Tichys Einblick
Windenergie

Pressekampagne gegen demokratisch legitimierte Bürgerbeteiligung

Ein Bürgerbündnis setzt sich dafür ein, kritisch am Anhörungsverfahren zur monströsen Windkraftplanung beteiligt zu werden - mit Riesenerfolg. Jetzt werden Mitglieder, Kritiker und das gesamte Verfahren durch eine konzertierte Pressekampagne diffamiert. TE dokumentiert die Stellungnahme des Bündnisses.

picture alliance / imageBROKER | Arnulf Hettrich

„Im Rahmen des öffentlichen Beteiligungsverfahrens 2024 des Regionalverbands Neckar-Alb zur Teilfortschreibung Windenergie des Regionalplans Neckar-Alb hat Mitte April 2024 ein Bündnis von sieben Bürgerinitiativen in der Region Neckar-Alb knapp 440.000 Einwendungsschreiben an den Regionalverband Neckar-Alb übergeben. In den vergangenen Tagen wird das Bündnis für die Beteiligung am rechtsstaatlich korrekt organisierten öffentlichen Anhörungsverfahren durch eine konzertierte Pressekampagne in den lokalen und regionalen Medien scharf angegriffen.

Wir Bürgerinitiativen sind befremdet über diese Medienkampagne und verwahren uns mit Nachdruck gegen die Unterstellungen, wir hätten mit „perfiden Tricks“ gearbeitet. Die Bürgerbeteiligung erfolgte im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens und ist durch Beschlüsse der Regionalversammlung demokratisch legitimiert. Wir sind tief besorgt, dass durch eine vollkommen überzogene (und in Teilen inhaltlich falsche) Medienkampagne unsere Demokratie Schaden nimmt. Offenbar sahen sich manche Redakteure verpflichtet, ihre ideologische Gedankenwelt noch zusätzlich zum Ausdruck zu bringen.

Einwendungsschreiben, mit denen Bürger ihre Grundrechte wahrnehmen, werden in Presseartikeln als „Zettelwirtschaft“ verunglimpft. Ein Redaktionsleiter versteigt sich sogar zu der überaus prekären Darstellung, dass „100 Gründe 90 zu viel“ seien. Offenbar nimmt er für sich in Anspruch, dass genau er weiß, welche 10 Gründe die richtigen für alle sind. Ein anderer Redaktionsleiter geht sogar soweit, die am Verfahren beteiligten Bürger als „Trickser“ zu diffamieren. Das damit zum Ausdruck kommende Demokratieverständnis finden wir befremdlich. Das Bündnis „Gegenwind Neckar-Alb“ hat sich völlig legitim an dem Anhörungsverfahren beteiligt, zu dem der Regionalverband aufgerufen hatte.

Beteiligungsprozess im Rahmen des demokratisch legitimierten Verfahrens

Die Regionalversammlung Neckar-Alb hat die Regelungen für das Beteiligungsverfahren in Kraft gesetzt und öffentlich bekanntgegeben. Ausdrücklich „jedermann“ konnte in einer zeitlich vorgegebenen Frist Argumente, Einwendungen und Hinweise für die Verwaltungen und die Planer vorbringen. Genau das haben viele informierte und engagierte Bürger regelkonform und fristgerecht gemacht.

Eine Aktion „ProWind Neckar-Alb“ hat nun eine Petition an den Regionalverband Neckar-Alb gestartet und ruft bis zu einem von ihr willkürlich und eigenmächtig festgelegten Termin zur Unterstützung des Regionalverbands auf. Da die offizielle Frist am 15. April 2024 abgelaufen ist, liegt diese Aktion außerhalb des offiziellen Verfahrens. Offenbar halten die Akteure eine rein ideologisch geprägte Unterstützung für den Regionalverband außerhalb der demokratischen Spielregeln für notwendig.

Konzertierte Medienaktion?

Dem Bündnis Gegenwind Neckar-Alb fällt auf, dass die Berichterstattung in den lokalen Medien zeitlich koordiniert stattfindet, da alle Medienberichte dazu innerhalb kürzester Zeit erschienen sind. Die Berichte im Schwäbischen Tagblatt, der Südwestpresse, im Schwarzwälder Boten, im Reutlinger Generalanzeiger, in der Stuttgarter Zeitung und ihren angeschlossenen Lokalblättern, der Schwäbischen Zeitung und jüngst im Focus und im SWR sind inhaltlich und vom Aufbau her ähnlich und folgen demselben Narrativ.

