern. Fichten und Buchen wählte ich als Rechenbeispiel, weil es hier aus der Fachliteratur am meisten verlässliche Daten gibt. Gleiches hätte man natürlich für Pappeln, Birken, Tannen, Douglasien usw. machen können. Für das bei der Ausdünnung der Forstanlagen anfallende Totholz wurde unterstellt, dass es ge-häckselt ausschließlich kompostiert und nicht verbrannt wird. Und ich habe absicht-lich die Berechnungen auf der Basis mitteleuropäischer Verhältnisse durchgeführt, da hier im Vergleich zu anderen Erdteilen die genauesten Daten erhältlich sind. Aber ich erlaube mir zu behaupten, dass selbst unter Berücksichtigung weiterer Parameter die in diesem Beitrag aufgeführten Ergebnisse allerhöchstens eine Schwankungsbreite von plus/minus 20% haben. Das ist um Größenordnungen weniger Unsicherheit als die von der derzeitigen Bundesregierung eingeleitete Transformation der deutschen Wirtschaft. Bei der hoffen die Spieler in Berlin auf den großen Gewinn, aber Gewinner ist immer die Spielbank.


Autor: Dr. rer. nat. Heinrich Zettler, ist promovierter Chemiker und Unternehmer.

Zuletzt hat Dr. Zettler bei TE beschrieben, wie die „grüne“ Energiewende auf eine De-Industrialisierung Deutschland hinausläuft. 

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