Andrea Nahles hat vorgeschlagen, die vor einem Staatsbankrott stehende Türkei zu unterstützen. Nahles sagte: „Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden.“
Auch die Bundesregierung stellte klar, „dass sie keine Notwendigkeit sieht, zurzeit über besondere deutsche Hilfe für die Türkei nachzudenken“.
Die türkische Lira ist derzeit weiter auf Abwärtskurs. Seit Anfang 2017 hat sie rund die Hälfte ihres Wertes verloren:
Der Grund dafür ist die Auflösung des Rechtsstaates in der Türkei und die extreme Ausbreitung von Korruption und Vetternwirtschaft unter Präsident Erdogan und seiner AKP.
Die Währungsreserven der türkischen Regierung liegen inklusive der Goldreserven bei rund 100 Milliarden Dollar. Der externe Finanzierungsbedarf für Waren und Schuldendienst liegt dagegen bei rund 230 Mrd. US$ pro Jahr. Diese Wirtschaftsdaten sind katastrophal und dürften sich in absehbarer Zeit zu einer schweren Krise ausweiten.
Die Ansage von Merkel, nicht über „besondere deutsche Hilfe für die Türkei nachzudenken“, erscheint doch etwas fragwürdig. Am 28.8. veröffentlichte das Wall-Street-Journal die anonymen Aussagen mehrerer hochrangiger deutscher Beamter. Einer wird so zitiert: „um die Türkei zu stabilisieren würden wir eine Menge tun. Wir haben keine Wahl“. Nach Aussage des WSJ stehen beim Besuch des Erdogan-Schwiegersohns und neuen türkischen Finanzministers Albayrak mit seinem deutschen Pendant Olaf Scholz am 21. September in Berlin, auch Finanzhilfen auf der Tagesordnung. Der französische Finanzminister Le Maire, dessen Banken stärker betroffen wären als die deutschen Kreditgeber, zeigte sich ebenfalls besorgt. Besonders spanische, aber auch britische und italienische Banken wären von türkischen Kreditausfällen recht deutlich betroffen.
Nach Angaben von Reuters wären die spanische BBVA, die italienische UniCredit, die französische BNP Paribas, die niederländische ING und die britische HSBC am stärksten gegenüber türkischen Zahlungsausfällen und einer fallenden Lira exponiert.
Rein wirtschaftlich gesehen und bezogen auf die Migrationssituation gesehen gäbe es also Gründe, der Türkei zu helfen. Aber wollen wir wirklich Steuergelder dafür ausgeben, einen Autokraten im Amt zu halten, der den Rechtsstaat abgeschafft hat, der Minderheiten massiv unterdrückt, der zehntausende ohne Urteil ins Gefängnis gesteckt hat, der das gesamte Schulsystem islamisiert, der Korruption und Vetternwirtschaft begünstigt, der Krieg gegen die Kurden führt und dessen engste Familienmitglieder im dringenden Verdacht stehen, den IS unterstützt zu haben?
Natürlich wird ein Bankrott der Türkei auch negative Wirkungen in Deutschland und der EU hervorrufen. Das ist der Preis einer international verflochtenen Wirtschaft. Dieser Preis muss aber auch gezahlt werden, wenn man Demokratie und Verantwortung stärken will. Nur wenn Bürger auch die Folgen ihrer Wahlentscheidungen ausbaden müssen oder für die Folgen ihrer Wahlentscheidung belohnt werden, kann sich die Demokratie weiterentwickeln.
Und was machen wir mit Merkels „Flüchtlings-Deal”? Dieser Deal war von Anfang an eine Schande und entpuppt sich möglicher Weise als der gleiche Rohrkrepierer wie die viel beschworene „Europäische Lösung“. Seit zwei Jahren erleben wir deutsche Politiker, die sich nicht mehr trauen, den Möchtegern-Sultan überhaupt zu kritisieren. Das ist armselig.
Wir müssen UN-Lager in der Region zukünftig deutlich besser und vor allem direkt unterstützen. Zur Not müssen in Kooperation mit der UN in Krisengebieten Schutzzonen errichtet werden. Um den wirlkungsvollen Schutz der EU-Außengrenzen wird man nicht herumkommen: Je eher man damit beginnt, umso besser. Wir haben schon viel zu lang damit gewartet.
Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete (Liberal-konservative Reformer).