Ziel scheint zu sein, uns als „Windkraftgegner“ zu delegitimieren und uns in eine bestimmte Ecke zu drängen. Wir weisen dies mit Nachdruck zurück. Gegenwind Neckar-Alb ist ein breites Bündnis von Bürgerinitiativen und Naturschutzorganisationen, deren Mitglieder aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Grundrechte gelten für alle Bürger und können nicht durch Medien eingeschränkt werden.
Die zeitlich und inhaltlich orchestrierte Medienkampagne lässt die Vermutung zu, dass hier eine überörtliche Medienorganisation die Führung vorgibt.

In mehreren Berichten wird erwähnt, im Hintergrund unseres Bündnisses stehe „Vernunftkraft – Bundesinitiative für eine vernünftige Energiepolitik“. Dies ist eine Falschbehauptung, wie eine seriöse journalistische Recherche leicht ergeben hätte.

Vorwurf der Nutzung elektronischer Hilfsmittel

In den Medienberichten wird der Vorwurf geäußert, dass im Rahmen der öffentlichen Beteiligung elektronische Hilfsmittel wie Serienbriefe etc. benutzt worden sind. Zum einen geben die Regelungen des Verfahrens keine Form vor oder verbieten derartige Mittel. Zum anderen macht „ProWind Neckar-Alb“ nun genau dies ebenfalls, indem sie Stimmen für eine Petition online im Word Wide Web sammelt. Damit läuft der geäußerte Vorwurf ins Leere.

Beispielsweise ruft das „bündnis nachhaltige mobilität Steinlachtal“ im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zum Ausbau der B27 im Steinlachtal bei Tübingen ebenfalls „jedermann“ „ab Geburt“ zu Einwendungsschreiben auf (https://b27neu.de/widerspruch- gegen-die-b27-neu-einlegen/). Wo bleibt hier der Aufschrei der lokalen und regionalen Medien? Wird hier gar mit zweierlei Maß gemessen? Kommt hier eine Doppelmoral der Medien zum Ausdruck? Arbeitet dieses Bündnis ebenfalls „mit perfiden Mitteln“ (um die Formulierung der Medien in den Angriffen gegen uns zu benutzen. Wir teilen explizit nicht diese Ansicht)?

Vorwurf der bundesweiten Beteiligung

Des Weiteren wird dem Bündnis Gegenwind Neckar-Alb vorgeworfen, es hätten sich bundesweit Bürger im Verfahren geäußert. Durch die Regelung, dass sich ausdrücklich jedermann am Verfahren beteiligen konnte, ist der Vorwurf nicht haltbar. Auch in der aktuellen Aktion von „ProWind Neckar-Alb“ können sich Personen ohne Einschränkung bundesweit beteiligen. Wer soll diese Differenzierung verstehen?

Viele der Akteure von „ProWind Neckar-Alb“ sind in der Universitätsstadt Tübingen oder in benachbarten Städten lokalisiert. Damit sind sie nicht den drohenden enormen Belastungen und Problemen von Windindustrieanlagen auf dem Land und im Wald ausgesetzt. Pläne zum Bau von Windindustrieanlagen in der direkten Umgebung von Tübingen oder im Schönbuch sind nicht bekannt und werden von den Aktivisten auch nicht eingefordert. Man kann leicht Windindustrieanlagen in großer Entfernung vom eigenen Lebensumfeld fordern und die Probleme von Familien mit Kindern auf dem Land oder der bedrohten Natur ignorieren.

Vorwurf hoher Kosten der Auswertung

Die Aussage, die Bürgerbeteiligung zur Regionalplanung Windenergie würde hohe Kosten verursachen, offenbart in unseren Augen ein seltsames Demokratieverständnis, welches wir nicht teilen.

Demokratie und Grundrechte sind teuer. Andreas Paust (Vorsitzender des Kompetenzzentrums Bürgerbeteiligung e.V., Mitglied u.a. im Arbeitskreis Bürgergesellschaft und Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Allianz Vielfältige Demokratie) sagt: „Bürgerbeteiligung kann teuer sein. Keine Bürgerbeteiligung kann teuer werden.“

Das Problem liegt wohl eher in einer Fehlplanung der Ressourcen der Verwaltung. Wer zu einer Bürgerbeteiligung aufruft, darf sich nicht wundern, wenn sich die Bürger beteiligen, zumal in der Sache der hoch umstrittenen Windindustrieplanung.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt (30.03.2023, Beteiligungsportal Baden- Württemberg): „Die Politik des Gehörtwerdens ist inzwischen ein echtes Markenzeichen Baden-Württembergs.“ Das betonte er erst wieder vor kurzem bei einem Erfahrungsaustausch zur dialogischen Bürgerbeteiligung in der Landesvertretung in Berlin. Transformationen könnten nur mit den Menschen gelingen, nicht gegen sie.

Kein Interesse der Medien an Sachargumenten oder am wissenschaftlichen Sachstand

Eine besondere Scheinheiligkeit legt der Medienbericht im SWR („Viel Streit um sieben Windräder“) vom 29. Juli 2024 an den Tag. Es wird beklagt, dass in Starzach Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern der Windindustrieplanungen existieren würden, die es in einem ehrlichen Dialog zu überwinden gelte. Vermittlung und eine offene Diskussion seien notwendig. Der Artikel endet dann damit: „Die [Einwendungen] stammten zum Großteil aus einer von Windkraft-Gegnern gesteuerten Aktion, die die Planungen lahmlegen sollte.“ Damit führt die SWR-Autorin genau die in wenigen Sätzen davor signalisierte angebliche Dialogbereitschaft wieder ad absurdum – eine Scheinheiligkeit in Reinform. Eine ehrliche Auseinandersetzung anhand von wissenschaftlichen Fakten und Sachargumenten scheint also keineswegs im Interesse der Medien zu liegen.

Völlig unzureichender Klimaschutz durch verfehlte Energiewende

Wir haben grundlegende Zweifel daran, ob es die Akteure von “ProWind Neckar-Alb“ mit dem Klimaschutz ernst meinen, wenn Klimaschutz allein mit erneuerbaren Energien
umgesetzt werden soll. Wir halten einen umfassenden Klimaschutz für dringend geboten und fordern seit langem den Einsatz CO2-neutraler Energiequellen.

Wenn es wirklich so schlimm um die Klimakatastrophe unseres Planeten steht, wie die Protagonisten es darstellen, verlieren sie jegliche Glaubwürdigkeit, wenn man aus der klimaneutralen Stromproduktion durch Kernkraftwerke aussteigt und die neue Kernenergie ablehnt. Sind hier etwa Klimaleugner am Werk? Oder steckt hinter der Initiative am Ende gar noch die milliardenschwere deutsche Windindustrie?

Fazit

Das Bündnis Gegenwind Neckar-Alb hat völlig legitim eine große Anzahl von Bürger im Beteiligungsverfahren bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte und bei ihrer Stellungnahme unterstützt. Unsere Sachargumente haben enorm viele Bürgern überzeugt und zu einer Eingabe beim Regionalverband Neckar-Alb veranlasst. Mit Nachdruck weisen wir die konzertierte Medienkampagne gegen uns und, vor allem, gegen die vielen informierten und engagierten Bürger zurück. Die fragwürdige Medienkampagne schadet nur unserer bürgerlich-freiheitlichen Demokratie.
Bündnis „Gegenwind Neckar-Alb“
(Zusammenschluss der Bürgerinitiativen Gegenwind Hohenzollern, ProNatur Starzach, Bitzer Bürgerinitiative, Gegenwind Rottenburg, Gegenwind Bodelshausen, und weiterer Gruppen)“

Verantwortlich für die Stellungnahme zeichnet Alexander Edele, Vorstand BI Gegenwind Hohenzollern e.V. 

Eine Dokumentation der teils wortgleichen Medienbeiträge finden Sie hier:

Die betreffenden Medienartikel finden Sie hier in unserer Sammlung zum download (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
https://www.dropbox.com/scl/fo/3jjh1zs64hrw7bcrq5t4s/ADyqk5MM6c0_AZgFbnWraH0?rlkey=qpto9tzajwqdpzt14dx2ftd6x&st=1hotjqes&dl=0

 

 

Die mobile Version verlassen